Schrobenhausen
BFV warnt vor übervollen Ligen

Was wäre, wenn es bei einem Abbruch der Fußballsaison 2019/21 nur Auf-, aber keine Absteiger geben würde

04.05.2021 | Stand 23.09.2023, 18:23 Uhr
Blick nach unten: Zahlreiche bayerische Amateurklubs haben darauf momentan überhaupt keine Lust. Sie wünschen sich, dass auf Absteiger verzichtet wird, falls die aktuelle Fußballsaison aufgrund der Corona-Pandemie vorzeitig abgebrochen werden müsste. −Foto: M. Schalk

Schrobenhausen - Die Fußballsaison 2019/21, das lässt sich bereits heute sagen, wird nicht mehr fortgesetzt werden.

Wohl in der nächsten Woche, auf jeden Fall jedoch noch in der ersten Mai-Hälfte, wird sich der Bayerische Fußball-Verband (BFV) ein Meinungsbild von seinen Vereinen einholen. Und längst treibt die Klubs um, wie die Spielzeit bei einem Saisonabbruch abgewickelt wird. "Es gibt eine klare Satzungslage, in der wir Auf- und Absteiger haben", verweist dazu BFV-Präsident Rainer Koch einmal mehr auf den viel und hitzig diskutierten Paragrafen 93 der Spielordnung (Stichwort Quotientenregelung).
Koch berichtet zudem davon, dass den BFV viele Wünsche erreichten, wie die Saison bei einem Abbruch gewertet werden sollte. "Da prallen die unterschiedlichsten Interessenslagen der Vereine aufeinander", sagt der Verbandsboss. Einer Forderung, die Saison zu annullieren - sprich, sie ohne Auf- und Absteiger abzuwickeln - erteilt der 62-jährige Multifunktionär jedoch eine deutliche Absage: "Das kann nicht der richtige Weg sein. Es wurden immerhin schon 80 Prozent der Saison gespielt. " Koch hat seine Spielbetriebsfachleute beauftragt, neben dem Paragrafen 93 noch einen "alternativen Vorschlag" zu ermitteln. "Mir ist es wichtig, dass wir klare Regelungen haben", führt Koch weiter aus, "und wenn es eine Alternativmöglichkeit gibt, die allgemein anerkannt ist und eine Mehrheit findet, dann würde ich der nicht im Weg stehen".
Immer lauter wurden in den vergangenen Tagen und Wochen die Rufe vieler Vereine, den Abstieg qua Quotientenregelung auszusetzen - und nur Aufsteiger zuzulassen. Das ruft Koch auf den Plan: "Was heißt denn nur Aufsteiger? Nur der Erste? Oder auch noch der Zweite, weil dieser die Relegationsmöglichkeiten nicht ausspielen könnte? Vielleicht auch noch der Dritte, weil der nur einen Punkt weniger hat als der Zweite und vielleicht auch noch der Vierte, weil der punktgleich ist mit dem Dritten? " Koch sieht bei dieser Forderung eine Reihe von Problemstellungen. Vor allem sieht der Poinger die größte Gefahr in überfüllten Ligen, die auf lange Sicht, wie sich jetzt in den anderen Landesverbänden zeigt, "keinen normalen Ligaspielbetrieb" zuließen. "Das Problem würden auch wir die nächsten zwei, drei oder vier Jahre vor uns herschieben", erläutert der BFV-Präsident.
Bei sämtlichen Überlegungen hat Koch auch stets die Pandemiesituation im Blick, die nicht nur den bayerischen Amateurfußball auch in der Spielzeit 2021/22 beschäftigen wird. Denn zum heutigen Zeitpunkt lässt sich nicht vorhersagen, ob denn im Juli oder August schon wieder Punktspiele ausgetragen werden können. "Bei überfüllten Ligen würde ein Saisonbeginn erst im September oder Oktober ins nächste Chaos führen", ist Koch felsenfest überzeugt.

Verbandsspielleiter Josef Janker erteilte jüngst bei der Videokonferenz der Landesligisten allen Gedanken daran, neben den Tabellenersten noch weitere Aufsteiger zuzulassen, eine klare Absage. Auch eine Änderung des aktuellen Spielklassensystems schließt der Oberpfälzer kategorisch aus. Drei statt zwei Bayernligen oder sieben statt aktuell fünf Landesligen kommen für Janker überhaupt nicht infrage.
Anhand eines Rechenbeispiels soll aufgezeigt werden, wie die Spielklassen in der Saison 2021/22 bei nur einem Aufsteiger und ohne Absteiger auf Verbandsebene, für die schwäbische Bezirksligen sowie den Ligen des Kreises Augsburg aussähen. Die Konsequenz: Am Ende der kommenden Spielzeit würde ein verschärfter Direktabstieg (hinzu kämen noch eventuelle Absteiger über die Relegation) erfolgen, falls der BFV innerhalb eines Jahres die dann überfüllten Ligen wieder auf die ursprüngliche Ligenstärke abbaut. Daran würde auch eine Aufsplittung der Ligen in jeweils zwei Gruppen mit dann anschließenden Auf- und Abstiegsrunden - Stichwort Pilotprojekt im Fußballkreis Zugspitze - nichts ändern.

? Regionalliga: Dort wäre der FC Pipinsried einer von zwei Aufsteigern aus den beiden Bayernligen. Aktuell gehören 17 Teams der höchsten bayerischen Spielklasse an. Zur neuen Saison schwankt die Zahl zwischen 18 im günstigsten und 21 Regionalligisten im ungünstigen Fall. In der 3. Liga wird es in diesem Jahr wohl sicher eine bayerische Mannschaft erwischen - denn die SpVgg Unterhaching hat als Tabellenletzter schon neun Punkte Rückstand aufs rettende Ufer. Aber auch der zweiten Vertretung von Bayern München droht der Gang zurück in die Regionalliga. Sollte der Playoff-Sieger der Regionalliga Bayern in den beiden Aufstiegspartien zur 3. Liga gegen den Nord-Vertreter scheitern, würden in der kommenden Saison 21 Mannschaften der Regionalliga angehören. Um für die Spielzeit 2022/23 die Sollstärke von 18 Klubs wieder zu erreichen, müssten in einem Jahr vier Teams den direkten Weg nach unten antreten (2022 steigt der Regionalligameister direkt in die 3. Liga auf).

? Bayernliga: Aktuell gehören den Staffeln Süd und Nord 35 Klubs an. Zur neuen Spielzeit gäbe es dann abzüglich der beiden Regionalliga-Aufsteiger FC Pipinsried (Süd) und SC Eltersdorf (Nord) sowie den hinzukommenden fünf Aufsteigern aus den Landesligen 38 Bayernligisten (zwei 19er-Staffeln). Um in der übernächsten Saison die Sollzahl von 36 Mannschaften zu erreichen, müssten im Frühjahr 2022 neun Teams direkt absteigen. In der Relegation würde sich diese Zahl sogar noch erhöhen.

? Landesliga: 90 Vereine spielen derzeit in den fünf Staffeln. Bei einem Abbruch mit Auf- und ohne Absteiger gingen fünf Vereine nach oben in die Bayernliga. Aus den 15 Bezirksligen würden die jeweils Erstplatzierten in die sechste Liga aufsteigen, womit es dann 100 Landesligisten gäbe. Um für die Saison 2022/23 wieder die Sollstärke von 90 zu erreichen (5 Ligen à 18 Teams), müssten insgesamt 29 Teams absteigen.

? Bezirksliga: Dort spielen in beiden schwäbischen Staffeln insgesamt 32 Teams. Die Ligastärke würde sich bei Abzug der beiden Landesliga-Aufsteiger und den sechs Aufsteigern aus den sechs schwäbischen Kreisligen auf 36 erhöhen (je 18 Teams). Acht Vereine müssten direkt absteigen, um die Sollzahl von 32 wieder zu erreichen, wobei dieses Vorhaben aufgrund der aufzunehmenden Landesligisten im ersten Jahr nicht zu schaffen wäre. Es sei denn, es würde von Haus aus mehr Festabsteiger als die acht geben. Auch die Relegation würde deutlich erschwert, weil davon auszugehen ist, dass es eben viel mehr schwäbische Absteiger aus der Landesliga Südwest gäbe. Die im Normalfall acht Relegationsteilnehmer aus Bezirks- und Kreisliga würden somit nur um einen freien Bezirksligaplatz wetteifern dürfen. Festzuhalten bleibt: Um in der Bezirks- und Kreisliga wieder die jeweiligen Sollzahlen zu erreichen, sind deshalb wenigstens zwei Spielzeiten mit einem verschärften Abstieg nötig.

? Kreisliga: In den Ligen Ost und Augsburg spielen in dieser Saison 28 Teams (Sollstärke). Davon würden jetzt zwei in die Bezirksliga aufsteigen, aus den fünf Kreisklassen rücken die jeweiligen Tabellenersten nach oben, womit es zur kommenden Spielzeit 31 Kreisligisten gäbe. Das hätte zur Folge, dass am Ende der nächsten Saison sechs Mannschaften auf direktem Weg die beiden Kreisligen verlassen müssten. Und selbst dann wäre es höchst fraglich, ob die Sollstärke von 28 erreicht wird, weil es durch den verschärften Abstieg aus den beiden Bezirksligen auch mehr Vereine aus dem Kreis Augsburg erwischen könnte. Es ist davon auszugehen, dass es auch in der Saison 2022/23 einen verschärften Abstieg gibt.

? Kreisklasse: 67 Teams teilen sich im Kreis Augsburg in die fünf Staffeln auf. Aus jeder Gruppe steigt jeweils der Erstplatzierte auf. Aus den sieben A-Klassen kämen sieben Teams hinzu, so dass die Runde 2021/22 mit insgesamt 69 Kreisklassisten gespielt würde. Die Zahl der Festabsteiger nach der kommenden Runde könnte bei sieben Mannschaften aus den fünf Ligen moderat ausfallen, womit dann die Sollzahl von 70 Klubs erreicht wäre. Erst in der Saison 2022/23 könnte der vermehrte Abstieg aus den beiden Augsburger Kreisligen Auswirkungen auf die Kreis- sowie A-Klasse haben.

? A-Klasse: Im Kreis Augsburg gibt es auf dieser Ebene sieben Ligen mit aktuell 91 Mannschaften (zwei Rückzüge während der Saison). Dort hätte das Revirement die geringsten Auswirkungen. Denn durch die sieben Aufsteiger, die nach oben in die Kreisklasse weggehen und die 14 Aufsteiger, die aus der B-Klasse neu hinzukommen - schon vor Saisonbeginn wurde festgelegt, dass es aus der untersten Klasse jeweils zwei Direktaufsteiger gibt - würde die Sollzahl von 98 Teams erreicht (sieben Ligen à 14 Teams). Somit wäre in den A-Klassen nach der Saison 2021/22 überhaupt kein verschärfter Abstieg notwendig.

? B-Klasse: Durch die ohnehin schon vor Saisonbeginn festgelegten jeweils zwei Direktaufsteiger aus den sieben Spielklassen würden die B-Klassen, falls es keine Absteiger gäbe, ziemlich ausgedünnt werden. Bei dann nur noch 78 Klubs müsste eine Lösung gefunden werden, um einen vernünftigen Spielbetrieb zu gewährleisten. Entweder gibt es kleinere Ligen (sechs mit elf, eine mit zwölf Teams) - oder eine Staffel müsste aufgelöst werden.

SZ

Herbert Walther