Begräbnis zweiter Klasse - ''Wetten, dass..?'' ist Geschichte

14.12.2014 | Stand 02.12.2020, 21:52 Uhr

Nürnberg (dk) Ein Samstagabend-Klassiker sagt laut Servus: "Wetten, dass..?" ist nach 33 Jahren und 215 Shows Geschichte. Mit Markus Lanz' Worten "Machen Sie's gut, das Leben geht weiter" und Unheiligs Song "Es wird Zeit zu gehen" ist in Nürnberg bei der erfolgreichsten deutschen Fernsehshow nach dreieinhalb Stunden der letzte Vorhang gefallen.

 Vieles schien im großen Finale leichter von der Hand zu gehen. Der so oft gescholtene Moderator Markus Lanz, der in Sachen Schlagfertigkeit seinem Vorgänger Thomas Gottschalk nie das Wasser reichen konnte, wirkte befreit - was ihn nicht davon abhielt, den ein oder anderen Fettnapf mit Verve zu nehmen, aber sei's drum. 9,27 Millionen Zuschauer bedeuteten am Ende nochmal eine ordentliche Quote.
 

Es war eine Art Best of, das die Fantastischen Vier passenderweise mit "Und los" einleiteten. Ein Live-Act unmittelbar nach der Eurovisions-Fanfare - das hatte es in knapp dreieinhalb Jahrzehnten "Wetten, dass..?" zuvor noch nie gegeben. Fanta-Frontmann Thomas D. erinnerte sich an seine Kindheit und dass er damals bei Elstner länger aufbleiben durfte. Olli Dittrich, als Moderator der Außenwette selbst einmal Teil der ZDF-Show, erinnerte sich an einen Anruf von Showlegende Rudi Carrell nach seinem ersten Einsatz bei "Wetten, dass..?" ("Is' scheiße, lass es") und Smudo versprach - wohl noch immer in launiger Gewinnerlaune (am Freitag hatte die Interpretin, die er und Michi Beck in "The Voice of Germany" betreut hatten, die Staffel gewonnen) - im Falle des Falles ein Jahr lang Vollbart zu tragen.
 
Es ging um eine aberwitzige Wette, die das Highlight der Show darstellte. Der Kandidat kletterte die mehrstöckige Außenfassade eines Parkhauses schneller hoch und wieder herunter, als ein Rallyefahrer die Strecke in dem Gebäude nach oben und wieder nach unten zurücklegte. Wenn Smudo konsequent ist, dürfte er demnach in Kürze Vollbart tragen.

Die ehemalige Eiskunstlauf-Olympiasiegerin Kati Witt erzählte davon, dass sie für ihren ersten Auftritt bei "Wetten, dass..?" die Einladung zur Emmy-Verleihung (der wichtigste Fernsehpreis überhaupt) sausen ließ. Das erstaunte mindestens genauso wie die Wahl ihres scheußlichen Kleides. Wo wir bei scheußlichen Kleidern sind: Immer wieder gab es Best-of-Einspieler, und in einem sah man nochmal Sarah Connors Auftritt mit oder ohne Slip unterm durchsichtigen Hauch von Nichts, aber auch den missgelaunten Götz George und Karl-Heinz Böhm, der einst bei Elstner seine Äthiopienhilfe an den Start gebracht hatte.

Bully erzählte von seinem gemeinsamen Auftritt mit "Winnetou" Pierre Brice in der Show, und dass dieser ob dessen "Schuh des Manitu"-Kinoerfolgs not amused war. Warum den Fernsehzuschauern der Einspieler versagt blieb, bleibt ein Rätsel. Dann war da der siebenjährige Junge, der sich von Hunden die Kalbsleberwurst vom Handrücken lecken ließ und seine Wette dank der freundlichen Unterstützung von Markus Lanz selbstverständlich gewann. Befremdend bis belustigend das "Leckt zart", "Leckt sehr lange" und "Leckt wild" des Buben, unvermeidlich der Lanz'sche Konter nach der gewonnenen Wette: "Leonardo di Caprio würde 22 Models erkennen." Für die Twittergemeinde ein gefundenes Fressen.

Der sonst so wunderbar komische und am Samstag erstaunlich ruhige Ben Stiller verriet, dass ihm Tom Hanks von der Show erzählt hatte; bekanntermaßen machte sich der zweimalige Oscar-Gewinner im US-Fernsehen lustig über die Show. Ein Nachhaken des Moderators, WAS Hanks seinem Kollegen genau verraten hatte, wäre fein gewesen. Schön dann das Duett Bully und Otto Waalkes mit einem Schwanengesang ("Für Markus Lanz ist heute Schicht. Wird er bezahlt - ich hoffe nicht") auf den wohl letzten Samstagabend-Dino im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Ach ja, Helene Fischer durfte beim großen Finale natürlich auch nicht fehlen.

Und am Ende rollte Samuel Koch, seit seinem Unfall bei der Show vor vier Jahren querschnittgelähmt, neben Til Schweiger auf die Bühne. "Wir umarmen uns immer, wenn wir uns sehen", meinte der Moderator, der sich auf sehr unangenehme Weise ins rechte Licht setzte. Auf Lanz' zweimaliges Nachfragen, wie es Koch denn mittlerweile ergehe, antwortete der mit einem wunderbar-lakonischen "Und selber?". Er sei hier, weil er sich bei seinem letzten Besuch aufgrund eines steifen Halses nicht von den Mitarbeitern der Sendung verabschieden konnte. Und Koch nutzte seine Medienwirksamkeit, um auf seine in Bälde startende eigene Stiftung hinzuweisen, die Angehörige von Behinderten finanziell unterstützen will. Til Schweiger überrumpelte die noch auf dem Sofa sitzenden Prominenten, sich daran zu beteiligen.
 
Dank Kochs straightem Auftritt geriet die Nummer letztendlich nicht zum rührseligen Finale, das Lanz wohl gern gehabt hätte. Am Ende noch ein kurzer Rückblick auf die drei Lanz-Vorgänger, "Wetten, dass...?"-Erfinder Frank Elstner, Thomas Gottschalk und Wolfgang Lippert. Unheilig gewohnt pathetisch mit seinem "allerletzten Fernsehauftritt" (wer's glaubt) und dem passenden Songtitel "Es wird Zeit zu gehen" und in Vollplayback, dann verabschiedete sich Markus Lanz - standesgemäß, möchte man sagen. Weil ihm eben jene Schlagfertigkeit seines Vorgängers komplett abgeht, liest er, deutlich zu erkennen, seine letzten Sätze in der letzten großen Samstagabend-Show des deutschen Fernsehens vom Teleprompter ab.

Um 23.49 Uhr war dann endgültig Schluss, nochmal eine satte Stunde überzogen. Die Show lebte lange Jahre von ihren mitunter wirklich hervorragenden Wetten (die auch beim Finale nochmal toll waren), irgendwann wurden die Wetten Staffage und Künstler sowie Showteile das Wichtigste (unter Gottschalk). Und nach einem Vierteljahrhundert war die Zeit einfach vorbei, bereits unter Gottschalk, bereits vor Samuel Kochs Unfall.
 
Dass die ganze Familie am Samstagabend gemeinsam vor dem Fernseher sitzt, ist ein Auslaufmodell. Lanz besorgte schlussendlich nur noch den Rest.