Neuburg
Auswege aufzeigen

12.04.2011 | Stand 03.12.2020, 2:56 Uhr

Aufmerksam verfolgten die Neuntklässler der Wirtschaftsschule die Podiumsdiskussion zum Thema Alkohol und Drogen. - Foto: Hammerl

Neuburg (ahl) "Sucht kommt von Suchen", sagt Detlev von den Anonymen Alkoholikern. "Sucht – aber sucht den Ausweg", fordert er von seinen Zuhörern. In der Aula der Wirtschaftsschule ist es still. Rund 90 Schüler der neunten Klassen lauschen aufmerksam der Podiumsdiskussion, die sich den drei Stationen des Suchtprojektes anschließt.

Das Quiz "Bist du stärker als Alkohol" und je ein Gespräch mit Tobias Ulm aus Burgheim und Detlev im halbstündigen Turnus absolviert, liegen hinter den Schülern, jetzt sollen in der Abschlussrunde Fragen geklärt werden. Schriftlich festgehalten haben die Schüler zur Enttäuschung der Podiumsteilnehmer nichts Brauchbares, doch jetzt trauen sie sich sogar, im Plenum den Mund aufzumachen. "Woran erkenne ich, dass jemand ein Alkoholproblem hat", will einer wissen. Detlev erklärt, Abhängigkeit lasse sich von außen nicht feststellen. Dennoch appelliert er an sein Publikum, nicht wegzuschauen, sondern Betroffene anzusprechen. Auch wenn die eine blöde Antwort gäben, so könne es doch sein, dass damit eine Initialzündung ausgelöst werde. "Sag nicht, "du bist ja Alkoholiker", sondern sage, "es ist gefällt mir nicht, wie du hier rumlallst"", klärt er über die richtige Art und Weise auf, mit Betroffenen zu reden.
 

Wie Tobias Ulm, der in seinen Liedern von seiner Drogenabhängigkeit, die ihn ins Gefängnis gebracht hatte, berichtet hat, so fesselt Detlev mit seinen authentischen Erfahrungen als Alkoholiker. Die beiden wissen, wovon sie sprechen, und das spüren die Neuntklässler.

Geboren wurde die Idee eines Suchtprojektes an der Wirtschaftsschule, als Konrektor Johann Englschall Tobias Ulm kennenlernte. "Ich wollte aber nicht nur, dass er seine Lieder singt, sondern ich wollte den Schülern auch Auswege aufzeigen", erklärt Englschall. Deshalb sitzen nun auch Sozialpädagogin Angela Mayr von der Suchtberatung des Caritasverbandes, Pfarrer Johannes Link, Gefängnisseelsorger der JVA Neuburg, und Andreas Strehle sowie Jan-Hendrik Stut vom Jugendparlament am Podium.

Wirtschaftsjunior Anton Göbel moderiert die Fragerunde, da Wirtschaftsjunioren und Diözese Augsburg über den gemeinsamen Arbeitskreis Bildung die Veranstaltung unterstützen. Strehle, der hauptberuflich als Krankenpfleger tätig ist, berichtet plastisch aus der Notaufnahme, lässt mit Magensonde, Infusionen und Zwangsfixierung den einen oder anderen der jungen Zuhörer erschauern.

Mayr und Link betonen, dass sie der Schweigepflicht unterliegen, was besonders die Mädchen interessiert. Wie der Gefängnisseelsorger mit schlimmen Geheimnissen umgehe? Link erklärt, allzu schlimm sei es in der JVA Neuburg nicht, vielmehr gehe es darum, zuzuhören, als selbst aktiv zu werden. Mitunter sei der Pfarrer der einzige Kontakt – vor allem einer, der nichts weitergibt.

Einstiegsdrogen, Rückfallquoten, Restalkohol im alkoholfreien Bier und Sperrzeitverlegung sind weitere Themen, die angesprochen werden.

"Ich habe im Quiz viel erfahren", meint Dennis später, und Frank staunt über die hohe Rückfallquote, die Detlev auf 90 Prozent geschätzt hat. Nun steht den Schülern noch die Nachbearbeitung in Deutsch, Sozialkunde und Religion bevor, wie Englschall ankündigt, der sich wie Göbel vorstellen kann, das Suchtpräventionsprojekt zur Dauereinrichtung an der Schule zu machen.