(reh)
Bayerische Abschiedskultur

02.08.2015 | Stand 02.12.2020, 20:57 Uhr

(reh) Mit der Willkommenskultur kennt man sich aus in Gerolfing. Als die Dorfbewohner vor sieben Jahren ihren geschätzten Mitbürger „Horsti“ in neuem Amt und Würden bei sich begrüßen durften, glich der Auflauf einem Hochamt. Geschätzte 27 Grußworte wurden nur noch von den Intonationen des Defiliermarsches durch die Blaskapelle Kolpingia übertrumpft.

Man hieß ja auch nicht irgendwen willkommen, sondern den Bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer, der bekanntlich „das zweitschönste Amt nach dem Papst“ bekleiden darf, wie er (zumindest früher) sagte.

Folglich gehört es zur guten Tradition in dem westlichen Ingolstädter Stadtteil, wichtigen Personen mit einem Ständchen den Einzug in den Ort angenehm zu gestalten. Keine Ausnahme sind die neuen „Wahl“-Gerolfinger, die in den beiden Zelten auf dem Festplatz leben müssen. Die Flüchtlinge bekamen gestern die Gerolfinger Gastfreundschaft also zu spüren und zu hören, als die Kolpingia sie mit bayerischem Blasmusikkulturgut freudig begrüßte.

Dabei kam dann hinter vorgehaltener Hand doch die Frage auf, wie das in Zukunft aussehen wird, wenn Ingolstadt und Oberstimm zum Zentrum für Asylbewerber aus Albanien, dem Kosovo oder Montenegro werden wird. Die Menschen sollen nach Seehofers Plänen ja schnell wieder abgeschoben werden – aber möglicherweise mit einer besonderen Abschiedskultur im Gepäck. Wie es der Staatskanzlei in München zuzutrauen wäre, könnte bald ein eigenes „Bayerisches Balkanorchester“ aufgestellt werden, das mit speziellem Liedgut und speziellen Befugnissen ausgestattet wird. So dürfte das staatliche Balkanorchester vielleicht in militärische Sicherheitsbereiche wie den Manchinger Flughafen einrücken, um sich an der Rollbahn zu postieren. Die Passagiere der Nonstop-Flüge Manching–Priština bekämen ein schmissiges „Muss i denn, muss i denn zum Städtele hinaus“ oder „Time to Say Goodbye“ oder „Dieser Weg wird kein leichter sein“ zu hören. Denn die Fluggäste sollten wissen: „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein“ – nur nicht in Bayern.