Schrobenhausen
Barocktage: Stadt kündigt Kooperation

Der veranstaltende Verein soll ab 2023 Förderanträge im Rahmen der regulären Kulturförderrichtlinien stellen

21.04.2021 | Stand 23.09.2023, 18:07 Uhr
Die Tage der Barockmusik werden vom Verein Freunde der Alten Musik organisiert, der bislang einen Vertrag mit der Stadt hatte. −Foto: Archiv

Schrobenhausen - Schon im Vorfeld hat es hinter den Kulissen heftig gekracht. Nun hat der Haupt- und Finanzausschuss in seiner Sitzung am Dienstagabend den Kooperationsvertrag mit dem Verein Freunde der Alten Musik aufgekündigt. Bis 2023 bekommt dieser noch den bislang garantierten Zuschuss von 40000 Euro für die Barocktage, danach läuft die Zuschussvergabe über Anträge im Rahmen der Kulturförderrichtlinien der Stadt. Mit 10:2 Stimmen hat sich das Gremium zwar ganz klar für die Kündigung des Vertrags ausgesprochen. Dennoch ist das Thema gerade im Vorfeld, aber auch während und nach der Sitzung heftig diskutiert worden.

Ganz klare Kante zeigt Bürgermeister Harald Reisner (FW) zu dem Thema. "Dass wir die Barocktage kaputt machen, stimmt definitiv nicht", geht er auf Ärger und Ängste ein, die im Vorfeld laut wurden. "Wir werden weiter die schützende Hand über dieses Aushängeschild halten." Denn dass die Barocktage ein solches für Schrobenhausen seien, "das erkennen wir sehr wohl". Daran bestehe kein Zweifel. Doch man wolle das Heft des Handelns wieder bei der Stadt haben. "Wir haben auch andere Veranstaltungen mit Strahlkraft", so Reisner. Umso wichtiger ist ihm Transparenz bei den Zuschüssen. "Wir haben versucht, einen Aufhebungsvertrag zu erreichen", doch der Weg über Gespräche sei gescheitert. Deshalb reagiert Reisner auch verärgert auf den Vorschlag von Till Huesmann (FW), gemeinsam mit dem Verein eine Lösung zu erarbeiten, bevor man den Vertrag kündige. "Nein! Wir haben ihnen dreimal die Chance gegeben und zum Teil sind die Gesprächspartner nicht einmal erschienen", so der Bürgermeister.

Seit 2016 organisiert der Verein Freunde der Alten Musik die Tage der Barockmusik in Schrobenhausen. Zunächst hatte die Stadt selbst die Barockkonzerte organisiert, als der Verein dies übernahm, wurde von Seiten der Stadt in einem Kooperationsvertrag ein jährlicher Zuschuss garantiert. 2016 und 2017 waren das jeweils 30000 Euro, ab 2018 jährlich 40000 Euro. Nun hat sich die Stadt 2021 neue Kulturförderrichtlinien gegeben. Nach diesen sollen nun also künftig auch die Tage der Barockmusik behandelt werden - "nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Gleichbehandlung mit anderen Vereinen", wie es von der Stadt heißt. Man wolle, so Kulturamtsleiterin Claudia Freitag-Mair, mit den Kulturförderrichtlinien zudem die Zuschussangelegenheiten "transparenter gestalten". Bis Ende 2023 werden laut des nun gekündigten Kooperationsvertrags weiterhin die 40000 Euro für die Barocktage gewährt, im September 2023 müsste für das Folgejahr der erste Zuschussantrag gestellt werden.

Eine der beiden Stimmen gegen die Vertragskündigung im Gremium kommt von Kulturreferent Dieter Kreisle (CSU/JU). "Die Tage der Barockmusik sind eine Visitenkarte für Schrobenhausen." Und darauf sollte man achten und nicht über Kürzungen von 40000 auf 25000 Euro sprechen. "Das wird nicht reichen, die Barocktage weiter so am Leben zu erhalten, wie sie gelebt werden." Aus seiner Sicht ist die Kündigung des Kooperationsvertrags damit der falsche Ansatz.

Von einer festen Summe, die der Verein künftig als Zuschuss erwarten könnte, kann man allerdings noch nicht sprechen. Über die Kulturförderrichtlinien würde ein Zuschuss von höchstens 70 Prozent des Defizits gewährt, findet die Veranstaltung unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit statt, von maximal 85 Prozent. Geht man nun davon aus, dass bei den Barocktagen nach 2023 eben dieses Defizit von 40000 Euro entstünde - das Geld, das nun zunächst von städtischer Seite fehlt - käme man bei einem Zuschuss von 70 Prozent auf 28000 Euro. Ist die Veranstaltung nachhaltig, also beispielsweise nicht mit Wegwerfgeschirr, könnten es bis zu 34000 Euro sein. Angerechnet werden können zudem ehrenamtliche Arbeitsstunden.

"Es geht nur um eine Abrechnungsmodalität, wir plädieren für den Grundsatz der Gleichheit", schließt sich Matthias Reisner (CSU/JU) der Meinung des Bürgermeisters an. Ebenso wie Rudi Koppold (FW), der darauf hinweist, man müsse auch auf die Steuergelder aufpassen. Natürlich wolle man die Tage der Barockmusik nicht aufgeben, aus seiner Sicht sollte man sich in einem Jahr noch einmal zusammensetzen und darüber reden, wie es weitergeht.

Was Andy Vogl (CSU/JU) stört, ist, dass Barocktage und Noisehausen in der Diskussion immer wieder gegeneinander ausgespielt würden. "Wir haben zwei Veranstaltungen, die Schrobenhausen nach außen präsentieren und beide sind erhaltungswürdig." Doch man müsse sehen, dass die 40000 Euro für die Barocktage "auch nicht an einen Wohltätigkeitsverein " gehen. Und zugleich sei es bei Noisehausen so, dass ebenfalls viele Vereine und Ehrenamtliche mitwirken. "Beide Veranstaltungen bringen die Stadt weiter, man sollte beide gleich behandeln", plädiert er also für die Einhaltung der neuen Kulturförderrichtlinien, auch für den Verein Freunde der Alten Musik.

"Keiner möchte die Barocktage kaputtmachen", sagt auch Franz Mühlpointner (DU/BVS). Doch mit Blick auf die Kulturförderrichtlinien sagt er: "Der Stadtrat hat sich einen Rahmen gegeben." Was ihn zudem stört ist, dass über die Barocktage auch Veranstaltungen außerhalb Schrobenhausens stattfinden wie beispielsweise in Schleißheim, welche so dennoch von der Stadt bezuschusst würden. "Das finde ich nicht in Ordnung."

Nicht in Ordnung findet Till Huesmann hingegen die Kündigung des Vertrags: "Man sollte den Ehrenamtlichen die Bürgermedaille verleihen und nicht die Mittel kürzen." Die Ehrenamtlichen konnten die Barocktage aus seiner Sicht auch deshalb etablieren und stetig verbessern, weil sie durch die fixen Zuschüssen die nötige Kontinuität haben. Schrobenhausen sei es als Kleinstadt gelungen, eine kulturelle Sparte zu finden. "Und man kann die Leistung der Ehrenamtlichen nicht hoch genug schätzen." Oberstes Ziel sei es doch, die Veranstaltung in Schrobenhausen zu halten.

Zumindest da sind sich alle einig. Und man sei natürlich von Seiten der Stadt weiter gesprächs- und verhandlungsbereit, wie Bürgermeister Reisner noch einmal betont. Die drei Jahre, in denen nun noch Planungssicherheit besteht, sollten aus seiner Sicht hoffentlich ausreichen, um sich auch im Verein neu zu sortieren und aufzustellen. Und dann müssen ab 2023 eben jährlich neue Anträge für die Zuschüsse gestellt werden.

REAKTIONEN AUS DEM VEREIN

Auf nicht viel Verständnis stößt die Entscheidung des Hauptausschusses, den Kooperationsvertrag zu kündigen, beim Verein der Freunde der Alten Musik. Deutlich verwundert zeigt sich der Vorsitzende Hans Tomani. "Die Stadt hat ihr eigenes Projekt gekündigt." Schließlich sei der Verein nur gegründet worden, um die Stadt als Veranstalter der Barockkonzerte zu entlasten. Der Verein habe deshalb nur diese eine Aufgabe.

Vor ein paar Wochen, so Tomani, sei ihnen mitgeteilt worden, dass die Stadt den Kooperationsvertrag kündigen wolle. "Unsere Argumente haben niemanden interessiert", ist sein Eindruck. Zwar habe es Gespräche gegeben, "es war aber keine Alternative erkennbar". Traurig stimmt Tomani, der von einem beinahe Vollzeitjob spricht, wenn es um die Organisation der Barocktage geht, dass das ehrenamtliche Engagement so wenig geachtet werde. Zwar sei es kein Massenevent, aber eine "herausragende kulturelle Veranstaltung". Und: "Die Außenwirkung für Schrobenhausen ist riesig."

Günther Schalk hatte als Stadtmarketingreferent und Vorstandsmitglied im Verein im Vorfeld noch versucht, mehr Unterstützer in den Reihen der Stadtpolitiker zu finden. Umso enttäuschter ist auch er nun vom Abstimmungsergebnis. "Das war ein kultureller Tiefflug", ist seine Meinung. Und ja, es habe im Vorfeld Gespräche mit der Stadt gegeben, in denen dem Verein ein Aufhebungsvertrag angeboten wurde - "davon hätte der Verein aber nichts gehabt, die Stadt hätte sich nur die Peinlichkeit erspart, den Vertrag kündigen zu müssen". Für Schalk sind die Barocktage eine überregionale Perle - "und wir gehen damit um wie ein großes Provinzkaff". Vielmehr lasse sich die Stadt vor einem kommerziellen Veranstalter hertreiben. Die Barocktage würden von elf Leuten ehrenamtlich gestemmt und die Stadt sei sich der Bedeutung leider nicht bewusst. Aber, so Schalk nicht ohne bitteren Sarkasmus: "Niveau kostet leider Gottes Geld."

Wie es nun weitergehen wird? "Wir werden sehen müssen, wie wir damit umgehen", sagt Hans Tomani. Bis 2023 werde der Verein in jedem Fall versuchen, die Qualität der Tage der Barockmusik zu halten oder sogar noch zu steigern. Auch für heuer gebe es schon sehr viele Ideen mit hochwertigen Interpreten. "Wir müssen uns neu sortieren und ich hoffe, dass es weiter geht", sagt auch Günther Schalk. Doch bitter ist für ihn, dass hier eine Veranstaltung, die jahrelang aufgebaut wurde, sehenden Auges ein stückweit gegen die Wand gefahren werde.

Seit der Entscheidung gegen den Kooperationsvertrag in der Sitzung hat der Vorsitzende schon viele bedauernde Anrufe bekommen, schließlich fürchtet mancher um die Barocktage. Gefragt nach dem Blick über das Jahr 2023 hinaus, sagt Hans Tomani: "Wir werden uns sicher bemühen und es wird sich immer ein Weg finden."

ais

SZ

Isabel Ammer