Berlin
Banken im Zwielicht

Institute bringen Fiskus mit umstrittenen Aktien-Deals angeblich um Milliarden

03.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:52 Uhr

Berlin (AFP) Deutsche Banken haben den Fiskus mit einem legalen Steuertrick in den vergangenen Jahren offenbar um Milliarden gebracht. Im Zentrum der Vorwürfe steht die Commerzbank. Das vom Staat gerettete Geldinstitut berichtete unterdessen von einem eher schwachen Start ins Jahr.

Medienberichten zufolge war bei den sogenannten Cum-Cum-Geschäften die teilverstaatlichte Commerzbank besonders aktiv gewesen. Der Bayerische Rundfunk und das New Yorker Recherchebüro ProPublica werteten gemeinsam mit dem "Handelsblatt" und der "Washington Post" E-Mails, Marketingpräsentationen, Chat-Verläufe und andere Gesprächsnotizen aus. In den Unterlagen finden sich demnach viele andere namhafte Finanzinstitute wie die Deutsche Bank, die SEB, Barclays, JPMorgan, Goldman Sachs, UBS, Morgan Stanley und Citigroup sowie Investoren wie Blackrock und Vanguard. Es gehe um "Tausende umstrittene Aktiendeals". Die Commerzbank tauche in den Dokumenten besonders häufig auf.

Die Journalisten schätzen, dass dem Fiskus seit 2011 jedes Jahr rund eine Milliarde Euro entgangen ist - insgesamt also rund fünf Milliarden Euro. "Zweistellige Millionenbeträge" sollen allein durch Cum-Cum-Geschäfte der Commerzbank zusammengekommen sein. Die Bank teilte mit, sie tätige täglich mehr als 100 000 Handelsgeschäfte und handle insoweit "zwangsläufig" in Cum-Cum-Situationen. Sie stelle durch umfangreiche interne Systeme und Kontrollen sicher, dass alle Geschäfte im Einklang mit dem geltenden Recht stehen.

Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums teilte dem Recherchenetzwerk mit: "Wir erwarten, dass sich die Commerzbank an alle geltenden rechtlichen Vorgaben hält." Der Staat hatte die Bank mit 18,2 Milliarden Euro gerettet und ist immer noch größter Anteilseigner. Zwei Vertreter des Bundes sitzen im Aufsichtsrat.

Es sei "unverständlich", dass diese Geschäfte immer noch nicht verhindert wurden, kritisierte der Finanzpolitiker Gerhard Schick (Grüne). Er forderte die Commerzbank auf, öffentlich zu machen, in welchem Volumen sie sich am sogenannten Dividendenstripping beteiligt habe. Im Bundestag würden die Grünen nachfragen, seit wann das Finanzministerium von den Geschäften wusste - und warum die Commerzbank nicht daran gehindert wurde.

Cum-Cum-Geschäfte sollen ab dem kommenden Jahr per Gesetz nicht mehr erlaubt sein. "Wir arbeiten bereits an einem Investmentsteuer-Reformgesetz", erklärte der Hans Michelbach (CSU). Die Dringlichkeit sei nun erneut sichtbar geworden. Eine Anhörung im Finanzausschuss ist für nächsten Montag geplant.

Der Gewinn der Commerzbank ist in den ersten drei Monaten 2016 im Vergleich zum Vorjahresquartal stark geschrumpft: Er fiel von 338 Millionen auf 163 Millionen Euro, wie Deutschlands zweitgrößte Bank gestern in Frankfurt mitteilte. Finanzvorstand Stephan Engels machte dafür die "schwierige Situation an den Kapitalmärkten" und "die weitere Verschärfung des Zinsumfelds" verantwortlich. Dennoch habe die Bank ein "ordentliches Ergebnis" erzielt.

Vor allem das Mittelstandsgeschäft und das Investmentbanking lieferten schlechte Ergebnisse. Die niedrigen Zinsen bescherten der Bank auf der anderen Seite aber bei ihren Privatkunden "ein sehr gutes Kreditgeschäft". Das Kreditvolumen stieg um 8 Prozent. Bei Baufinanzierungen wuchs der Wert der Neugeschäfte um 8 Prozent, bei Konsumentenkrediten sogar um 44 Prozent. Zudem wurden den Angaben zufolge netto 59 000 neue Kunden gewonnen. ‹ŒKommentar Seite 2