Manching
Aus Liebe zu den Menschen

Corinna Köhler aus Niederstimm ist nach fast zwei Jahren zurück aus dem Hilfscamp in Haiti

27.03.2012 | Stand 03.12.2020, 1:40 Uhr

Wertvolle Hilfe für Erdbebenopfer: Cornelia Köhler hat viele Monate in einem Camp der Johanniter amputierte Haitianer mit Prothesen versorgt. Die Erfahrungen hier möchte sie nicht missen. Zurück in Deutschland, will sie jetzt Orthopädietechnik-Meisterin werden - Foto: privat

Manching (DK) Nach dem schweren Erdbeben 2010 war Cornelia Köhler aus Nieder-stimm in Haiti, um zu helfen. Zwei Jahre baute die Orthopädietechnikerin Prothesen für Menschen, die Gliedmaße verloren haben. Schon früher berichtete der DK über ihre Arbeit. Nun ist sie wieder in der Heimat.

Übermütig springt der Mischlingshund an die Haustür. Chalimo, der einem Windhund ähnelt, hat die 25-Jährige aus Haiti mitgebracht. „Ein einheimischer Freund hat ihn mir als Welpen geschenkt. Ich habe ihn so sehr ins Herz geschlossen und er hat sich so sehr an Menschen gewöhnt, dass ich ihn nicht zurücklassen konnte. Er wäre sonst als Straßenhund geendet.“ Die intensive Tierliebe spiegelt auch Cornelia Köhlers Menschlichkeit wieder: „Ich wollte schon immer in Entwicklungsländer, um Menschen zu helfen.“

Es war der 12. Januar 2010. Schlimme Bilder vom fernen Haiti flimmerten über den Fernsehbildschirm. „Da wird meine Arbeit gebraucht“, dachte sich Cornelia Köhler. Dann ging alles ganz schnell. Die gelernte Orthopädietechnikerin setzte sich mit den Johannitern in Kontakt, und ab April 2010 arbeitete sie in deren Rehabilitationszentrum in Léogane, dem Epizentrum des Bebens.

Kurz nach der Naturkatastrophe kamen viele Opfer mit schlimmen Amputationen ins Camp, wo in der Hochphase bis zu 200 Menschen auf der Warteliste standen. „Als dann die Erdbebenopfer weitgehend versorgt waren, bauten wir Prothesen für Diabeteserkrankte oder Unfallopfer.“

Die Menschen kamen nicht nur zu ihr, ihrem kenianischen Kollegen Thomas Iwalla und den sechs haitianischen Trainees ins Rehacenter – das Team fuhr auch ins Land zu den Menschen: „Einmal sind wir zwei Stunden in die Berge gefahren und, als der Weg zu Ende war, noch einmal zweieinhalb Stunden gelaufen, um vor Ort einen Gipsabdruck eines Stumpfes zu machen. Als die Prothese dann fertig war, haben wir den gleichen Weg noch einmal auf uns genommen.“

Seit Anfang März ist Cornelia Köhler wieder zu Hause in Niederstimm. Aber nur für kurze Zeit, denn im April fängt die Meisterschule in Dortmund an. Und in den Sommerferien will sie als Urlaubsvertreterin wieder ins Johanniter-Camp nach Haiti. Bis dahin ist vielleicht schon das große Gebäude des Rehacenters fertiggestellt. Bislang arbeiteten die Helfer in einer mobilen Werkstatt und in Containern.

In solch provisorischen Quartieren lebten Cornelia Köhler und ihre Kollegen auch. Zwölf Quadratmeter Privatsphäre mit Bett und Nasszelle. Und: „Die hatte ich zu Beginn meiner Arbeit nicht einmal. Die ersten sechs Monate lebten wir jeweils zu acht in Zelten. Man konnte nicht abschalten, wenn man von der Arbeit nach Hause kam.“ Regen und Hochwasser machten das Zeltleben nicht immer angenehm. Was ihr aber den Aufenthalt nicht vermieste.

Cornelia Köhler erzählt mit strahlenden Augen von ihrem Leben dort. Von ihrem kleinen Garten, wo sie Papayas und Passionsfrüchte anpflanzte und wo nebenan die Campziege graste. „Oft haben wir leckere Kochbananen gegessen.“

Ein einschneidendes Erlebnis hatte Cornelia Köhler am Jahrestag des Erdbebens. „Ich war die einzige Weiße bei der Zeremonie und hielt zum Gedenken der Opfer eine Rede vor etwa 500 Menschen.“

Erinnerungen an Deutschland gab es einmal in Form eines Paketes von ihrer Familie. Das brachte ihr eine befreundete Helferin aus der Heimat mit. Ungewöhnlich insofern, als es in Haiti kein Postsystem wie bei uns gibt.

Trotz der weiten Entfernung von der Familie, war Cornelia aber nicht einsam: „Ich habe viele neue Freunde dort gefunden – Einheimische und Campbewohner. Man kommt dort an und fühlt sich irgendwann zu Hause“. So widersprüchlich es klingt: Dieses „Zuhausefühlen“ war mit ein Grund, wieder nach Deutschland zurückzukehren. „Man muss den Absprung rechtzeitig schaffen.“ Je länger man in der Ferne bleibe, umso mehr müsse man sich dort einrichten, um sich dann zu überlegen, ob man ganz dort bleibe, sagt die junge Frau. Aber: „Ich habe Heimweh nach Haiti“. Wer weiß? Vielleicht hat sie deshalb vorausschauend die Meisterschule in Dortmund gewählt: Das dortige Diplom ist international anerkannt.