Pfaffenhofen
Autofahrer nimmt Unfallopfer in den Arm

Wegen eines Überholmanövers landete ein 56-Jähriger im Graben - Gericht stellt Verfahren ein

17.06.2020 | Stand 02.12.2020, 11:09 Uhr
Bei diesem Unfall vor einem halben Jahr nahe Schweitenkirchen endete ein missglücktes Überholmanöver für den entgegenkommenden Wagen im Graben. Der Unfallverursacher musste sich nun vor dem Amtsgericht verantworten, das Gericht sah aber von einer Verurteilung ab. −Foto: Polizei/Archiv

Pfaffenhofen - Der Angeklagte wischt sich die Tränen aus den Augen: Ein kleiner Moment der Unachtsamkeit, vielleicht noch nicht einmal das - und deshalb muss er sich jetzt von der Staatsanwältin vorhalten lassen, dass er rücksichtslos "aus Gleichgültigkeit gegenüber anderen grob verkehrswidrig" einen Unfall verursacht und sich als "ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeugs" erwiesen habe.

Gegen den Strafbefehl wegen Straßenverkehrsgefährdung und fahrlässiger Körperverletzung hatte er Einspruch eingelegt. Würde er ihn akzeptieren, wäre er für längere Zeit seinen Führerschein los. Also ließ er es auf eine Gerichtsverhandlung ankommen.

Der Unfall, den Peter W. , 53, (alle Namen geändert), verursacht hat, liegt ein halbes Jahr zurück. Am 12. November morgens gegen 6.40 Uhr war er unterwegs auf der Kreisstraße PAF 11. Vor ihm eine 34-Jährige, die wie er auf dem Weg zur Arbeit war; ihre Stammstrecke. Dort, wo die Straße durch einen Wald führt, etwa auf der Höhe von Schweitenkirchen, sagt Elfi P. , die als Zeugin vorgeladen ist, fahre sie wegen des möglichen Wildwechsels immer etwas langsamer, "vielleicht gerade mal 50". Das nachfolgende Fahrzeug "klebte mir hinten dran". Nach dem Waldstück und vor einer weit ausholenden Linkskurve gibt Peter W. Gas, es ist noch nicht ganz hell, entgegenkommende Scheinwerfer, sagt Peter W. , habe er keine gesehen. Er überholt, und gerade in dem Moment, als er am Wagen von Elfi P. nach rechts einschwenken will, kommt ihm Werner F. in seinem Pkw entgegen. Peter W. steigt auf die Bremse, auch Elfi P. gelingt es, zu bremsen und einen Auffahrunfall zu vermeiden. Nur der Reichertshausener Siegfried F. , der ebenfalls auf dem Weg zur Arbeit war, hat Pech: Der 56-Jährige zieht sein Fahrzeug abrupt nach rechts und landet im Graben: verstauchte Halswirbelsäule, Krankschreibung für zwei Wochen, fast 10 000 Euro Sachschaden. Peter W. fährt rechts ran und läuft zum Unfallauto. "Haben Sie sich verletzt? ", fragt er. "Ja, der Nacken. " Peter W. ruft die Polizei. "Der war total fertig", erinnert sich Siegfried F. Der Unfallverursacher habe ihn sogar in den Arm genommen.

"Das tut mir so leid", sagt der 53-Jährige jetzt auf der Anklagebank und wischt sich die Augen aus. "Alles in Ordnung? ", fragt Amtsrichterin Katharina Laudien mitfühlend. Ja, alles ok. "Entschuldigen Sie bitte", wendet sich Peter W. an das Unfallopfer. "Das kann doch jedem passieren", sagt der Reichertshausener versöhnlich.

Die Frage, die die Richterin klären will: Hat der Angeklagte an einer unübersichtlichen Stelle bewusst das Risiko eines Unfalls in Kauf genommen? Mit den Zeugen beugt sie sich über die Polizeifotos vom Unfallort. Die Straße grenzt links an ein Feld auf einem kleinen Hügel. "Man sieht die Kurve schon", sagt Elfi P. , die die Strecke täglich fährt, "aber nicht die Fahrbahn, den Straßenbelag. " Tückisch: Man meine, den Straßenverlauf überblicken zu können. Auch sie haben keinen Gegenverkehr bemerkt.

Katharina Laudien lenkt ein: "Eine grobe Fahrlässigkeit und rücksichtsloses Verhalten sehe ich nicht. " Nach seiner objektiven Einschätzung habe der Angeklagte gefahrlos überholen können. Zudem zeige der Angeklagte Reue. Sie will das Verfahren einstellen, stößt aber bei Staatsanwältin Julia Eser auf Widerstand. Vom Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung will diese nicht abweichen. Mit der Richterin einigt sie sich auf eine Einstellung gegen ein Geldauflage von 1500 Euro zugunsten einer Pfaffenhofener Hilfsorganisation.

Den Führerschein darf Peter W. jedenfalls behalten. Erleichtert nimmt er das Urteil noch im Gerichtssaal an: Den Betrag wolle er noch heute überweisen. "Ich bin so froh", sagt er, "dass nichts Schlimmeres passiert ist. "

PK