Autofahrt in Salzburgs Vergangenheit

05.08.2021 | Stand 23.09.2023, 20:11 Uhr
Kurzer Trip ins Salzburg der Mozart-Zeit: Audi bietet derzeit Rundfahrten mit VR-Brillen an. −Foto: Audi

Mit einer neuen Technologie wird Entertainment ins Auto geholt. Die Mitfahrer setzen eine VR-Brille auf und begeben sich in fremde Welten. Die Technik wird von Audi bei den Salzburger Festspielen präsentiert.

Salzburg - Zeitreisen sind möglich. Zumindest wenn man einen Audi e-tron zur Verfügung hat und durch Salzburg gefahren wird. Eine Stimme fragt den Passagier, ob er ins Jahr 1762 abtauchen möchte und schon befindet man sich in einer offenen Kutsche, zwei Pferde ziehen den Wagen. Es geht durch Salzburger Gassen, Soldaten marschieren vorbei, rechts erscheint die Reitschule, die heute umgebaut ein Festspielhaus ist. Man sieht den Dom vorbeiziehen und oben in der Ferne die Burg. Ein Mädchen eilt über die Straße, und überraschend ist auch der Bub Wolfgang Amadeus zu sehen, mit Zopf. Das alles ist dreidimensional und lebensecht und so spannend, dass man kaum spürt, wie die Zeit vergeht.

Die Firma, die diese Technologie entwickelt hat, heißt Holoride. Sie existiert seit 2018 und hat eine ungewöhnliche Geschichte. Denn gegründet wurde sie maßgeblich von Audi-Mitarbeitern und zwar mit Unterstützung des Autokonzerns. Was erstaunlich ist. Denn dem jungen unabhängigen Start-up ist es so möglich, dieses neue Unterhaltungsformat nicht nur bei Audi selbst, sondern auch bei anderen Autobauern einzuführen. "Das erhöht deutlich die Chance auf Skalierung und die Etablierung eines großen Marktes, was gerade für die Content-Industrie von hoher Bedeutung ist", sagt Marcus Kühne, einer der Gründer von Holoride.

Die Idee zu Holoride entstand innerhalb des dreiköpfigen Gründerteams Nils Wollny, Daniel Profendiner und Marcus Kühne vor rund fünf Jahren. Damals war Audi eines der ersten Industrieunternehmen, das die neuen VR-Brillen (wie die Oculus Rift) kommerziell einsetzte - und zwar zunächst im Vertriebsbereich. Kunden sollten sich so besonders realitätsnah ihren vorkonfigurierten Wagen in einer 3D-Welt ansehen können. Dabei wurde man schnell darauf aufmerksam, dass vielen Menschen übel wird, wenn sie mit einer VR-Brille auf dem Kopf in der realen Welt sitzen und in der virtuellen Realität durch den Raum schweben. Konnten die Kunden aber aufstehen und sich synchron zwischen virtueller und realer Welt frei bewegen, dann wirkte das Erlebnis sehr viel angenehmer. Das dahinter stehende Phänomen "Simulator- und Reisekrankheit" entsteht immer dann, wenn widersprüchliche Sinneseindrücke vom Gehirn verarbeitet werden müssen. Eine erstaunliche Erkenntnis, ein erster wichtiger Grundstein für die Gründung von Holoride. Das in München ansässige Start-up schickt sich nämlich an, genau dieses Problem im Automobil zu lösen. Denn tatsächlich lassen sich virtuelle Welten am leichtesten und schonendsten präsentieren, wenn sie einhergehen mit realen Bewegungen ihres Besuchers. Beim "Audi-VirtualTimeTravel" gestaltet sich daher die virtuelle Fahrt durch das Salzburg des 18. Jahrhunderts genau parallel zur Fahrt mit dem Audi e-tron. Wenn der Elektrowagen anhält, stoppt auch die virtuelle Pferdekutsche, wenn das Auto nach links abbiegt, geschieht in der Zeitreise genau das Gleiche.

Der Aufbau einer solchen künstlichen Welt ist natürlich nicht unkompliziert. Daher ist im in Salzburg eingesetzten Prototyp noch ein größerer Computer im Kofferraum des Audi installiert, der mit großem Lüfterrauschen verrät, wie aufwendig die Berechnungen sein müssen. Aber bei der angestrebten Endkonsumenten-Lösung wird die gesamte Rechenleistung von der VR-Brille selbst übernommen werden, versichert Marcus Kühne.

Die virtuelle Reise wird jedenfalls kreiert aus einem Zusammenspiel von Daten. Holoride versteht sich dabei als Mittler zwischen Mobility-, Technologie- und Content-Industrie und schafft mit der Nutzung von Bewegungs- und Positionsdaten des Fahrzeugs die Voraussetzung, dass Autobauer zukünftig ihren Passagieren bewegungs-synchrone Unterhaltungsinhalte, etwa in einer VR-Brille, ermöglichen.

Neben dem aktuell gezeigten virtuellen Trip durchs historische Salzburg hat Holoride in weiteren Demos auch schon entspannende Flüge über asiatische Bergtäler und 2019 in Las Vegas mit Disney Abenteuer an Bord eines Weltraum-Jägers gezeigt. "Dabei sind diese Showcases in erster Line als Inspiration gedacht und sie zeigen, der Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt. Was wir schaffen, ist ein Ökosystem für alle möglichen Inhalte - von Spielen über Entspannungs- bis hin zu Edutainment-Inhalten, die - wie hier in Salzburg gezeigt - unterhaltsam Wissen vermitteln", erläutert Kühne.

Für Audi ist die neue VR-Software von großer Bedeutung, betont Felix Schwabe, Mitarbeiter des Ingolstädter Autobauers. Der Leiter des Bereichs Digital Business Development geht davon aus, dass sich "die Rolle des Passagiers im Auto komplett verändern wird, wenn sich erst das autonome Fahren etabliert hat". Die Autofahrer werden nach Beschäftigung verlangen, und zwar in der Art, dass sie dabei nicht unter der unangenehmen Reisekrankheit leiden.

Marcus Kühne erwartet, dass mit der neuen VR-Technologie auch Streaming-Inhalte angesehen werden können oder Internetseiten. Rund um den zentralen Anzeigebereich - etwa in Gestalt einer stilisierten Kinoleinwand - wird dann eine Umgebung eingeblendet, die synchron zur realen Fahrzeugbewegung bewegt wird und so verhindert, dass es im Bewusstsein des Users zu den besagten Sinnesdatendissonanzen kommt. Weitere Anwendungen sind im Bereich Augmented Reality zu erwarten - dann würden sich bei einem Blick durch eine spezielle Brille reale visuelle Eindrücke durch virtuelle Informationen, die ins Blickfeld projiziert werden, erweitert werden. Wichtig ist Holoride dabei vor allem, dass die neue Technologie mit gängigen Standards funktioniert - etwa der weit verbreiteten Unity Spiele Engine. Und es sollen bald möglichst viele handelsübliche VR-Brillen genutzt werden können.

Bereits im kommenden Jahr ist der offizielle Start der Technologie geplant. Kein Zweifel: Autofahren wird dann noch schöner werden.

Holoride

DK

Holoride wurde Ende 2018 in München von Nils Wollny, Marcus Kühne, Daniel Profendiner und Audi gegründet. Der Autokonzern hält bis heute eine Minderheitsbeteiligung an dem Start-up. Holoride wurde als "Best of CES" (Las Vegas, 01/19) ausgezeichnet. Im November 2019 wurde Holoride darüber hinaus vom "Time Magazine" als "100 Best Inventions of 2019" gekürt. 2021 wurde die Holoride-Technologie mit dem deutschen Computerspielpreis ausgezeichnet in der Kategorie "Beste Innovation und Technologie".
Die Audi-Zeitreise kann unter folgendem Link in Salzburg gebucht werden: www.audi-salzburgerfestspiele.de/VR-experience.

Jesko Schulze-Reimpell