München
Bestatter berichtet über seine Arbeit in Corona-Zeiten

"Angehörige haben sehr viel Verständnis"

07.01.2021 | Stand 16.01.2021, 3:33 Uhr
Für die mit einer Corona-Infektion Verstorbenen gelten in Bestattungsunternehmen besondere Vorschriften. −Foto: Vennenbernd, dpa

München - Jahrelang warnten die seriösen Bestattermeister, dass sich in der Branche zu viele schwarze Schafe ohne ausreichende Qualifikation tummeln.

Das rächt sich nun angesichts der Risiken bei der Beerdigung von hochinfizösen Verstorbenen, findet Ralf Michal (53), der Vorsitzende des Landesverbands des Bayerischen Bestattungsgewerbes.

Herr Michal, hatten Sie persönlich Kunden, deren Angehörige an Corona verstorben sind?
Ralf Michal: Natürlich, die hatte wohl jeder Bestatter. Und es waren in den Monaten März und April auch wesentlich weniger, als es momentan sind. Das kann aber auch damit zusammenhängen, dass inzwischen mehr Menschen - also auch mehr Verstorbene - darauf getestet wurden, ob sie mit Corona infiziert sind.

Welche Besonderheiten müssen bei der Bestattung von Corona-Infizierten beachtet werden?
Michal: Wenn jemand nachweislich als Verstorbener mit Corona infiziert ist, greift Paragraf 7 des Infektionsschutzgesetzes. Das bedeutet, dass der Verstorbene in eine Infektionslösung und in eine Hülle gebettet werden muss. Und die Mitarbeiter, die diese Handlungen vornehmen, müssen unter Vollschutz stehen. Unmittelbar danach darf der Sarg nicht mehr geöffnet werden. Und auch eine Verabschiedung am offenen Sarg ist nicht möglich.

Wie kommunizieren Sie diese Vorschriften gegenüber den Angehörigen, die sich ja in einem emotionalen Ausnahmezustand befinden?
Michal: Das Wichtigste ist, dass man als Bestatter gegenüber den Angehörigen ehrlich ist und den Sachverhalt so darstellt, wie er ist. Und der Bestatter hat natürlich seine gesetzlichen Vorschriften zu beachten. Wir befinden uns also immer auf der Gratwanderung zwischen dem, was der Angehörige sich wünscht, und dem, was rechtlich möglich ist - und wir versuchen, beidem gerecht zu werden, was nicht immer einfach ist. Aber wir stoßen derzeit bei den Angehörigen auf sehr viel Verständnis bezüglich der Corona-Beschränkungen.

Sind die denn so prägnant und was wäre ein Beispiel?
Michal: Ja - und teilweise ändern die sich wöchentlich. Da muss man sich permanent informieren, was aktuell gilt. Ein Beispiel ist etwa die Zahl der Menschen, die an Trauerfeiern teilnehmen dürfen. Im März und April waren 10 bis 15 Personen erlaubt. Wohlgemerkt: Das war dann noch von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Zwischendurch wurde es mal wieder gelockert. Da hieß es, man passe sich den Zahlen der für einen Gottesdienst erlaubten Besucher an: 100 bis 200 im Freien.

Und aktuell?
Michal: Seit der 50. Kalenderwoche 2020 gilt in Bayern ja bereits die 10. Infektionsschutzverordnung. Das heißt, mittlerweile dürfen an Trauerfeiern nur noch Verwandte ersten und zweiten Grades teilnehmen.

Und wenn ein Verstorbener keine solchen Verwandten hat, sondern nur Freunde?
Michal: Vielfach wird dann von den Hinterbliebenen entschieden, die Trauerfeier zu verschieben, bis die Bestimmungen wieder gelockert werden.

Hat sich schon ein Mitarbeiter eines Bestattungsunternehmens im Rahmen seiner Tätigkeit mit Corona infiziert?
Michal: Davon ist mir nichts bekannt. Dazu muss man aber sagen, dass der Großteil der Betriebe über eine entsprechende Qualifikation bei der Handwerkskammer verfügt. Und da lernt man den Umgang mit infizierten Verstorbenen.

Ein Großteil der Betriebe heißt nicht alle, oder?
Michal: Richtig. Und gerade in der jetzigen Zeit der Pandemie zeigt sich, dass wir endlich über einen vernünftig geregelten, zertifizierten Zugang zum Beruf des Bestatters verfügen müssen. Leider ist die Berufsausbildung bei der Handwerkskammer nicht verpflichtend, um tätig werden zu dürfen, sondern nur freiwillig. Der eine oder andere Mitbewerber, dem eine solche Ausbildung fehlt, weiß eben nicht, wie er mit infizierten Verstorbenen umgehen soll. Das gefährdet die Volksgesundheit massiv. Das ist erschreckend.

Haben Sie das bereits der Politik so erklärt?
Michal: Ja, dort nimmt man das zur Kenntnis und damit hat es sich dann. Aber das passt ins Bild. Über alle Personenkreise, die mit tatsächlichen oder mutmaßlichen Infizierten zu tun haben, wird seit Ausbruch der Pandemie zumindest diskutiert - nur nicht über die Bestatter, die dann den infizierten Verstorbenen versorgen müssen. Wir gelten bis heute übrigens auch nicht in allen Bundesländern als systemrelevant.

Aber grundsätzlich ist die Erdbestattung im Sarg noch zu rechtfertigen, oder müsste man nicht einen infizierten Toten sicherheitshalber verbrennen und per Urne beisetzen?
Michal: Nein, denn die Corona-Erkrankung ist ja meistens nicht die letztendliche Todesursache, sondern es gibt ein Zusammenwirken vieler Faktoren. Man kann einen Corona-Toten genauso erdbestatten wie jeden anderen Verstorbenen. Es gibt inzwischen Untersuchungen, die besagen, dass das Virus spätestens drei Tage nach dem Eintritt des Todes im Körper nicht mehr aktiv ist.

Gibt es noch andere Aspekte in Ihrer Branche, die Sie gern geändert sähen?
Michal: Ja, wir wünschen uns einen Bürokratieabbau bei der Bearbeitung von Sterbefällen und die Digitalisierung, zum Beispiel bei der Todesbescheinigung oder auch bei der Sterbefallanzeige zur Beurkundung bei den zuständigen Standesämtern. Das würde sämtliche Formalitäten erheblich beschleunigen und vereinfachen.

Hat man auch in Ihrer Branche mit digitalen Angeboten auf die Corona-Beschränkungen reagiert?
Michal: Ja, zum Beispiel als bei mir daheim in Schweinfurt ein sehr bekannter und beliebter Pfarrer gestorben ist, an dessen Beerdigung viele Menschen Anteil nahmen. Daraufhin haben wir uns in Zusammenarbeit mit einem lokalen Radiosender dazu entschieden, die Trauerfeier zu streamen. Da hatten wir ein an der Größe der Stadt gemessen gewaltiges Interesse: fast 10000 Zugriffe. Real wären all diese Menschen niemals gekommen. Da kam mir der Gedanke: Das müssen wir ausbauen - etwa für Familienangehörige, die im Ausland wohnen und wegen der Reisebeschränkungen derzeit an der Trauerfeier nicht teilnehmen können.

DK 

Die Fragen stellte

André Paul.