Altmannstein
Bei Nacht und Nebel

Feuerwehren aus der Region posten auf Facebook unter dem Schlagwort #NachtundNebelaktion

09.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:50 Uhr

Ob Lagerfeuerromantik oder simulierter Feuerwehreinsatz: Die Feuerwehren versuchen sich bei der Videoherausforderung durch kreative Konzepte zu überbieten. Für Planung, Dreh und Schnitt hat jeder Verein eine Woche Zeit. - Fotos: Forster

Altmannstein/Riedenburg (DK) Auf Facebook posten Feuerwehren aus der Region selbst gedrehte Videos und rufen sich gegenseitig dazu auf, mitzumachen. Gesammelt werden die Beiträge unter dem Schlagwort #NachtundNebelaktion. Die Nominierungen sind humorig aufbereitet, doch im Kern hat die Aktion ein ernstes Anliegen: das Ehrenamt stärken.

 "Achtung, Achtung! Einsatz für die Feuerwehr Riedenburg" knarzt es durch ein Funkgerät. Im nächsten Moment, so zeigt es das Video der Riedenburger Wehr, eilen die Feuerwehrleute bei nächtlicher Dunkelheit ins Gerätehaus und ziehen hektisch ihre Einsatzkleidung an. Schnitt. Die großen Garagentore gehen auf und zwei Löschfahrzeuge fahren mit Blaulicht und Sirene aus dem Zeughaus. Schnitt. Weit sind die schweren Einsatzfahrzeuge nicht gekommen, denn noch auf dem Hof des Geländes steigt die Löschtruppe wieder geschlossen aus. Bei künstlich erzeugtem Nebel stellt sich die gesamte Truppe hinter einer Feuerschale auf, und erst jetzt wird dem Zuschauer klar, um was es bei diesem Einsatz geht. "Wir, die Freiwillige Feuerwehr Riedenburg, bedanken uns recht herzlich bei der Freiwilligen Feuerwehr Altmannstein für die Nominierung zur NachtundNebelaktion." Kein Einsatz im herkömmlichen Sinn, die Riedenburger Wehr nimmt an einer Facebook-Herausforderung teil, die das Ehrenamt stärken soll.

Täglich werden Milliarden von Fotos, Wortbeiträgen oder Videos auf Facebook gepostet. Ab und zu aber, da blitzt unter der endlosen Flut an Online-Inhalten zwischen schlechten "Jeder-kennt-diesen-einen-Typ-Videos" und "Markiere-einen-Freund-Bildtafeln" der eigentliche Sinn von sozialen Netzwerken hervor: das Verbinden von Menschen. Auf Facebook kursiert bereits seit dem vergangenen Jahr der Hashtag #NachtundNebelaktion. Dabei rufen unterschiedliche Gruppen und Vereine zu mehr ehrenamtlichem Engagement auf.

Das Prinzip ist schnell erklärt: Ein Verein wird in einem Video von einer anderen Gruppierung nominiert, an der Aktion teilzunehmen. Ab diesem Moment bleiben sieben Tage Zeit, um selbst ein Video zu drehen und darin möglichst kreativ dazu aufzurufen, sich ehrenamtlich in Vereinen oder Hilfsorganisationen zu engagieren. Gelingt das nicht, schuldet man dem Verein, von dem man nominiert wurde, eine Brotzeit - gerne um gehopfte Kaltgetränke erweitert. Nach der Nominierung durch die Kollegen aus Hepberg ist die Feuerwehr Altmannstein einer Schuldentilgung entgangen. In ihrem Video lauschen die Festdamen der Altmannsteiner Wehr der Geschichte "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" bei Lagerfeuerromantik und lieblicher Musik im Hintergrund. Doch dann unterbricht eine der Festdamen den Geschichtenerzähler aus dem Hintergrund unwirsch: "Wahre Prinzen kommen auf dem HLF!" Genau so ein Hilfeleistungslöschgruppenfahrzeug sieht man in der nächsten Szene. Auch hier steht die Löschmannschaft bei flackerndem Blaulicht vor dem Einsatzwagen. Die Kameraden greifen die Definition ihrer Festdamen bezüglich des geeigneten Transportmittels für Königssöhne auf. "Engagiere dich fürs Ehrenamt, denn für dich ist auch ein Platz frei und werde zum Prinzen." Brotzeitschulden erfolgreich vermieden - dafür bietet sich die Chance, selbst drei Vereine zu nominieren.

Durch dieses Prinzip ergibt sich ein Schneeballverfahren, bei dem immer mehr Vereine und Organisationen nominiert werden. "Bei den Vorbereitungen musste es schnell gehen", erklärt Florian Holzapfel von der Feuerwehr Altmannstein. "Am Tag nach der Nominierung haben wir uns zusammengesetzt und den Filmdreh geplant." Vier Tage später war das Video geschnitten und wurde auf Facebook gepostet.

Wo genau der Stein ins Rollen gebracht wurde, weiß Holzapfel auch nicht. "Die Aktion läuft schon länger und wir haben das eine Zeit lang verfolgt", erklärt er. "Bislang waren Feuerwehren aus der Region nur vereinzelt dabei. Umso mehr haben wir uns gefreut, dass die Feuerwehr Hepberg uns nominiert hat."

Verfolgt man die Spur der Aktion zurück, dann zeigt sich, dass sich vor dieser Nominierung viele Hilfsorganisationen aus dem Raum Ingolstadt gegenseitig aufforderten, bei der Aktion mitzumachen. Die Hepberger Wehr wurde vom Kreisverband des Bayerischen Roten Kreuzes Ingolstadt nominiert, welcher wiederum von der BRK-Bereitschaftsgruppe Kösching aufgefordert wurde, teilzunehmen. Die weiteren Vorgänger waren die Feuerwehren Markt Kösching und Lenting, die Landjugend Kösching, die Madlvereine Mailing-Feldkirchen und Karlskron und der Burschenverein Adelshausen.

"Wenn man nominiert wird, dann macht man die Gaudi mit", sagt Günther Sperr, der Kommandant der Feuerwehr Schamhaupten. Auch wenn man nicht wisse, ob die Aktion letztlich wirklich mehr Vereinsbeitritte bewirkt, sei "es nie schlecht, etwas zu machen, um die Jugend zu begeistern". Auch mit Blick auf weitere Nominierungen zeigt sich: Die Bandbreite an teilnehmenden Vereinen ist groß. Neben Feuerwehren laden auch Wasserwacht, Pfarrjugend oder Fußballclubs Videos hoch. Sie alle eint, die Bedeutung des Ehrenamts in den Fokus rücken zu wollen.

Der Beitrag der Feuerwehr Schamhaupten zeigt eine Jugendgruppe, die aus einer gemütlichen Runde gerissen wird, auch eine Mutter, die gerade mit ihren Kindern spielt, wird zum Einsatz gerufen. Martinshorn, dichtes Schneetreiben und rennende Feuerwehrleute rund um das Feuerwehrhaus verdeutlichen die Dringlichkeit der Situation, doch auch hier ruft am Ende die Wehr geschlossen wie aus einem Mund: "Mach mit!"

"Die Ehrenamtsaktion ist eine tolle Geschichte", findet Holzapfel und Thomas Hufnagel von der Feuerwehr Riedenburg erhofft sich durchaus einen positiven Effekt: "Die Videos können dazu beitragen, dass Außenstehende zum Nachdenken angeregt werden und sich in einem Verein engagieren. Wir brauchen das Ehrenamt."

In der Region angekommen ist die Aktion mit der Feuerwehr Altmannstein. Von der Marktgemeinde aus wurde der Ball nach Sandersdorf und Riedenburg gespielt und ging weiter nach Essing, Meihern, Kelheim, Perletzhofen, Buch und Eggersberg. Die Liste lässt sich mit Neuenhinzenhausen, Schamhaupten, Mendorf und Steinsdorf erweitern. Die Beziehung zwischen den Feuerwehren scheint zu stimmen, denn auffällig ist, dass die Löschtruppen ausschließlich andere Wehren nominiert haben. "Mittlerweile sind fast alle Feuerwehren der Großgemeinde Altmannstein dabei", so Holzapfel.

Bei aller Freundschaft, ganz ohne Wettbewerb geht es natürlich auch nicht. Mit den kreativen Videos stacheln sich die Feuerwehren gegenseitig an, neue Ideen einfließen zu lassen. Die Feuerwehr Meihern setzt auf musikalische Akzente. Erst johlt die Alarmsirene untermalt von der Rocky-Filmmusik, dann versammeln sich die Kameraden vor dem Zeughaus neben Feuerstellen und Löschfahrzeugen zu "Spiel mir das Lied vom Tod" - natürlich nach Einbruch der Dunkelheit. Eine Nacht- und Nebelaktion eben. Bei der Gestaltung der Videos sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Im Videoclip der Feuerwehr Sandersdorf sieht man einen Mann, der mit einer Sprühdose zu Gange ist. Ein Feuerwehrmann sprintet herbei und packt sich den jungen Mann. "Komm lieber zu uns, zur Feuerwehr!" Einen Kameraschwenk später wirbt eine Löschtruppe, deren Gesichter im Blaulicht abwechselnd aufflackern, für mehr Engagement im Ehrenamt. Zwei Klicks später sieht man im Video der Feuerwehr Essing einen Mann im strömenden Regen. Glücklicherweise befindet er sich direkt vor dem Feuerwehrhaus. Die Feuerwehrler bahnen sich ihren Weg durch den Nebel, positionieren sich neben dem Mann in Reih und Glied und spannen einen Regenschirm auf. Niemand wird im Regen stehen gelassen.

Etwas aus der Reihe tanzen die Kameraden aus Schamhaupten. "Wir nominieren niemanden. Und die Brotzeit, die essen wir selber", heißt es am Ende des Videos. Die Schamhauptener finden die Aktion aber nicht schlecht, man wollte schlicht niemanden nominieren, den man nicht so gut kennt. "Die benachbarten Feuerwehren haben alle schon mitgemacht", so Kommandant Sperr.

Auch die Feuerwehr Neuenhinzenhausen, die von der Wehr aus Sandersdorf ins Spiel gebracht wurde, hat teilgenommen. Mit einem entscheidenden Unterschied: "Wir finden die Aktion nicht schlecht, haben das Video aber nicht bei Facebook hochgeladen, sondern per Whatsapp an die Feuerwehren verschickt", erklärt Kommandant Stephan Betz. Ein Protagonist in dem Video wollte online nicht gezeigt werden.

Eine nicht unbegründete Vorsicht, schließlich vergisst das Internet nicht. "Webarchive speichern wie eine Bibliothek alle Webseiten, wozu auch öffentliche Profile gehören", erklärt Thomas Kranig, Präsident des Bayerischen Landesamts für Datenschutzaufsicht. Löschen bedeute im Internet demnach allenfalls schlechter auffindbar. Spuren, die online hinterlassen werden, können nachträglich nicht mehr verwischt werden. "Dritte können online gestelltes Material für eigene Zwecke auswerten und mit weiteren Informationen verknüpfen, ohne dass dies auffällt", beschreibt Kranig die Gefahren von persönlichen Daten im Internet.

Die skeptische Haltung der Neuenhinzenhausener teilen auch die Kollegen aus Mendorf, die ihr Video zwar veröffentlicht haben, aber auch auf die Gefahren personifizierter Inhalte im Internet verweisen. Besteht aber die Einwilligung aller Videoprotagonisten, dann zeigt die #NachtundNebelaktion auf zweierlei Art, wie die sozialen Medien sinnvoll genutzt werden können: Es wird für die positive Sache Bürgerengagement von Organisationen, die sich in der analogen Welt um das Wohl der Bürger bemühen, geworben. Zudem herrscht ein sehr angenehmer Umgangston unter den Beteiligten. "Für solche Aktionen sind die sozialen Netzwerke genau richtig", sagt Holzapfel.

Große Mitgliederzuwächse erwarten die Feuerwehren durch die Videoaktion trotz alledem nicht. Dennoch vermitteln die Wehren damit eine eindeutige Nachricht: Ehrenamt lohnt sich. Dass als Nebeneffekt die Beziehung zwischen den Löschtrupps gestärkt wird und der Spaß nicht auf der Strecke bleibt, wertet das Ganze zusätzlich auf. Die Folge bringt Feuerwehrmann Holzapfel auf den Punkt: "Ich kenne keine Feuerwehr, die nominiert wurde, aber kein Video gedreht hat."

Kommentar von Christian Missy

Vereine und Hilfsorganisationen rufen bei der #NachtundNebelaktion zu mehr Bürgerengagement auf, was gar nicht oft genug betont werden kann. Deshalb ist die Aktion im tiefsten Sinne positiv, schließlich wird die Arbeit von Ehrenamtlichen gerne als selbstverständlich hingenommen. Wenn die Kameraden aus Schamhaupten aber mitmachen, ohne weitere Wehren zu nominieren, dann muss man ihnen trotzdem danken. Bei den ersten Videos ist der Facebook-Nutzer noch überrascht, bei den folgenden Beiträgen bewundert der Zuschauer den neuen kreativen Ansatz – doch irgendwann hat man alles gesehen, die Botschaft wiederholt sich nur noch. Dann ist die Nachricht schlicht angekommen. Und wenn die Masse an Videos derselben Art Gefahr läuft, die User zu nerven, dann verfehlt die Aktion am Ende ihr Ziel, durch einen positiven Eindruck Vereinsengagement zu fördern.