Nürnberg
Bergner sucht Bilder in der Dunkelheit

Zwischen Fernweh und Corona: Die Ausstellung "Fièvre" ist aktuell in der Nürnberger Sima-Galerie zu sehen

05.06.2020 | Stand 02.12.2020, 11:14 Uhr
Im gediegenen Ambiente der Sima-Galerie im Nürnberger Stadtteil Himpfelshof sind Thomas Bergners Bilder zu sehen. −Foto: Pelke

Nürnberg - Mit seinen Nachtbildern gehört Thomas Bergner zu den derzeit wohl spannendsten Fotografen in Nürnberg. Eine aktuelle Schau in der Sima-Galerie zeigt seine mystischen Werke.

 

Warten auf Paris: Eigentlich wäre Thomas Bergner schon längst in Paris. Auf Einladung des Freistaats darf der Fotograf aus Nürnberg einen ganzen Sommer an der Seine verbringen. Das Corona-Virus hat die Reisepläne des 1985 in Plauen geborenen Künstlers ins Wanken gebracht. "Ich sitze seit Wochen praktisch auf gepackten Koffern. Jeden Tag könnte der Anruf kommen, dass ich endlich nach Paris fahren darf", erzählt Bergner in dem gediegenen Ambiente der Sima-Galerie an der Hochstraße im Nürnberger Stadtteil Himpfelshof.

Um die Wartezeit zu verkürzen, hat Bergner gemeinsam mit dem renommierten Nürnberger Galeristen Frantisek Sima spontan eine famose Ausstellung auf die Beine gestellt. Der Titel ist dabei - wie es sich für einen einfühlsamen Zeitgenossen wie Bergner gehört - selbstverständlich mit Bedacht gewählt.

"Fièvre" (Deutsch: Fieber) hat Bergner seine Schau genannt. Der französische Titel verweist nicht nur auf die erhöhte Temperatur in der Corona-Zeit und das auf noch unbestimmte Zeit blockierte Fernweh nach Montmatre und Sacré-Cour. Die Überschrift spielt auch auf die eigene Leidenschaft für die Fotografie und die fiebrige Jagd nach der perfekten Belichtung an.

"Ich setze mich häufig nachts alleine ins Auto und fahre mit der Kamera durch die Gegend", erzählt Bergner und zeigt auf eine großformatige Aufnahme, die während einer dieser vielen nächtlichen Streifzüge entstanden ist. "Das Bild habe ich in der Nähe meiner Heimatstadt gemacht", sagt Bergner und zeigt auf die oszillierende Nachtaufnahme eines Holzzauns, der einen dunklen Wald wie eine geheimnisvolle Grenze zu durchtrennen scheint.

Bekannt geworden ist Bergner mit Aufnahmen in totaler Dunkelheit. Wie sein berühmtes Pferd, das in mondloser Nacht auf der Weide steht. Und von dem in der absoluten Finsternis nur die beiden Augen wie zwei helle Fixsterne am dunklen Firmament zu sehen sind. Mittlerweile hat Bergner wieder etwas mehr Licht zu schätzen gelernt. Mit Vorliebe gehe er derzeit in der Dämmerung auf Motivsuche, wenn sich die Konturen der Welt im Grenzbereich zwischen Tag und Nacht noch ganz fein auf dem analogen Film abzeichnen.

Apropos: Diese weichen Aufnahmen kurz nach Sonnenuntergang haben mit ihren zarten Unschärfen durchaus etwas Filmisches an sich. Wie die Aufnahme des mystischen Bretterzauns in den heimatlichen Wäldern, die direkt einer Kindheitserinnerung entsprungen scheint. "Ich habe immer diese Bilder im Kopf, die ich unbedingt machen muss", versucht Bergner den Drang des rastlosen Fotografen zu erklären und vermutet darin den Ursprung und den Antrieb seiner nächtlichen Foto-Safaris, die ihn häufig von Nürnberg in den wilden Osten über Plauen bis nach Tschechien führen.

Die gleiche Anziehungskraft wie für schummrige Mondlandschaften scheint Bergner offensichtlich für die zwielichtige Welt der Laternen zu haben. Aus dem Dickicht richtet Bergner die Kamera auf helle Fensterscheiben in der Ferne. Auch diese Nachtwelten lassen im Kopf des Betrachters schnell einen ganzen Spielfilm entstehen. Selten kommt es nicht vor, dass der Fotograf von der Polizei als vermeintlicher Einbrecher oder Voyeur in der Dunkelheit gestoppt wird.

In Paris will Bergner vorerst das nächtliche Nomadenleben aufgeben und stattdessen Stillleben im Studio unterm Dachjuché ablichten. Vielleicht, sagt er, küsse ihn auch eine Muse und er beginnt, famose Frauen für die Ewigkeit auf Zelluloid zu bannen. Aber dafür muss die Stadt der Liebe bald mal anrufen und den Foto-Künstler endlich nach Frankreich einreisen lassen.

HK