Wolnzach
Aus Respekt vor der Geschichte

Geplante Neugestaltung des Kirchenvorplatzes ist mit denkmalschutzrechtlichen Auflagen verbunden

09.04.2021 | Stand 23.09.2023, 17:53 Uhr
Auch die unter dem Rathausplatz vor fünf Jahren entdeckten Verfärbungen und Gruben wurden von einem Grabungsteam dokumentiert. In wenigen Monaten soll nun auch der Kirchenvorplatz gegenüber neu gestaltet werden. −Foto: Trouboukis

Wolnzach - Im Herbst soll es losgehen mit der Neugestaltung des Kirchenvorplatzes. Während der genaue Baubeginn noch nicht feststeht, ist eines schon ganz sicher: Die Baumaßnahme ist mit Auflagen verbunden, denn auf der künftigen Baustelle ist ein Bodendenkmal nachgewiesen. Sehr wahrscheinlich also, dass bei Grabungen Spuren der Wolnzacher Geschichte ans Licht befördert werden, wie beispielsweise auch schon bei der Neugestaltung des Rathausvorplatzes oder - hier waren die Funde geradezu sensationell - beim Neubau des Wohn- und Geschäftskomplexes am ehemaligen Ilmberger-Areal am Marienplatz.

Scherben mit teils filigranen Mustern, von Krügen, Schultergefäßen, Hohlfußbecher, Henkelgefäße, Schöpfkellen, eindeutig aus der sogenannten Münchshöfener Kultur - und damit aus einem Zeitraum zwischen 4500 und 3900 vor Christus. Was die Fachleute bei den Grabungen am Ilmberger-Areal im Sommer 2016 alles zutage förderten, dokumentierten und aufzeichneten, das weiß Josef Schäch noch ganz genau. Er war der Bauherr des Wohn- und Geschäftskomplexes mitten im Wolnzacher Zentrum, hatte die denkmalschutzrechtlichen Untersuchungen beauftragen müssen (siehe Infokasten). Mit Funden hatte man gerechnet, mit dem, was tatsächlich heraufbefördert wurde, allerdings nicht: Vor allem Spuren des Mittelalters hatten die Fachleute erwartet, nicht aber Spuren einer Besiedlung, die auf über 6000 Jahre zurückgeht.

"Man ist da schon hin- und hergerissen", sagt Josef Schäch rückblickend. Denn in das Staunen darüber, was gefunden wurde, und den Stolz darauf, dass das eigene Grundstück quasi Geschichte konserviert, mischte sich damals auch bei ihm die Sorge, wie lange das alles dauern und auch, was es kosten würde: "Ich glaube, da geht es jedem Bauherrn gleich", sagt er. "Zwischendrin hatten wir schon Angst, dass das uns die komplette Baustelle umwirft."

Auch Irene und Erich Niedermeier kennen diese Gedanken, auch für ihr privates Bauvorhaben an der Elsenheimerstraße nicht weit vom Wolnzacher Ortszentrum an der einstigen "Bauerngasse" mussten sie vor elf Jahren eine denkmalschutzrechtliche Untersuchung beauftragen und bezahlen. Auch hier wurden die Grabungsfachleute fündig. Sie stießen auf Besiedlungsspuren, auf für den Laien oft kaum erkennbare Verfärbungen im Erdreich. Alles wurde dokumentiert, dann durfte das Bauvorhaben weitergehen. "Es kommt halt auch auf die Zusammenarbeit an", sagt Josef Schäch. Auch bei seiner Baustelle ging es trotz der beeindruckenden Funde nach einer Pause von mehreren Tagen doch wieder voran. Man habe sich mit den Grabungsfachleuten ausgetauscht, wann es wo weitergehen konnte, und mit leichter Verzögerung wurde dann das Wohn- und Geschäftshaus errichtet.

Die beeindruckenden Funde vom Marienplatz hat der Bauherr dem Historischen Cirkel übergeben, der Verein hortet sie sorgsam in Vitrinen. Aus einigen Scherben sind übrigens ganze Gefäße geworden, wie Heimatforscher Rudi Pfab erzählt: "Wir haben einige, wo es ging, zusammensetzen lassen." Mit großem Aufwand, aber es habe sich gelohnt. Gerne würde der Cirkel seine Schätze - darunter übrigens auch zahlreiche Funde von den Ausgrabungen am Schlossberg - einmal wieder der Öffentlichkeit präsentieren, auch, um das Bewusstsein der Menschen für die Geschichte zu schärfen. Aber Ausstellungen seien im Moment nicht möglich, nicht nur wegen Corona: Der Aufwand wäre zu groß und die Personaldecke des Historischen Cirkels sei dafür viel zu dünn.

Verfärbungen im Boden, für den Laien oft gar nicht als bedeutend zu erkennen, Löcher, unter denen sich Gruben verbergen - auch beim Bauabschnitt I, der Neugestaltung des Rathausplatzes, sind Grabungsfachleute fündig geworden, haben alles fotografiert und dokumentiert. Für den jetzt anstehenden zweiten Bauabschnitt, die Neugestaltung des Kirchenvorplatzes, ist ebenso mit Funden zu rechnen, wie der beauftragte Städteplaner Ottmar Krix vom Büro Immich auf Anfrage unserer Zeitung erklärt: "Der gesamte Marktplatz steht unter Ensembleschutz, zusätzlich sind viele Einzelgebäude in der Denkmalliste aufgeführt." Deshalb müsse vor jedem Bodeneingriff ein sogenannter Erlaubnisantrag nach Artikel 6 des Denkmalschutzgesetzes gestellt werden. Der daraus hervorgehende Bescheid beinhalte unter anderem die Auflage, dass in einem ersten Schritt ein Bodenabtrag nur unter Aufsicht einer archäologischen Begleitung durch eine qualifizierte Grabungsfirma erfolgen darf: "Werden keine sogenannten Bodendenkmäler gefunden können die Bauarbeiten beginnen. Werden denkmalpflegerisch relevante Funde festgestellt, erfolgt mit der Dokumentierung und Sicherung der Funde ein zweiter Schritt."

Auflagen und Hinweise, bevor die Bagger rollen dürfen, um die Spuren der Geschichte zu bewahren. Was heute in aller Regel beachtet wird, wurde vor gar nicht langer Zeit noch deutlich flapsiger gehandhabt. So berichtet der promovierte Archäologe Karl Heinz Rieder im jüngsten Wolnzachbuch im Kapitel "Belege des frühen Menschen um Wolnzach" von einem Vorfall, bei dem die Geschichte im wahrsten Sinne des Wortes zugeschüttet wurde: Bei Bauarbeiten an der Blumenstraße in Wolnzach sollen in den 1970er Jahren menschliche Skelettreste zusammen mit einem einschneidigen Sax, also einem historischen Hiebschwert, gefunden worden sein. Jedoch wurde der Fund laut Rieder nicht gemeldet, sei aber dennoch über Umwege zum Landesamt für Denkmalpflege gelangt und dort untersucht und dokumentiert worden.

So habe der Fund doch noch seine Würdigung erfahren, wenn auch nur nachträglich und ansatzweise.

WZ

Karin Trouboukis