München
Ausflug ins Weltall

22.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:37 Uhr

Die Leiterin der Eso-Supernova, Tania Johnston, war schon als kleines Mädchen von den Sternen fasziniert, wie sie erzählt. - Fotos: Stäbler

München (DK) Etwas versteckt in einem Münchner Vorort baut die Europäische Südsternwarte ein spektakuläres Astronomie-Erlebniszentrum. Die Eso-Supernova soll ab 2018 jährlich bis zu 200.000 Besucher aus ganz Bayern anziehen.

Mitten im Weltraum, nur wenige Schritte vom schimmernden Band der Milchstraße entfernt, hängen Kabel lose von der Decke, darunter liegen ein Stapel Holzbretter und einige Metallrohre herum. Und dazwischen steht Tania Johnston, eine junge, fröhliche Frau, die mit ihren Händen die Anatomie eines Spiegeleis darstellt.

Doch mehr zu der Frau und dem Ei später; zunächst muss man über den Weltraum sprechen, der genau genommen ein "Welt-Raum" ist - so haben sie bei der Europäischen Südsternwarte (Eso) jene zylinderförmige Halle getauft. Rundherum an der Wand wird dereinst, wenn die Bauarbeiten beendet sind, eine riesige 360-Grad-Tapete hängen, mit der Milchstraße als Motiv. Und in zwölf Metern Höhe thront bereits jenes 30 Tonnen schwere Glasdach, dessen scheinbar willkürlich angeordnete Stahlstreben den südlichen Sternenhimmel abbilden. Der Clou: Dank LED-Lampen an der Decke wird man hier einzelne Sternbilder zum Leuchten bringen können.

Klingt spektakulär? Ja - und doch verblasst es im Vergleich zum Äußeren dieses Gebäudes, das seit 2015 in Garching im Norden von München entsteht. Auf dem dortigen Forschungsgelände baut die Eso ein Astronomie-Erlebniszentrum der Superlative, das im Frühjahr 2018 seine Türen öffnet. Das Gebäude ist eine Schenkung der Klaus-Tschira-Stiftung, die sich über die Baukosten ausschweigt. Viel lieber erzählen sie dort die Geschichte, wie der 2015 verstorbene Stiftungsvater, der SAP-Mitbegründer Klaus Tschira, höchstpersönlich die Idee für das extravagante Design hatte. So orientiert sich die Form des Gebäudes an einem Doppelsternsystem, das kurz vor der Supernova steht - daher der Name.

In einem der zwei Sterne befindet sich der erwähnte "Welt-Raum", im anderen Baukörper steckt das Prunkstück der Eso-Supernova: ein digitales Planetarium, das in Deutschland seinesgleichen sucht und über eine 360-Grad-Projektionskuppel mit einem Durchmesser von 14 Metern verfügt. Hier sollen täglich mehrere Astronomie-Shows gezeigt werden - bei freiem Eintritt. Ebenfalls kostenlos wird der Besuch der Ausstellung sein, die sich auf einer 255 Meter langen Rampe entlang der Außenwand durch das Gebäude schlängelt. Sie trägt den Titel "Das Lebendige Universum" und nimmt die Besucher mit auf eine Reise vom kleinen Garching in die Weiten unserer Galaxie. Garniert wird das Ganze mit reichlich Bildschirmen, Modellen, Hörstationen und sogar einem Simulator, mit dem man durchs Sonnensystem düsen kann. Mit bis zu 200.000 Besuchern jährlich rechnet die Eso, darunter zahlreiche Klassen - vom Kindergarten bis zum Abiturjahrgang.

Doch zurück in den "Welt-Raum" und zu Tania Johnston, die dem Besucher gerade versucht, die Form unserer Milchstraße zu erklären - mithilfe der Anatomie eines Spiegeleis. Die 39-jährige Schottin ist die Leiterin der Eso-Supernova und extra für das Projekt 2015 nach Garching gezogen. Zuvor hat die gelernte Chemikerin in Edinburgh neun Jahre lang das Besucherzentrum einer Sternwarte betreut. "Mir macht es am meisten Spaß, wenn ich Menschen, und vor allem Kindern, die Begeisterung für die Astronomie vermitteln kann", sagt Tania Johnston. Sie selbst sei bereits als Mädchen fasziniert von den Sternen gewesen: In ihrem Kinderzimmer stand eine Miniatur-Raumstation; zig Abende verbrachte sie damit, den Nachthimmel zu studieren.

"Ich bin in einem kleinen, abgelegenen Dorf in Schottland aufgewachsen, da konnte man die Sterne auch ohne Teleskop gut erkennen", erzählt sie. Ganz anders in ihrer neuen Heimat: "Ich gehe zwar auch in Garching öfters mit dem Fernglas auf meinen Balkon, aber leider ist die Lichtverschmutzung hier in München sehr groß." Immerhin bleibt ihr ein Trost: Bald schon werden für Tania Johnston sämtliche Sterne der Milchstraße zum Greifen nahe sein - im Weltraum, pardon: "Welt-Raum" der Eso-Supernova.

 

Hintergrund

Die Europäische Organisation für astronomische Forschung in der südlichen Hemisphäre, kurz Europäische Südsternwarte (Eso), wurde 1962 von Deutschland, Frankreich, Belgien, Schweden und den Niederlanden gegründet. Das Ziel des Forschungsinstituts ist es, europäischen Astronomen die Beobachtung des Südsternhimmels zu ermöglichen. Hierfür betreibt die Eso, der mittlerweile 16 Länder angehören, drei Observatorien in der Atacamawüste in Chile, wo ausgezeichnete Klimabedingungen für die Himmelsbeobachtung herrschen. Hier verfügt die Eso über mehrere große Teleskope; darüber hinaus befindet sich ihr sogenanntes "Extremely Large Telescope" gerade im Bau - mit einem Hauptspiegel-Durchmesser von 39 Metern soll es das weltweit größte optische Teleskop werden. Die geschätzten Baukosten für das Projekt: 1,1 Milliarden Euro. Vergleichsweise bescheiden nimmt sich dahingegen das jährliche Budget der Eso aus, das bei rund 140 Millionen Euro liegt. Die Organisation zählt etwa 680 Mitarbeiter; der Sitz der Zentrale sowie der Eso-Verwaltung ist in Garching bei München.