Roth
Beruhigende Klänge in unruhigen Zeiten

Martin Kälberer präsentiert sein Können in der Kulturfabrik - allerdings vor nur rund 40 Zuhörern

02.05.2022 | Stand 23.09.2023, 1:06 Uhr
Eine musikalische Mischung aus Magier und Guru: Martin Kälberers Klänge besitzen bisweilen auch hypnotische Wirkung. −Foto: Tschapka

Roth - Er ist schon seit vielen Jahren ein gern gesehener Gast in der Rother Kulturfabrik.

"Ich weiß auch nicht, warum ich hier immer wieder eingeladen werde", sagte Martin Kälberer augenzwinkernd bei seinem jüngsten Gastspiel am Freitagabend. Natürlich weiß er es, denn Kälberer gilt als herausragender Multi-Instrumentalist. Allerdings wollten ihn diesmal nur rund 40 Gäste hören.

Früher, als er unter anderem mit Liedermacher Werner Schmidbauer unterwegs war, stand Kälberer noch eher im Hintergrund. Dann traf er die Entscheidung, solo auf Tour zu gehen. Seitdem setzt er selbst die Akzente und feiert große Erfolge. In der Rother Kulturfabrik präsentierte er jetzt seine neue CD "Insightout - neue Klänge aus der Stille".

In seinem weiten, schwarzen Leinenanzug, dazu mit kahl rasiertem Schädel und Bart, sieht Kälberer inzwischen ein bisschen aus wie eine Mischung aus Magier und Guru. Doch diese Beschreibung passt nicht nur optisch. Kälberer zieht sein Publikum mit seinen Stücken, die häufig eine regelrechte Sogwirkung entwickeln, in den Bann und dabei zaubert er immer wieder neue Instrumente aus dem Schwarz der Bühne.

Mal sind es seltsam klingende Eier, die er, wie er berichtet, "zufällig in einer Töpferei entdeckt habe", dann eine hölzerne Harmonika. Und schließlich hält er etwas in Händen, was frappierende Ähnlichkeit mit einem Vogelkäfig hat. Am häufigsten kommt aber ein Instrument zu Einsatz, was nach karibischen Ölfässern klingt, aber am ehesten als UFO-förmig zu beschreiben ist. Dessen Töne sind extrem weich und rund, und Kälberer erzeugt sie mal mit den Fingern, mal mit Schlägern, oder er reibt mit dem Tuch darauf herum.

Sehr kreativ auch seine Loop-Technik, mit der er den satten Sound einer ganzen Band ersetzt: Mit einer Live-Aufnahmetechnik speichert er kurze Parts ab und lässt sie in einer Endlosschleife ablaufen. Dazu gesellen sich immer mehr dieser Aufnahmen, und am Ende klingt die Ein-Mann-Show wie ein Orchester.

Aber Gesang verzichtet Kälberer zwar, aber er flüstert und haucht ins Mikrophon, was ebenfalls von der Loop-Maschine eingefangen wird, so dass ein vielstimmiger Chor aus sphärischen Harmonien entsteht. Einen Großteil seiner Stücke präsentiert er auch auf dem Klavier, und bietet dabei einen höchst emotionalen Anblick. Manchmal kriecht Kälberer regelrecht in den Bösendorfer-Flügel hinein. Auch hier beweist der Musikus große Virtuosität, wenn seine Finger mit ungeahnter Geschwindigkeit Endlosmelodien produzieren, die fast schon etwas hypnotisches haben. Da lässt der Guru wieder grüßen.

"Mein Anliegen ist es, mit euch ein paar ruhige Stunden zu verbringen in einer sehr unruhigen Zeit", sagte Kälberer. Und das ist ihm auch gelungen. Entstanden sei seine aktuelle CD allerdings in der für ihn "ruhigsten Zeit überhaupt" - der Corona-Zeit, unter der vor allem auch die Kulturschaffenden schwer zu leiden hatten. "Immerhin hatte ich genug Zeit, mich wieder einmal intensiv mit meinem Klavier zu beschäftigen", so Kälberer.

Nun sei allerdings nichts mehr ruhig - der Krieg ist in Europa zurück, "und wir wurden aus einer furchtbar ruhigen Zeit in eine schrecklich unruhige Zeit gestoßen". Daher habe er auch ein Lied mit dem Titel "Mir" geschrieben, sowohl das ukrainische als auch das russische Wort für Frieden. Trotz des optimistischen Titels besteht dieses Stück aber aus mehr Moll- denn aus Dur-Akkorden. Darüber hinaus kündigte Kälberer an, seine Gage sowohl von diesem als auch von kommenden Konzerten für "Ärzte ohne Grenzen" zu spenden, ebenso wie die Einnahmen aus dem CD-Verkauf nach dem Konzert. Für dieses Engagement, aber noch viel mehr für seine musikalische Kompetenz, die angenehm unaufdringlich ist und trotzdem (oder gerade deswegen) einen tiefen Blick ins Innere des Künstlers gewährt, bekam der gerngesehene Kufa-Gast zum Abschied viel Applaus.

HK

Tobias Tschapka