Neuburg
Ausrücken zum Kirschenpflücken

In Gietlhausen läuft die Ernte in den Plantagen - Heuer gute Erträge für mühsame Arbeit

24.06.2019 | Stand 02.12.2020, 13:40 Uhr
Auf geht?s zum Kirschenpflücken, bei Familie Reng muss die ganze Verwandtschaft mithelfen. Die Herzkirschen sind später dran. −Foto: Rein

Neuburg (r) "Die Hitze passt uns gar nicht.

" Ernst Reng verbringt seinen Sommerurlaub nicht am fernen Meeresstrand, sondern unter Kirschbäumen in Gietlhausen. Die Ernte 2019 ist angelaufen, und im Neuburger Kirschendorf heißt das: pflücken und immer wieder pflücken. Alle Plantagenbesitzer müssen hinauf auf die Leitern, wenn die mühsame Arbeit einen kleinen Erlös bringen soll.

So wie es aussieht, wird 2019 ein ordentliches Kirschenjahr. Die Rekordernte des Vorjahres lässt sich nicht wiederholen. Doch die gefürchteten Spätfröste haben die Blüten überstanden, jetzt können nur noch Unwetter die Ernte verhageln. Regen und Hitze - da platzen die dunkelroten Früchte schnell auf.

Familie Reng konzentriert sich jetzt auf die frühen Sorten, "die Herzkirschen kommen später". In der ausgedehnten Plantage am Ortseingang dürfen Kunden auch selber pflücken. Die Kirschen sind dann billiger. "Selbst pflücken liegt offenbar im Trend. " Der Normalpreis pendelt sich heuer bei vier Euro pro Kilogramm ein.

Gietlhausener Kirschen sind immer frisch, "sozusagen vom Baum zum Kunden". Die meisten Gietlhausener versorgen seit Jahren ihre Stammkunden. Die Verwertung freilich ist kleinteiliger geworden. 20 Kilo zum Einwecken kauft heute keiner mehr. Die Früchte werden frisch gegessen, für Kuchen und Marmelade verwendet oder eingefroren. Importkirschen aus aller Welt gibt es ganzjährig im Supermarkt.

In den Nachkriegsjahren diente die Kirschenernte als Zubrot für die Landwirte. Diese Zeit ist endgültig vorbei. Die Plantagenbesitzer sind älter geworden, und die Jugend ist von der mühsamen Arbeit nicht gerade begeistert. "Urlaub zum Pflücken nehmen die Jungen nicht", weiß Luise Geller. Sie freut sich, dass ihre Tochter fleißig miterntet. Irgendwie fühle man sich verpflichtet, die Plantagen der Eltern und Großeltern weiter zu pflegen.

Auch die Vögel bedienen sich im Kirschgarten. "Die Stare sind heuer wegen der frühzeitig gemähten Wiesen besonders aktiv", hat Jürgen Weingärtner beobachtet. Die Kirschbauern nehmen das hin. Großflächige Netze sind unpraktikabel und das Vergrämen mit Karbid-Schußanlagen ist seit Jahrzehnten passé.

Bundesweit hegen Landwirte auf rund 8000 Hektar Fläche den Anbau von Süß- und Sauerkirschen, insbesondere im Alten Land, am Bodensee oder in der Fränkischen Schweiz. Die außergewöhnlich gute Ernte im Jahr 2018 erreichte 60 000 Tonnen, davon ein Drittel Sauerkirschen.

Kirschen bereiten das ganze Jahr über Arbeit. Die Bäume sind zu beschneiden und zu veredeln, der Boden muss gedüngt, das Gras gemäht werden. Vor und nach der Blüte wird mit Schädlingsmitteln, die das Landwirtschaftsamt vorschreibt, gespritzt. Die Vorschriften werden immer strenger.

Das Kleinklima am Gietlhausener Juraausläufer fördert den Obstanbau. Die Bodenbeschaffenheit ist günstig und der Wald schützt die Plantagen vor späten Nachtfrösten. Dennoch hat die "Schafskälte" der Kirschblüte oft genug im April/Mai den Garaus gemacht. Anton Schäffler, Gartenbau- Fachberater des Landkreises in den 1950er und 1960er Jahren, hatte ein Faible für das Kirschendorf. Unter seiner Anleitung vergrößerten die Bauern ihre Plantagen. Wenn sie im April erblühen, wird Gietlhausen zur "Perle" Neuburgs.