Neuburg
Besondere Biographien aus der ganzen Welt

Landkreis bürgert 34 Personen feierlich ein "Leuchtturmprojekt" Integrationshelfer gesucht

16.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:47 Uhr

Foto: Gerda Enghuber

Neuburg (DK) Gelebte Willkommenskultur: Der Landkreis lud am Freitag zur bereits achten Einbürgerungsfeier. Seit der letzten vor einem Jahr hatten sich erneut 34 Personen aus insgesamt 17 Ländern der nicht ganz einfachen, einem staatsbürgerlichen Examen gleichenden Prozedur unterzogen.

"Ich hatte mir das einfacher vorgestellt", bekennt eine bei allem südamerikanischen Temperament doch ganz schön aufgeregte Silene Rieger. Warum aber macht man das dann? Und der Satz fällt zwischen Sitzungssaal und Landratsamts-Garten immer wieder: "Weil ich da dahoam bin."

Bei Silene Rieger sind es zwischenzeitlich schon 24 Jahre. Die Liebe führte sie einst hierher. Ist die auch verflogen, die Liebe zu Land und Leute ist geblieben. Sprachbegabt und neugierig auf Neues hatte sie von einem Bekannten ausgerechnet die Version des Schweizerdeutsch gelernt, fand so eine Anstellung in einem Urlauber-Strandhotel und ihre Liebe. Nicht nur sprachlich war in Eichstätt schließlich einiges doch recht anders. Aber da ist längst Geschichte.

Es sind immer wieder diese Begegnungen, faszinierende Biographien, die diesen Feiern ihren ganz besonderen Stempel geben. Keine Frage, er ist längst ein Hiesiger geworden, berühmt für seinen Willkommensspruch, mit dem Paul Igbo sich als Pfarrer in Karlshuld vorgestellt hatte: schwarze Erde, schwarzer Pfarrer, das passt! Gerade mal acht Jahre, die vom Gesetzgeber vorgeschriebene Pflichtzeit, hat es bei ihm gedauert, bis stellvertretende Landrätin Sabine Schneider am Freitag nun in aller Form den Einbürgerungsakt vollzog. Auf einer Missionsstation in Nigeria aufgewachsen, ist es für den in perfekter bayerischer Landhaustracht Auftretenden eine Selbstverständlichkeit, dass heute Geistliche "aus den dynamisch wachsenden ehemaligen Missionskirchen gerade in Afrika und Indien hier einen Studienplatz suchen, um den schwindenden Glauben in Deutschland neu zu entfachen und ein christliches Zeugnis geben wollen."

Als Ordensbruder war Paul Igbo nach Deutschland gekommen, schon mit seiner sogenannten Inkardination 2012 in die Diözese Augsburg war klar, dass der Jungpriester in Deutschland und Bayern bleiben will, ein sicher mutiger Schritt, denn Inkardination heißt nicht nur, "ich gehöre dazu, sondern zugleich Abschied von der Heimat." Ganz anders die Biographie des gebürtigen Briten Steven Smith. Er wollte eigentlich nach Australien auswandern, kam nur für 300 Arbeitsstunden nach Deutschland. Das war im Herbst 2002, aus den 300 Stunden sind 15 Jahre geworden, er fühlt sich angekommen, akzeptiert, aufgenommen.

Dass es nicht immer und zu hundert Prozent konfliktfrei läuft, weiß auch Sabine Schneider. Dennoch ist die stellvertretende Landrätin überzeugt, "die Mehrheit unserer Bürger lässt sich nicht verunsichern und mit Fake News aus Online-Foren und dergleichen in die Irre führen, sondern erkennt die Chancen, die dadurch erwachsen. Ich bin der Überzeugung, unserer Heimat verträgt nicht nur Vielfalt, sondern Vielfalt macht sie stark und zukunftsfähig." Zu den besonderen Anstrengungen des Landkreises nennt Sabine Schneider "unser Leuchtturm-Projekt" der Sprach-Intensiv-Klassen, wo auch die dazugehörige Elternschule verpflichtend ist, und fortführend dann die Berufsintegrationsklassen, vergisst indes auch nicht auf das viele ehrenamtliche Engagement.

Ein Gedanke war es vor allem, den der Karlshulder Seelsorger formulierte und der jeden Zuhörer doch einigermaßen nachdenklich werden ließ: "Sorgen macht mir weniger eine möglicherweise drohende religiöse Überfremdung als vielmehr die eigene Lauheit, die abnehmende Glaubenssubstanz im christlichen Abendland." Nur ein Land mit starker kultureller Identität könne auch andere integrieren.

Letztendlich seien beide Seiten gefordert, sich zu öffnen und ihre kreative Energie freizugeben. Zum Schmunzeln dann so ein Bekenntnis, dass es etwa ein "Bürger aus dem ländlichen Afrika mit seiner überwältigenden Tradition der Lebendigkeit, Gelassenheit und Spontaneität am Anfang nicht leicht mit dem Regulierungswahn und den starken Strukturen der deutschen Gesellschaft" habe.

Kräftig wurde an dem Abend auch Werbung für neue Integrationshelfer gemacht, gerade die Erfahrungen der Neubürger seien da unersetzlich. Der beste Wege zur Integration sei nun mal, sagt Pfarrer Igbo, Menschen eine Perspektive aufzuzeigen, desto weniger auch seien sie anfällig für falsche oder gar gefährliche Ideologien.

Eindringlich der Appell des Pfarrers: "Wir dürfen aber nie vergessen, dass Flüchtlinge zuerst einmal nicht Protagonisten von Ideologien sind, sondern deren Opfer. So lange die Weltpolitik es nicht schafft, dass Menschen überall auf der Welt unter menschenwürdigen Zuständen leben, werden wir immer wieder mit der Problematik der Volkswanderung konfrontiert."