Geisenfeld
Azubis verzweifelt gesucht

Firmenchefs beklagen nicht nur rückläufige Zahl an Bewerbern, sondern auch "sinkende Qualität"

01.09.2014 | Stand 02.12.2020, 22:17 Uhr

Gleich an ihrem ersten Tag bei der Firma Wolf wurde den beiden neuen Azubis Mathias Dozauer (rechts) und Nikolas Zauner Konzentration abverlangt. Von ihrem Ausbilder Stefan Niedermeier (links) bekamen sie an der CNC-Drehmaschine gezeigt, wie aus Vollmaterial ein Schienen-Transportwagen-Rad hergestellt wird - Foto: Kern

Geisenfeld (GZ) Das Thema Fachkräftemangel stellt auch den Mittelstand in Geisenfeld vor Herausforderungen. So weit, dass man die Bewerber wie andernorts mit besonderen „Zuckerln“ zur Annahme einer Lehrstelle locken muss, ist es aber offenbar aber noch nicht.

Eine Umfrage unter einigen Ausbildungsbetrieben zum Start des neuen Lehrjahres zeigt jedoch: Es wird immer schwieriger geeignete Kandidaten für die unterschiedlichen Ausbildungszweige zu finden. Und sie zu halten. Denn die Großunternehmen in der Region haben „Sogwirkung“ – sie ziehen dem Mittelstand so manchen Mitarbeiter ab, weil sie bessere Konditionen bieten können.

Das spürt nicht nur Erich Deml als Geschäftsführer der Firma Wolf, dem größten Arbeitgeber am Ort. „Die potenziellen Auszubildenden unterschreiben oft mehrere Verträge und suchen sich am Ende das Beste aus“, beobachtet er eine unerfreuliche Entwicklung. Heuer bildet die Firma Wolf im ersten Lehrjahr sieben junge Menschen aus. „Trotz massiver Werbung in Schulen und per Anzeigen“, sieht Deml vor allem in den technisch-handwerklichen Berufen die Zahl der Bewerber kontinuierlich sinken. Für den Bereich technisches Produktdesign habe man heuer keinen einzigen geeigneten Kandidaten gefunden, so der Firmenchef.

Als Vorsitzender der Gesellenprüfungskommission der Zimmerer-Innung Ingolstadt-Pfaffenhofen macht Karl Steinberger, wie andere Arbeitgeber, eine bedenkliche Entwicklung aus. Nicht nur die Zahl, auch „das Niveau der Prüflinge geht nach unten“ – wobei seiner Erfahrung nach der Knackpunkt nicht selten „die mangelnde Motivation ist“. Es fehle zudem bisweilen an Zuverlässigkeit und der Bereitschaft zur Eigenverantwortung, meint der erfahrene Handwerker, der in seinem Betrieb in Nötting heuer einen Azubi beschäftigt. Doch er hat noch andere Sorgen: „Die guten Absolventen stehen dem Unternehmen nach der Lehre oft nicht mehr zur Verfügung“. Sie streben ein duales Studium oder die Meisterschule an. Das werde langfristig ein „ernstes Problem für den Mittelstand“, fehle doch das „gute Mittelfeld“, das über zehn Jahre und mehr für Kontinuität im Betrieb sorgt.

„Die Bewerbungszahlen gehen zurück“, beobachtet auch Christian Hierl vom gleichnamigen Fahrzeugservice, der ebenfalls viele Jugendliche „zu wenig auf das Arbeitsleben vorbereitet“ sieht. Nicht jedem sei bewusst, dass im Handwerk „Leistungswille, Zuverlässigkeit und Gewissenhaftigkeit“ wichtige Tugenden sind, von denen gerade im Fahrzeugbau sogar die Sicherheit des Kunden abhänge. Und dann ist da noch die richtige Selbsteinschätzung. Nicht jeder Bewerber verfüge tatsächlich über handwerkliches Geschick, sieht Hierl hier Hilfe bei der Orientierung in der Berufswahl als nötig an. Heuer hatte er selber Glück und kann gleich drei Kfz-Mechatroniker im ersten Lehrjahr ausbilden. „Damit kann ich eine Lücke der vergangenen Jahre schließen“, erklärt der Firmenchef.

Über einen Mangel an Anfragen kann sich die Leiterin des Caritas-Altenheims, Gertrud Enzinger, derzeit nicht beklagen. Aber leider seien Bewerber häufig „in der Pflege nicht richtig aufgehoben“, so ihre Bilanz. „Unsere Auszubildenden müssen schulisch gut vorbereitet sein und menschlich über viel soziale Kompetenz verfügen“, erklärt sie, dass es schwer sei „wirklich geeignete Personen zu finden“. In Geisenfeld startet nur eine zukünftige Pflegefachkraft ihre Lehrzeit. Erst wenn das neue Haus fertiggestellt sei und es mehr Abteilungen gebe, werde man die Zahl der Azubis wieder erhöhen, erklärt Enzinger.

Die Stadt Geisenfeld hat vor einigen Jahren mit Blick auf ein drohendes Defizit an qualifizierten Mitarbeitern begonnen, selber verstärkt auszubilden. „Wir haben gesehen, wie schwer es ist, im Haus Stellen zu besetzen“, verweist Verwaltungschef Hannes Hetzenecker als Beispiel auf den „langwierigen Prozess“ im Bereich des Bauamts. Aufgrund der guten Wirtschaftslage herrsche im Landkreis eben nahezu Vollbeschäftigung, nennt er eine der Ursachen.

Aktuell haben eine Verwaltungsfachangestellte und ein Beamtenanwärter auf der dritten Qualifikationsebene ihre Ausbildung im Rathaus begonnen. Im Bauhof wird indes kein Proband im ersten Lehrjahr aktiv werden. „Derjenige, für den wir uns entschieden hatten, hat abgesagt“, bedauert Hetzenecker und zeigt zugleich Verständnis: Dem Schulabgänger hatte am Ende die eigene Heimatgemeinde eine Ausbildungsstelle eingerichtet, die er wegen der räumlichen Nähe „natürlich vorzog“.

Besonders schwer tun sich angesichts der Entwicklung jene Berufszweige, die ohnehin nicht sehr gefragt sind. Davon weiß Christian Gehrer ein ernüchterndes Lied zu singen. „In zwölf Jahren hat sich bei mir ein einziger Auszubildender selbst gemeldet“, so der Bäckermeister, der noch auf Tradition setzt. Seine größte Konkurrenz sind die Industriebetriebe. „Da wird mit modernster Technik und mit Maschinen gearbeitet. Die Handwerkskunst, die ein Azubi bei mir lernt, ist da gar nicht gefragt“, bedauert er die Situation.