Riedenburg
Auszubildende starten durch

01.09.2010 | Stand 03.12.2020, 3:44 Uhr

Engagiert: Als Frau in einem von Männern dominierten Beruf zu arbeiten, ist für die angehende Brauerin Nadja Egerer kein Problem. Die Ettiketiermaschine hat sie bereits kennengelernt. - Foto: fmz

Riedenburg (fmz) Der Startschuss ist gefallen: Bayernweit haben gestern zahlreiche Auszubildende ihren ersten Arbeitstag absolviert. Auch in Riedenburg sind mehrere junge Schulabgänger erstmals am Arbeitsplatz erschienen.

Nadja Egerer hat ihren Traumjob gefunden. Seit gestern ist die 17-Jährige als Auszubildende beim Riedenburger Brauhaus der Familie Krieger angestellt. "Im vergangenen Jahr habe ich hier ein Praktikum gemacht. Seitdem will ich nur Brauerin werden – nichts anderes", sagt die zierliche junge Frau, während sie in Jeans und Gummistiefeln zielstrebig über das Firmengelände läuft. Obwohl es ihr erster Arbeitstag ist, scheint Nadja zwischen all dem Bier und den Maschinen ganz in ihrem Element zu sein. Dass der von ihr gewählte Beruf von Männern dominiert wird, stört sie nicht. "Bisher sind ja auch alle sehr nett zu mir."

Ähnlich wie Nadja geht es auch etlichen anderen Auszubildenden, die gestern ihre Lehrstelle angetreten haben. Nach Aussage der Agentur für Arbeit in Regensburg gibt es im gesamten Landkreis Kelheim derzeit nur noch 27 Schulabgänger, die ohne Ausbildungsplatz dastehen. Im Vergleich zum vergangenen Jahr seien zudem bis Juli knapp 100 Ausbildungsstellen mehr gemeldet worden, was einem Plus von rund 19 Prozent entspricht.

Die meisten Lehrstellen seien im selben Zeitraum in den Fertigungs- und Dienstleistungsberufen vergeben worden. Hier gebe es auch die meisten Bewerber. In den technischen Berufen sei die Bewerberzahl zwar geringer, aber dafür gibt es dort nach Auskunft der Agentur für Arbeit auch entsprechend weniger Ausbildungsstellen.

Für Rudolf Maier von der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Regensburg ist die hohe Vermittlungsquote keine Überraschung. Der Fachmann sieht die Situation auf dem Lehrstellenmarkt derzeit an einem Wendepunkt. Auch wenn insbesondere in Büroberufen nach wie vor mehrere Bewerber auf eine Stelle kämen, erwartet Maier "am Ende des Jahres viele Betriebe zu haben, die ihre Ausbildungsplätze nicht besetzen konnten." Mittlerweile müssten seiner Erfahrung nach viele Betriebe damit beginnen, für ihre Lehrstellen zu werben, anstatt wie früher die freie Auswahl unter den Bewerbern zu haben.

Diese Erfahrung hat auch die Riedenburger Bäckerei Frank gemacht. Zwei von drei gemeldeten Lehrstellen sind heuer unbesetzt geblieben. "Wir hatten nur wenige Bewerbungen, aber wir waren auch relativ spät dran", sagt Juniorchefin Karin Pfaller, die es nach eigenem Bekunden schade findet, "dass sich anscheinend nur noch wenige für Handwerksberufe interessieren." Zumindest eine geeignete Bewerberin hat sich dann aber doch noch gefunden – allerdings nicht für die Backstube, sondern für eine Lehrstelle im Verkauf. Die 19-jährige Patricia Sporer hat bereits zum 15. August mit ihrer Ausbildung zur Bäckereifachverkäuferin begonnen und ist von ihrem neuen Arbeitsplatz begeistert. "Ich habe bestimmt 50 oder 60 Bewerbungen geschrieben. Jetzt bin ich froh, hier arbeiten zu können, denn das ist genau das, was ich machen will."

Auch Veronika Pröll hat ihren Platz in der Berufswelt gefunden. Die 15-Jährige ist seit August als Auszubildende in der Konditorei Scheck beschäftigt. "Schon mein Onkel hat hier gearbeitet, und nach einem ersten Praktikum wollte ich auch unbedingt Konditorin werden." Für Pröll ist die Anstellung ein Glücksfall. "Mir gefällt es super hier", meint die junge Frau, die ihren qualifizierenden Hauptschulabschluss als Schulbeste abgelegt hat. Auch ihre Chefin Renate Scheck ist froh, dass ihre neue Auszubildende nun in der Konditorei arbeitet. "Bei Veronika weiß ich, dass sie den Beruf wirklich lernen möchte", sagt Scheck. "Leider gibt es viele Bewerber, die nur bei uns arbeiten wollen, weil sie nichts anderes haben. Es wird immer schwieriger, einen geeigneten Auszubildenden zu finden."

Rudolf Maier von der IHK nennt gleich mehrere Gründe für diese Entwicklung. "Die Zahl der Bewerber geht schon alleine aufgrund des demografischen Wandels zurück", sagt er. "Außerdem haben wir heuer eine deutlich höhere Quote derer, die von der Realschule direkt in die Fach- und die Berufsoberschulen laufen. Diese Schulen platzen aus allen Nähten." Zudem erläutert der Fachmann, dass etwa 15 Prozent der jungen Leute, die sich auf offene Lehrstellen bewerben, noch nicht ausbildungsreif seien. "Dass manche Bewerber Probleme mit Kernkompetenzen haben, ist und war schon immer so."

Auf Nadja, Patricia und Veronika trifft das allerdings nicht zu. Sie haben ihre Vorgesetzten schon in den ersten Ausbildungstagen mit ihrem Willen und Arbeitseifer überzeugt und brennen darauf, in den nächsten Jahren ihr Können unter Beweis zu stellen. Wie es danach weiter geht? "Mal schauen", meint Nadja, bevor sie sich wieder entschlossen den Bierflaschen widmet. "Irgendwann will ich noch ins Ausland, aber wenn ich erst mal Brauerin bin, dann findet sich schon was."