Neuburg
Barfuß in Bethlehem

"Die Anbetung der Hirten" von Peter Paul Rubens stellt die Schöpfung in den Mittelpunkt

04.02.2016 | Stand 02.12.2020, 20:14 Uhr

Die Geburt Jesu ist auf dem Werk "Die Anbetung der Hirten" von Peter Paul Rubens dargestellt. Es hängt neben dem "Pfingstwunder" im Schloss. Ursprünglich hatte es seinen Platz in der Hofkirche, zwischenzeitlich war es in der Alten Pinakothek in München ausgestellt. - Foto: Schanz

Neuburg (DK) Schon immer hat die Religion die Kunst zu großartigen Meisterwerken inspiriert. Ein solches hängt heute im Schloss. "Die Anbetung der Hirten" des flämischen Malers Peter Paul Rubens hatte einst seinen Platz über dem linken Marienaltar in der Hofkirche.

Kinder lieben das Bild, wegen der putzigen Tiere. Am rechten Bildrand tummeln sich ein Hund und ein Schaf, links entdeckt man das Hinterteil einer Kuh. Und am Boden hat es sich ein Esel bequem gemacht, der keck den Betrachter beobachtet. Kinder lieben Tiere. Und Kinder lieben Weihnachten. "Die Anbetung der Hirten", die Rubens im Auftrag von Kurfürst Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg Anfang des 17. Jahrhunderts als eines von drei Monumenten der Gegenreformation angefertigt hat, verbildlicht meisterhaft die Weihnachtsgeschichte nach dem Lukasevangelium. "In jener Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld und hielten Nachtwache bei ihrer Herde. Da trat der Engel des Herrn zu ihnen und der Glanz des Herrn umstrahlte sie. (...) Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr. Und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt. Und plötzlich war bei dem Engel ein großes himmlisches Heer, das Gott lobte und sprach: Verherrlicht ist Gott in der Höhe und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade."

"Die Anbetung der Hirten" ist ein beliebtes Motiv, es zeigt die Schlüsselszene des Christentums: die Geburt Jesu. Und doch ist das Gemälde von Peter Paul Rubens nicht eines unter vielen, sondern ragt in vielerlei Hinsicht heraus - nicht nur durch seine besondere Kontrastierung und das Spiel mit Farbe, Licht und Schatten.

"Das Bild zeigt Jesus nicht in der Mitte des Bildes, das ist unüblich", erklärt Stadtpfarrer Herbert Kohler. "Auch die Krippe ist anders dargestellt, mehr wie ein Futtertrog, den man auch in einem Wald finden könnte." Die Krippe, in die Jesus in den allermeisten Darstellungen gebettet ist, wirke auf Rubens' Werk mehr wie ein Keil, der Himmel und Erde trennt. Und dazwischen Gottes Sohn, als "Nahrung, als Leben für die Menschen". Im Mittelpunkt der Szene stehen derweil die Hirten, auf sie kommt es an. Sie bestaunen die Menschwerdung Gottes, einer der Männer zieht den Hut vor dem Wunder, dessen Zeuge er geworden ist. Der Maler rückt die Menschen in den Fokus. "Öffnet euch, lasst das Kind auf euch und in euer Leben wirken. Jesus ist für die ganze Schöpfung da, für die ganz normalen Leute und auch für die Tierwelt", interpretiert der Stadtpfarrer die Szene. Durch dieses Arrangement soll sich der Betrachter mit den Hirten identifizieren. Dass sie alle ohne Schuhe an den Füßen Gottes Sohn preisen, sieht Kohler als Anspielung auf eine Geschichte aus dem Alten Testament. Im Exodus, dem zweiten Buch Mose, zeigt sich Gott als brennender Dornbusch und fordert Mose auf, seine Schuhe auszuziehen und barfuß vor ihn zu treten.

Die himmlischen Heerscharen, die Rubens an den oberen Bildrand gemalt hat, haben den Männern die Geburt Jesu verkündet und sie nach Bethlehem geschickt. "Man geht nicht davon aus, dass die Engel tatsächlich erschienen sind", erklärt Herbert Kohler. "Sie stehen für etwas, das von innen kommt, die Hirten beginnen zu verstehen, ihnen gehen die Augen auf."

Was die Farbgebung auf "Die Anbetung der Hirten" betrifft, so hat der Künstler Maria und Jesus in helles Licht getaucht, die Mutter Gottes trägt ein rotes Gewand. "Die Farbe der Liebe, aber auch der Leidenschaft und des Blutes", sagt Kohler. "Das Rot, die Liebe, fließt über auf die Menschen, dargestellt durch die Schärpe des Hirten." S-förmig zieht sich jedoch noch etwas Dunkles über das Bild, für den Stadtpfarrer könnte das ein Symbol sein, eine Vorahnung auf das Unheilvolle, das noch kommen wird.

Dass einer der berühmtesten Barockmaler seiner Zeit den Auftrag für die drei Gemälde "Die Anbetung der Hirten", "Das Pfingstwunder" und "Das Jüngste Gericht" angenommen hat, lag am großen europäischen Einfluss des Geldgebers: Die Macht des Neuburger Kurfürsten Wolfgang Wilhelm reichte fast bis in die Niederlanden. Wie wichtig er war, beweisen auch ein paar Zeilen, die Rubens schriftlich an seinen Auftraggeber richtete: "Es erübrigt mir nunmehr nur noch, mich demütigst der Wohlgeneigtheit Eurer Durchlauchtigsten Hoheit zu empfehlen, der ich von ganzen Herzen die erlauchteste Hand küsse."