Ludwigsmoos/Eschelbach
Bauernsterben? Ohne uns!

01.12.2019 | Stand 23.09.2023, 9:43 Uhr
Appell im Scheinwerferlicht: Auf einem Acker bei Maxweiler östlich von Neuburg hat ein Bauer ein grünes Kreuz aufgestellt, um auf die Belange der Landwirte und die Regulierungswut der Behörden hinzuweisen . −Foto: Richter

Ludwigsmoos/Eschelbach (DK) 15 junge Männer und eine Frau aus der Region Ingolstadt erhielten jetzt ihre Meisterbriefe als Landwirte. Zwei Absolventen aus Ludwigsmoos und Eschelbach erzählen, warum sie trotz vieler Probleme diesen Weg gehen wollen.

Die täglichen Nachrichten sind in diesen Wochen voll mit Schlagzeilen über die Landwirte. Die Bauern wollen nicht mehr als Sündenböcke dastehen, als notorische Umweltsünder oder Verursacher des Artensterbens. Kurzum: Sie sind sauer über ihr Image als Buhmänner. Doch trotz aller Widrigkeiten finden sich immer noch junge Menschen, die diesen Beruf ergreifen wollen. Vergangene Woche erhielten 15 Männer aus Ingolstadt und den Kreisen Eichstätt, Neuburg-Schrobenhausen und Pfaffenhofen sowie eine Frau aus Wolnzach-Eschelbach ihre Meisterbriefe als Landwirte. Sie glauben offenbar an eine erfolgreiche Zukunft im Beruf.

Einfach hat der Nachwuchs es freilich nicht, die Herausforderungen sind enorm. Der Zorn der Bauern richtet sich unter anderem gegen Auflagen, Verbote und neue Umweltschutzrichtlinien wie bei der Düngeverordnung und gegen die Agrarpolitik im Bund und der Europäischen Union schlechthin. Sie vermissen die öffentliche Wertschätzung ihrer Arbeit. Das wird sicher auch beim heutigen Agrargipfel im Bundeskanzleramt zur Sprache gebracht.

Neben den lautstarken gibt es die stillen Proteste etwa mit grünen Kreuzen, die nun überall im Land an Feldern und Wiesen aus dem Boden wachsen, wie aktuell etwa in Maxweiler und Weichering östlich von Neuburg nicht weit vom Donaumoos, einer ganz besonderen Gegend. Dort - im Landstrich der schwarzen Böden - ist Maximilian Gottschall (29) daheim, genauer gesagt in Ludwigsmoos, einem dieser langgezogenen Orte mit schier nicht enden wollenden, von Birken gesäumten Straßen, an denen sich die Häuser wie Perlen an einer Schnur reihen.

Maximilian Gottschalls Vorfahren gehörten zu den ersten Siedlern im Donaumoos, nachdem unter dem bayerischen Kurfürsten Karl Theodor ab 1790 mit der Trockenlegung und Kultivierung der Moorlandschaft begonnen worden war. Der Hofgründer hieß Johann Gottschall und war um 1820 aus Rheinland-Pfalz ins heutige Ludwigsmoos gezogen. Aus kleinen Anfängen hat sich Beachtliches entwickelt, vor rund 75 Jahren gehörten noch zwölf Hektar zum Anwesen, heute bewirtschaftet Maximilian Gottschall etwa 80 Hektar. Er hat sich auf den Kartoffelanbau spezialisiert, sein Jahresertrag liegt aktuell bei ungefähr 1600 Tonnen.

Dabei hatte der 29-Jährige zunächst Bankkaufmann bei der Raiffeisenbank in Brunnen gelernt und ist dort seit seinem 21. Lebensjahr bis heute der Geschäftsstellenleiter, inzwischen in Teilzeit. Denn seine Liebe hat stets auch der Landwirtschaft gegolten. "Es war für mich immer klar, dass ich den Hof übernehmen will", sagt er. "Wir haben ihm aber nie Druck gemacht", versichert Maximilians Mutter Christine Gottschall. "Wenn das Interesse da ist, wird er schon kommen, so etwas liegt ja nicht jedem, haben wir gedacht."

Der Sohn schlug dann tatsächlich den erhofften Weg ein. "Ich bin doch schon als Kind mit draußen am Feld gewesen. Es gibt ein Foto, da sitze ich als ganz Kleiner in einer Kartoffelkiste", sagt er und lacht. Er ist Bauer aus Überzeugung, aber auch aus der familiären Tradition heraus. Und er möchte nicht derjenige sein, dessen Name einmal mit dem Schlussstrich gleichgesetzt wird, denn "einmal aufgehört, ist immer aufgehört". Dazu macht die Arbeit ihm zu viel Spaß. Die Ausbildung hatte er in der Abendschule in Schrobenhausen absolviert, 2015 hielt er den Gesellenbrief in der Hand. Maximilian setzte den Meistertitel obendrauf, "das ist unverzichtbar, ohne geht das nicht, wenn du den Anspruch hast, oben mitzuspielen". Und Maximilian ist ehrgeizig, als Banker wie als Bauer. Die Meisterprüfung bestand er mit 1,0, er ist der Beste in Oberbayern, vermutlich sogar in ganz Bayern.

Der 29-Jährige ist ein kühler Rechner, sein Erstberuf kommt nicht von ungefähr. Und vieles rechnet sich nicht, wie es heute läuft. "Ich baue Kartoffeln an, dazwischen Winterroggen und Mais für den Bodenaufbau. Der Roggen ist eine Nullnummer, da ist nichts verdient." Solche Missverhältnisse müssten sich ändern, "es kann nicht sein, dass Wasser mehr kostet als Milch". Deutschland habe höchste Standards in der Agrarwirtschaft und folglich hohe Kosten beim Anbau. "Bei der Vergütung kriegen wir aber nicht mehr als der Landwirt in Südamerika, der Glyphosat in rauen Mengen raushaut. Das nimmt uns komplett das Vertrauen in die Politik."

Gottschall selbst achtet nach eigenem Bekunden darauf, die Belastung für die Umwelt so gering wie möglich zu halten. Er hat in einem Projekt den Stickstoffgehalt seiner Böden analysiert, um bedarfsgerecht zu arbeiten, bestellt seine Felder - wo möglich - ohne Pflugeinsatz, um natürliche Strukturen zu erhalten, und sät Bodendecker auf brachliegenden Äckern, um der Erosion vorzubeugen. Maßnahmen, die viel Zeit, Arbeitskraft und Geld kosten. Der Aufwand ist es ihm jedoch wert, weil er um die Verantwortung seines Tuns weiß. "Unseren Betrieb - ein Teil gehört noch meinem Vater - sehe ich als Leihgabe, den ich mindestens im gleichen Zustand oder aber mit weiteren Verbesserungen der nächsten Generation übergeben möchte." Mit Sorge blicken Maximilian Gottschall und seine Kollegen nicht nur auf die "große" Politik. "Wir Bauern im Donaumoos wissen nicht, wie es hier weitergeht und was der Zweckverband Donaumoos mit uns vorhat." Wenn an den zahlreichen Entwässerungsgräben im Moos dieselben Abstandsflächen einzuhalten sind wie bei Seen oder Flüssen, würde er zwei Hektar Land verlieren. "Das wäre eine Enteignung."

Trotz aller Unwägbarkeiten bereut der 29-Jährige nicht, diesen Beruf ergriffen zu haben. "Die Lebensqualität ist eine andere, wenn man mit der Familie arbeitet. Ich bin gern in der Natur und mag es, eigenverantwortlich zu gestalten. Das geht im eigenen Betrieb besser."

Nicht nur fordern, sondern selbst handeln - das ist auch das Credo von Katharina Maier aus dem Wolnzacher Ortsteil Eschelbach. Die 23-Jährige war am Donnerstag bei der Meisterbriefverleihung die einzige weibliche Absolventin aus der Ingolstädter Region. Sie wird einmal zwei Höfe zu bewirtschaften haben, ihre Eltern hatten je einen Hopfenbaubetrieb in die Ehe mit eingebracht. Warum nimmt sie das auf sich, bei all den Widrigkeiten? "Man ist der eigene Chef, und dann die Natur: Ich kann gar nicht sagen, wie glücklich mich das macht, wenn ich draußen im Hopfengarten stehe. Das ist ein unbeschreibliches Gefühl und macht mich so zufrieden" Die Freude an der Arbeit findet sich in jedem ihrer Worte wieder.

Aber Katharina Maier sieht sich auch in der Pflicht: "Wir Bauern müssen uns schon beteiligen und nach außen öffnen. Wir müssen die Leute aufklären, was wir tun, wenn wir mit der Spritze rausfahren und schiefe Blicke kriegen. Wenn man ins Gespräch kommt, ist die Stimmung hinterher oft eine andere."

Horst Richter