Auswanderer mit grünem Daumen

30.06.2009 | Stand 03.12.2020, 4:51 Uhr


Weston/Burgheim (DK) In der englischen Grafschaft Lincolnshire, gut 150 Kilometer nördlich von London, liegt der kleine Ort Weston. Hier lebt und arbeitet Reinhard Biehler, ein ausgewanderter Burgheimer, der sich auf der Insel seinen Lebenstraum erfüllte: Dem 64-Jährigen gehört eines der größten Gartencenter Großbritanniens mit rund 150 Mitarbeitern.

Schon in der Schule in Burgheim fällt Biehler seinen Klassenkameraden durch eine Besonderheit auf: Der "Reini," wie ihn die Mitschüler liebevoll nennen, interessiert sich besonders stark für die Natur. So wundert es auch keinen, dass er später bei der Firma Dehner in Rain am Lech eine Gärtnerlehre beginnt.

Anlaufschwierigkeiten

Mit 19 Jahren blättert der Pflanzenfreund in einer Gartenbaufachzeitschrift und entdeckt dort eine Anzeige: Ein Betrieb in England sucht Akkordarbeiter zur Rosenveredelung. "Da war ich schon immer flink und gründlich", erinnert sich Reinhard Biehler. Als er einmal vier Wochen Urlaub hat, packt er seine Sachen und fährt zum ersten Mal auf die Insel. Der Landessprache ist er nicht mächtig, so dass ihm Anlaufschwierigkeiten nicht erspart bleiben. Doch seine Arbeit macht er hervorragend: Rosen veredelt keiner so schnell und gründlich wie er.

Reinhard Biehler kehrt wieder nach Burgheim zurück, doch ein Jahr später ist er wieder auf der Insel und verdient gutes Geld im Akkord. Dieses zahlt er bei einer freundlichen jungen Dame auf dem Postamt ein. Ein Teil geht nach Deutschland zur Unterstützung der Familie. "Als die Postangestellte sah, was ich verdiene, hat sie mich geheiratet," sagt Reinhard Biehler heute über seine Ehefrau Yvonne.

Zusammen kauft das Paar im Jahr 1970 einen kleinen Bauernhof mit sieben Tagwerk Grund. Es ist der Beginn einer Erfolgsgeschichte, die ihresgleichen sucht. Weil die Bank Akkordlohn nicht als Sicherheit bewertet und einen Investitionskredit ablehnt, müssen Reinhard und Yvonne Biehler schnell und dauerhaft für den nötigen "cash flow" sorgen.

Dies gelingt vor allem durch harte Arbeit. Inzwischen zählt das "Baytree-Gardencenter" zu den größten seiner Art in Großbritannien. Auf einer Fläche von 15 Tagwerk gibt es ein reichhaltiges Sortiment. Zu einer Blumenpracht mit der Rose im Mittelpunkt kommen alle nur erdenkbaren Gemüsesorten, Bäume, Sträucher, Stauden, Sämereien, Gartengeräte, Gartenschmuck, eine große Zooabteilung, Gartenhäuser, ein Restaurant, eine Boutique und die größte private Eulenhaltung Großbritanniens. Um die 130 teilweise höchst seltenen und wertvollen Tiere kümmert sich Andrew Charlton. Dem "Eulendompteur" sieht man sofort an, dass er im Baytree-Gardencenter den Job seines Lebens gefunden hat.

Reinhard Biehler liebt die Tiere: Wenn er vor seinem Rothirschgehege hupt, rennen sie flugs vor den Zaun, um anschließend das "Mahl" aus dem Gartencenter aufzufuttern. Zu Hause auf dem Privatanwesen warten noch Rentiere, vietnamesische Hängebauchschweine und Fische. Wer den 64-Jährigen dort besucht, muss mit ihm auch auf den höchsten Baum im Garten steigen. Dort hat er in Tarzan-Manier zwei Baumhäuser gebaut, an einer Innenseite mit Glas und Nistkästen, um die Vögel beim Brüten beobachten zu können.

"Member of the Empire"

Die größte Ehre für den ausgewanderten Burgheimer kam aus dem Buckingham Palast. Königin Elizabeth II. ernannte Reinhard Biehler zum "Member of the Empire". Er war der erste Deutsche, der diesen Orden überhaupt erhielt. Der deutsche Botschafter und der britische Minister für Landwirtschaft und Gartenbau überreichten die begehrte Auszeichnung zum 50. Geburtstag. Die Queen würdigte damit das Engagement Biehlers für seinen Berufsstand, vor allem für die Lehrlingsausbildung in seinem Betrieb und im britischen Gartenbauverband.

In seinem Baytree-Gardencenter arbeiten neben seiner Frau Yvonne auch die Töchter Jutta, Gitta und Elke, wie auch deren Ehemänner Camaron, Nigel und John. Sie alle leiten eine Abteilung. Sie sind auch die Säulen für die Zukunft, darum werden Reinhard und Yvonne Biehler ihr Unternehmen in diesem Jahr noch in eine Kapitalgesellschaft umwandeln. Die drei Töchter bekommen dann Anteile. "Dies mache ich nicht der Arbeit wegen," so der Mittsechziger. "Die Verantwortung muss auf die junge Generation verteilt werden, ansonsten arbeite ich weiter wie gewohnt." Schließlich ist kein Gärtner in der Familie, also bleibt dieser Teil ohnehin an ihm hängen. Vielleicht hat er dann aber etwas mehr Zeit für seine acht Enkel.