Begrenzter Raum als Philosophie

26.08.2008 | Stand 03.12.2020, 5:39 Uhr

Lunas Welt besteht aus einem Klettergarten, der in die Terrasse der Familie integriert ist.

Berg im Gau (SZ) Eine kleine Lücke gibt es zwischen den Büschen, die Stefan Bellmann am Zaun gepflanzt hat. Eine Lücke, die so manch Neugieriger nutzt, um einen Blick auf das Kleinod zu werfen, das sich zwischen Bellmanns Haus und der Nachbargarage verbirgt: ein japanischer Garten.

Der Gartenbesitzer erträgt das Interesse mit Humor, wundert sich mehr darüber, als dass es ihn stört. Dabei trifft der kleine japanische Garten damit sozusagen seine ureigenste Bestimmung, denn ein so genannter Tsubogarten ist zum Anschauen da. Ein Kontemplationsgarten (Lateinisch: contemplare bedeutet "anschauen, betrachten") wird von einem bestimmten Punkt aus betrachtet, und zwar von dort aus, wo er sich am besten präsentiert.

Das ist natürlich nicht die Sichtlücke an der Grundstücksgrenze, sondern der Wintergarten von Stefan und Conny Bellmann. Hier stehen Tisch und Stühle an genau der richtigen Position und gewähren dem, der hier Platz nimmt, freien Ausblick auf den Teich mit acht großen Kois, die ältesten etwa 13 Jahre alt. Brücke, Steinlaterne und übersichtlich angeordnete Pflanzen bieten ein Ruhe und Ausgewogenheit ausstrahlendes Bild.

"Weniger ist mehr – minimalisieren und weglassen", erklärt der Gartenbesitzer das Prinzip der japanischen Miniaturgärten, die ursprünglich auf allerkleinstem Raum entstanden. Tsubo hat mehrere Bedeutungen und steht auch für ein Flächenmaß, etwa 3,3 Quadratmeter – die ersten Tsubogärten, so erzählt Bellmann, sollen lediglich fünf Quadratmeter gemessen haben. Platz ist also im kleinsten Kämmerlein, eben auch in japanischen Großstädten, wie der 8,5 Millionen-Stadt Tokio.

"Ein Garten der kleinen Leute", lächelt der 49-Jährige, der vor zehn Jahren Asien bereiste und dort Feuer fing. Haus und Garten in Berg im Gau waren damals zwei Jahre alt und "ganz normal". Zurück in der Heimat, begann sich Bellmann intensiv mit den kleinen japanischen Gärten zu befassen, die er in buddhistischen Klöstern in Bangladesh und Thailand kennen gelernt hatte. "Bücher, Internet – die gängigen Informationsquellen halt", nutzte er, bevor er damit begann, den Garten anzulegen, der bis heute weitgehend so geblieben ist, wie er vor zehn Jahren entstand.

"Falschmachen lässt sich viel", weiß der Gärtner, denn ein Tsubogarten folgt strengen Regeln. Da ist die Philosophie des begrenzten Raumes, Mauer, Zaun oder Hecke als Begrenzung sind oberstes Gebot. Steine und Pflanzen, die hier gesetzt werden, folgen den Gesetzen der Asymmetrie, müssen also in ungerader Zahl auftreten und dürfen keineswegs in auf- oder absteigender Reihenfolge gesetzt werden. Bellmann ordnet beispielsweise seine Findlinge (im passenden Miniaturformat und von links nach rechts betrachtet) größenmäßig so an: mittel, klein, groß.

Kirsch- und Mandelbäume sowie Rhododendren sind die einzigen blühenden Ausnahmen, die im Japangarten zulässig sind. "Keine Blütenpflanzen lautet die Regel – eine Rose würde stören, weil sie als Blickfang vom Gesamtbild ablenkt", erläutert der begeisterte Hobbygärtner die japanischen Traditionen.

Die Brücke über den Koi-Teich ist in hellem Stahlblau gestrichen, weil grelle Farben wiederum störend wirken würden. Rasen gibt es nicht, stattdessen wächst in Japan Moos und die restlichen Flächen werden von Kies dominiert. "Weglassen, statt – wie hier in Deutschland – immer noch etwas dazupflanzen", meint Bellmann. Mit Moos hat er es versucht, aber die Luftfeuchtigkeit reichte nicht aus. Als Kompromiss wächst jetzt ein Thymianpolster auf dem Kies und eine kleine Rasenfläche ist geduldet – Tribut an das mitteleuropäische Klima.

Kugelbuchs, japanischer Fächerahorn, Steinlaterne und Buddha sind weitere typische Merkmale, die nicht fehlen dürfen – wie die professionelle, bis 1,80 Meter tiefe Koi-Teichanlage, die von einer Felsenbirne beschattet wird. Pflanzen gibt es darinnen nicht, "weil die Kois damit Chaos anrichten würden". Den japanischen Karpfen gibt es in verschiedenen Farbschlägen, und die wichtigsten sind hier vertreten. Gezüchtet wird nicht, das Wasser ist zu kalt und wenn doch einmal einer laicht, dann werden die Fischeier Opfer des nächstbesten Kannibalen.

Züchten will Bellmann aber mit Luna, der einjährigen Bengalkatze, deren Reich die Südterrasse seitlich des fernöstlichen, auf der Westseite gelegenen Gartens ist, während sich der Nutzgarten auf der nördlichen Hausseite befindet. Luna ist Herrin über einen wunderbaren kleinen Klettergarten, der die Sitzecke malerisch umgibt. Der Schutz bietende Maschendrahtzaun bleibt weitgehend unauffällig – hier verband Bellmann das Nützliche mit dem Angenehmen, denn Luna ist zu wertvoll, um sie frei herumstreunen zu lassen.