Bei Brautpaaren ist der Kadett der Renner

17.09.2008 | Stand 03.12.2020, 5:35 Uhr

Der Fahrzeugschein erinnert an die lange Verbindung zwischen dem Kadett und der Familie Mahl.

Oberweilenbach (ahl) "Mein Schmuckstück”, nennt Josef Mahl den Star in seiner Familienflotte. Fünf Fahrzeuge umfasst der Fuhrpark, wie sich der Berufsbusfahrer auszudrücken pflegt. Der unbestrittene Liebling trägt noch das alte Kennzeichen SOB - A 711 und feiert in Kürze seinen 38. Geburtstag.

Im besten Alter befindet sich der Opel Kadett der Baureihe B somit, und Mahl denkt nicht im Traum daran, sich von ihm zu trennen. Schon eher steht da der knapp 30 Jahre jüngere Vectra auf der Abschussliste. "Der hat mich so geärgert in den letzten Wochen . . .”, grummelt der 52-Jährige.

"Wenn’s nach mir ginge”, lacht Ehefrau Rita, "wär’ das Auto schon lange weg”. Sie fährt "nur ungern” mit, und auch ihr Schwiegervater Johann, auf dem Papier der Besitzer des guten Stücks, besäße den weißen Kadett schon längst nicht mehr. "Die versteh’n ja nichts”, winkt Josef Mahl ab und erzählt, dass er des öfteren Angebote bekomme und auch schon mal 5000 Euro für den Wagen, "so wie er da steht”, ausgeschlagen habe. Solange er ihn selbst herrichten kann, bleiben die beiden unzertrennlich. Das verspricht er sich und allen, die das weit über Oberweilenbach bekannte Gespann kennen und mögen.

Weil der Kadett sich seit Mai "in Restauration” befindet, wird Mahl häufig nach seinem Schmuckstück gefragt. Eigentlich sollte er schon wieder schnurren, aber die Hofeinfahrt hatte Vorrang – jedenfalls bei Rita Mahl. Bis zum Frühjahr nächsten Jahres aber muss der Kadett durch den TÜV gelangt sein, denn im April hat der stolze Besitzer ein Brautpaar zu fahren, im Mai wird der Wagen an ein weiteres Brautpaar ausgeliehen und als Geburtstagsüberraschung ist er ebenfalls schon fest gebucht. "Nur positive Erlebnisse” hat er zu berichten, obwohl gerade die Brautpaare oft mit dem Oldtimer überrascht würden. Keine Braut, die sich weigerte einzusteigen? "Nein, keine”, antwortet Mahl lachend.

Damit es nicht von unten nass wird, muss er jetzt im Fahrerraum, "an typischer Roststelle” ein Blechteil einsetzen, das er zuvor mangels passender Ersatzteile in Handarbeit zurechtformt. So zwischen fünf und zehn Ersatzbleche hat er bereits verwendet, weshalb das Auto "jetzt stabiler ist, als es ursprünglich war”.

Der Motorraum schaut ausgesprochen übersichtlich aus im Vergleich zu modernen Autos. Mit 45 PS und einem Hubraum von 1071 Kubikzentimetern gehört er nach heutigen Maßstäben nicht gerade zu den Spitzenreitern, was aber laut Mahl keine Rückschlüsse zulässt: "Der geht ganz schön ab mit seinen 45 PS”. Moderne Autos dagegen, meint der gelernte Kfz-Mechaniker "schlucken schon 30 PS, bevor sie losfahren".

Er hat keine Servolenkung, keinen Bremskraftverstärker, kein ABS, dafür Kurbeln statt elektrischer Fensterheber und immerhin schon drei Stufen am Scheibenwischer. "Zur damaligen Zeit war er ein luxuriöses Auto”, schwärmt Mahl von dem Opel-Erfolgsmodell (2,7 Millionen mal verkauft), das Jung und Alt gerne fuhren und das besonders bei Studenten beliebt war.

Damals, das war 1970, als Johann Mahl sein zweites Auto kaufte. Sohn Josef war 14 Jahre alt und durfte später den Wagen wie seine Brüder fahren, nachdem er den Führerschein gemacht hatte. Der Eigentümer selbst kam damit allenfalls bis Füssen, die vier Söhne deutlich weiter. Pfarrer Anton Mahl studierte in Wien und fuhr den Kadett dort, Bruder Albert, ebenfalls Pfarrer, gelangte bis in die Normandie. Stets konnten sich die Mahls auf ihren fahrbaren Untersatz verlassen, der mittlerweile 207 750 Kilometer auf dem Tacho hat. Versicherung und Steuer sind günstig, Abgaswerte kein Thema für Mahl, der den letzten Ausdruck zum Beweis präsentiert: "Besser als die Kat-Autos von heute”.