Ingolstadt
"Bezahlbares Wohnen darf kein Luxusgut sein"

SPD-Ortsverein Nordost fordert Wende in der Immobilienpolitik 1520 Haushalte auf der Warteliste

22.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:10 Uhr

Diskutierten über das Thema "Wohnen in Ingolstadt": Can Devrim Kum, Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Nordost, Inge Diehl-Karsten, die Vorsitzende des Mietervereins, Stadtbaurätin Renate Preßlein-Lehle und GWG-Geschäftsführer Peter Karmann (v. l.). - Foto: Stückle

Ingolstadt (DK) "Wohnen in Ingolstadt - wo geht die Reise hin", lautete die Frage, die der SPD-Ortsverein Nordost am Dienstagabend bei einer Diskussionsveranstaltung stellte. Die Antwort, die Gerhard Wagner, der stellvertretende Vorsitzende des Ingolstädter Mietervereins, am Ende gab, stimmt wenig hoffnungsfroh: "Wenn Sie günstigen Wohnraum haben wollen, ziehen Sie weg."

Knapp 50 Besucher haben den Weg zu der Veranstaltung beim TSV Nord gefunden, größtenteils aus den Reihen der Sozialdemokraten selbst. "Wohnen wir uns in Ingolstadt zunehmend arm", fragte Can Devrim Kum, SPD-Ortsvereinsvorsitzender im Nordosten, zu Beginn der Veranstaltung. Am Ende stand die Forderung des Ortsvereins nach "einer wohnungspolitischen Wende" mit deutlich mehr Investitionen im sozialen Wohnungsbau. "Eine reiche Stadt wie Ingolstadt darf nicht zulassen, dass bezahlbares Wohnen zum Luxusgut wird", so Kum.

Zuvor gaben die Referenten einen Überblick über die Situation aus ihrem jeweiligen Fachgebiet. Stadtbaurätin Renate Preßlein-Lehle erläuterte das "große Maß an Ausweisungen neuer Baugebiete" und Baugenehmigungen in Ingolstadt. Wohnen in Städten werde immer beliebter. 2050 leben nach einer UN-Schätzung 70 Prozent der Menschen auf der Erde in Städten. Auch Ingolstadt werde weiter wachsen. "Immobilien sind die Geldanlage schlechthin." Die Flächenverfügbarkeit sinke, "weil kaum ein Landwirt bereit ist, Ackerflächen als Bauland zu verkaufen". Preßlein-Lehle stellte verschiedene Konzepte der Stadt vor, um mehr Bauland und Baugebiete zu schaffen - unter anderem das Hochhauskonzept von 2015/2016. Der Wandel gehe vom Einfamilienhaus in Richtung Geschosswohnungsbau. 2016 wurden über 2000 Wohneinheiten genehmigt. Ingolstadt liege damit hinter München und Nürnberg auf Platz drei. Etwa 35 Bebauungsplatzverfahren seien in Bearbeitung. "Leider wächst das Personal in der Verwaltung nicht in gleichem Maße wie die Einwohnerzahl", so Preßlein-Lehle. Schlüsselthema für bezahlbaren Wohnraum sei die Senkung der Baukosten.

Viele Zahlen hatte Peter Karmann, Geschäftsführer der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft (GWG), mitgebracht. Die zwei wichtigsten vorneweg: Innerhalb der nächsten Jahre wird die GWG 1800 neue Mietwohnungen bauen, und dafür 424 Millionen Euro investieren. 65 225 Wohnungen gebe es derzeit in Ingolstadt, ohne Ein- und Mehrfamilienhäuser. Die Zahl der sozial geförderten Wohnungen lag Ende 2016 bei 5927. 66 Prozent davon seien von der GWG, die in Ingolstadt rund 7200 Wohnungen anbietet, etwa 600 davon als frei finanzierte Wohnungen. 11 Prozent des Wohnbedarfs in Ingolstadt sei sozial orientiert. Um diese Quote bis 2021 beizubehalten, müssten 1650 solche Wohnungen gebaut werden. 1520 Haushalte stehen schon jetzt auf der Warteliste - 99 davon als "vordringliche Fälle".

Inge Diehl-Karsten, Vorsitzende des Mietervereins, fürchtet "weitere exorbitante Mietpreissteigerungen". Und macht dafür in erster Linie die Politiker verantwortlich. In Ingolstadt sei bereits vor Jahren die Entwicklung übersehen worden. Das Thema Grundstückspreise etwa sei vonseiten der Politiker "bewusst nicht angegangen worden". Und: "Die Verantwortlichen weigern sich beharrlich, einen Mietspiegel erstellen zu lassen." Ein solcher, meint sie, würde die hohen Mietpreise zumindest etwas dämpfen. Er müsste dann aber anders berechnet werden, konterte Preßlein-Lehle. Bislang werden Bestandsmieten für die Erstellung eines Mietspiegels nicht herangezogen.