Regensburg
Beklemmung beim Anblick des Psychiaters

Gustl Mollath will bei seinem neuen Prozess keinen Gutachter im Gerichtssaal sehen – Strafkammer lehnt Antrag ab

07.07.2014 | Stand 02.12.2020, 22:29 Uhr

Regensburg (DK) Sieben Jahre saß Gustl Mollath zwangsweise in der Psychiatrie. Gestern begann das Wiederaufnahmeverfahren in Regensburg. Während vor dem Landgericht seine Unterstützer demonstrierten, kämpfte der 57-Jährige drinnen gegen die Zulassung des Gerichtspsychiaters an. Erfolglos.

Schwarzer Anzug, weißes Hemd, rote Krawatte – adrett sieht Gustl Mollath aus. Freundlich begrüßt er die Sachverständigen mit Handschlag, er lächelt, blättert in Aktenordnern, macht sich eifrig Notizen. Doch recht bald versteinert sich Mollaths Miene. Dann nämlich, als die Vorsitzende Richterin Elke Escher auf den Psychiater Norbert Nedopil zu sprechen kommt. Der Arzt soll ein Gutachten über den 57-Jährigen erstellen. Da sich Mollath jedoch nach wie vor weigert, sich untersuchen zu lassen, kann sich Nedopil dafür lediglich auf Akten sowie seine Beobachtungen während der angesetzten 17 Prozesstage stützen.

Das ist ein rotes Tuch für den Nürnberger, der gegen seinen Willen sieben Jahre in der Psychiatrie gesessen hat. Das Landgericht Nürnberg-Fürth stufte Mollath 2006 als schuldunfähig aber gemeingefährlich ein. In dem damaligen Strafprozess ging es um angebliche Körperverletzung und Freiheitsberaubung seiner Ex-Frau im Jahr 2001: Er soll sie geschlagen, getreten, gebissen sowie bis Bewusstlosigkeit gewürgt haben. In neun Fällen soll Mollath zudem Autoreifen zerstochen haben.

Das Gericht ging damals davon aus, dass Mollath, der die Taten bestritt, an Wahnvorstellungen litt. Es stützte sich dabei auf ein psychiatrisches Gutachten sowie den Umstand, dass Mollath in einer Vielzahl von Strafanzeigen behauptet hatte, seine Frau habe als Beraterin der HypoVereinsbank Schwarzgeldgeschäfte in Millionenhöhe betrieben. Mittlerweile steht fest, dass diese Vorwürfe im Kern zutreffen. Immer mehr kristallisierte sich heraus, dass Mollath zum Justizopfer geworden sein könnte. Im vergangenem August wurde er aus dem Bezirkskrankenhaus Bayreuth entlassen. Die Bilder, wie er mit einer selbst gezogenen Dattelpalme im Arm ins Auto stieg, berührten die Nation.

Jetzt also das Wiederaufnahmeverfahren, in dem sich Mollath rehabilitieren will. Seine Ex-Frau ist nicht anwesend, sie beruft sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht. Auf Grundlage der alten Anklageschrift muss die 6. Strafkammer nun von Neuem klären, ob Mollath seine Ex-Frau eingesperrt und körperlich misshandelt sowie die Sachbeschädigung begangen hat. Falls die Vorwürfe bejaht werden – was wegen der langen Zeitspanne seit den angeblichen Ereignissen als sehr unwahrscheinlich gilt –, muss das Gericht zudem entscheiden, ob Mollath dabei schuldunfähig war und ob von ihm heute noch Gefahr ausgeht. Dabei soll Psychiater Nedopil zu Rate gezogen: das rote Tuch.

„Von mir gibt es kein Einverständnis zu den Beobachtern“, meldet sich Mollath im Gerichtssaal in Regensburg prompt zu Wort. Nedopil solle sofort den Saal verlassen. „Sonst kann ich nicht aussagen.“ Rechtsanwalt Gerhard Strate springt seinem Mandanten bei: Wie Nedopil in einigen Interviews selbst gesagt habe, liegt die Fehlerquote bei psychiatrischen Gutachten bei etwa 60 Prozent – und zwar zu Lasten der Begutachteten. Seit zehn Jahren habe Mollath mit Psychiatern zu tun, einmal sei er unter Zwang begutachtet worden. Das Ergebnis war die siebenjährige Unterbringung in der Psychiatrie. „Unser Mandant hat deshalb ein absolut nachvollziehbares Misstrauen gegen solche Gutachten. “ Jede Zuckung der Augenbraue könnte ihm dabei falsch ausgelegt werden.

„Ich möchte mich verteidigen“, sagt Mollath, „aber nicht, wenn dabei Herr Nedopil als Damoklesschwert über mir schwebt – und am Schluss bekomme ich dann eine Wundertüte überreicht“. Die Anwesenheit des Psychiaters wirke für ihn wie ein Kriegstrauma, da bekomme er Beklemmungen und Angstzustände. „So kann ich mich nicht äußern“, erklärt Mollath.

Richterin Escher will sich darauf nicht einlassen: „Ich kann das schon nachvollziehen, dass Sie das generell als unangenehm empfinden. Aber auch ich bin in an die Strafprozessordnung gebunden, ich komme da nicht raus.“ Und diese sehe nun mal die Anwesenheit des Gutachters vor. „Es ist nun mal so“, pflichtet ihr Oberstaatsanwalt Wolfhard Meindl bei. „Wir müssen das Thema jetzt behandeln und wir müssen einen Gutachter dabei haben.“ Nach einer Beratungspause wird der Antrag der Verteidigung zurückgewiesen – und Mollath sagt ab jetzt nichts mehr. Nach gut zweieinhalb Stunden wird der Prozess vertagt. Heute Nachmittag geht es weiter.