Ingolstadt
Barockmanier und Folklore

Avi Avital und Ksenija Sidorova brillieren beim Konzertverein

07.04.2022 | Stand 23.09.2023, 0:38 Uhr
Als Zugabe gab es das einzige original für Mandoline komponierte Werk des Abends, Vittorio Montis "Csárdás". −Foto: Schaffer

Ingolstadt - In Ingolstadt ist er längst zum Publikumsliebling avanciert - völlig zu Recht: Wer den Großmeister der Mandoline Avi Avital und seine Duopartnerin Ksenija Sidorova am Akkordeon spielen hört, kommt aus dem Staunen nicht heraus.

Sie brauchen nur die ersten Töne von Fritz Kreislers "Präludium und Allegro im Stil von Pugnani" anzustimmen - schon ist man absolut gefangen von diesen vibrierend-virtuosen, spannungsvoll sich aufbauenden, federleichten Klängen. Eine Faszination, die sich bei ausgewählten Sätzen aus Strawinskys "Suite italienne" noch intensiviert. Bald lassen beide Ausnahmemusiker die Melodien und Rhythmen luftig hin- und herschweben, bald wunderbar filigran sich wiegen, dann wieder in flinker Wildheit umherhüpfen bis zum neckisch-augenzwinkernden Schluss. Vom allerfeinsten Pianissimo bis zu energetisch aufgeladenem Akzentuierungsesprit reicht die Magie ihrer Gestaltungspalette.
Wahrhafte Klanghorizonte eröffnet das künstlerische Traumpaar mit seiner expressiv-temperamentvollen Ausdruckskraft zum verführerisch mediterran grundierten, markanten Pathos von Manuel de Fallas "Canciones Populares Españolas". Wie wechselseitig inspirierend Avital und Sidorova miteinander in fließendem Austausch stehen und so ihre musikalischen Ausdeutungen auf eine ganz neue Ebene heben, zeigt sich auch in Bela Bartóks "Rumänischen Volkstänzen". Wohl niemand sonst versteht es so grandios, deren anfängliche Schwermut mit solch hauchzarter Intimität zum Klingen zu bringen, sich bei aller fast orientalisch anmutenden Mystik, dem schwungvoll sich entwickelnden Feuer immer stärker gegenseitig anzutreiben, noch weiter zu beflügeln. Die traditionellen Bu? imi? - ebenfalls Volkstänze, aber diesmal aus Bulgarien -, die ihm als junger Mann ein Akkordeonist beibrachte, spielt Avi Avital solistisch, zunächst hingebungsvoll in sich gekehrt, bevor er einen ausgelassenen, überschäumenden Rausch aus zauberhaft folkloristisch timbrierten Fiorituren und fantastisch pikant geschlagenen Akkordballungen entfacht. Zugleich erweist er sich als charmanter Moderator, der einnehmend charismatisch die Hintergründe des Programms erläutert.
? Zum puren nostalgischen Schwelgen bringen er und Ksenija Sidorova die große Zuhörerschaft mit der "Bachianas brasileiras Nr. 5", dem bekanntesten Werk von Heitor Villa-Lobos, in dem der Komponist Bach'sche Einflüsse sowie die Stilmittel des Barocks eindrucksvoll mit brasilianischer Musik verschmilzt. Leidenschaftlich kosten sie die einschmeichelnden, sehnsüchtig-poetisch tremolierenden Vokalisen, die starken, schillernden Effektfärbungen aus.
In ähnlich melancholische Stimmung versetzt Ksenija Sidorova als führende Botschafterin des Akkordeons als Konzertinstrument bei Sergey Voitenkos zeitgenössischem Stück "Revelation". Eine Offenbarung ist ihre Interpretation: Die packenden Phrasierungsbögen formt sie unglaublich weich koloriert, subtil ornamentiert und verdichtet intensiv.
Zum brillanten Abschluss das zeitgenössische Mandolinenkonzert des sowjetischen Komponisten Nikolai Budaschkin. Vor dem Hintergrund des aktuellen Weltgeschehens erhält dieser finale Höhepunkt eine zusätzliche, andere Dimensionen, die nun wieder gemeinsam von Avital und Sidorova auf einmalig hochrasante, glutvoll aufflackernde und glänzend dahinflirrende Art in Szene gesetzt werden. Das gelingt so exzellent, dass es den Israeli am Ende buchstäblich vom Hocker reißt. Nicht enden wollender Applaus. Als Zugabe das einzige original für Mandoline komponierte Werk des Abends, der berühmte schwärmerisch-halsbrecherische "Csárdás" des Italieners Vittorio Monti. Tief emotionale, atemberaubend elektrisierende Saiten- und Tastenbravour von allerhöchstem Rang!

DK

Heike Haberl