Ingolstadt
Aus der Tiefe der Seele

04.09.2011 | Stand 03.12.2020, 2:27 Uhr

Cool und emotional zugleich: Die Sängerin Marla Glen begeisterte das Publikum des Open Flairs mit einem starken Auftritt - Foto: Strisch

Ingolstadt (DK) Einige Jahre lang war es still geworden um Marla Glen – im April diesen Jahres wagte sie nach der Bewältigung künstlerischer und privater Krisen mit „Humanology“ ihr Comeback.

Im Rahmen ihrer aktuellen Tour durch Deutschland, Österreich und die Schweiz war sie am Samstagabend auf dem Open Flair im Klenzepark zu hören.

Die zierliche Frau im Herrenanzug setzt in ihrem neuen Album auf sehr menschliche Themen. Es geht um Glaubensfragen, Liebe, Trauer und Problembewältigung. Tatsächlich wirkt die 51-Jährige unter der Maske ihres androgynen Erscheinungsbilds und dem tief ins Gesicht gezogenen Herrenhut sehr verletzlich. Ihre rauchig-raue Stimme scheint aus der Tiefe ihrer Seele zu kommen und ungefiltert ihre Emotionen zu transportieren, ihre Musik ist direkt, manchmal kratzbürstig und gerade deswegen so mitreißend.

Wenn man Marla Glen live erlebt, würde man zunächst nicht vermuten, dass sie bereits einige Krisen durchlaufen hat. Auf der Bühne in der Exerzierhalle schien sie schlichtweg ihren Spaß zu haben. Ihre vierköpfige Band lieferte – ebenfalls mit offensichtlicher Freude an ihrer Musik – einen satten und sehr stimmigen Sound. Ob bei der souligen Nummer „Daddy“, oder bei dem sich im Jazzwaltz-Feeling wiegenden „New Young & Old“, stets sorgten Band und dreistimmiger Backgroundchor für unwiderstehlichen Groove.

Über der Grundlage dieser üppigen Sounds konnte Glen sich austoben. Die maskuline Tiefe ihrer Stimme, die immer wieder von Neuem verblüfft, setzt sie auf ganz verschiedene Weise ein. In bluesigen Songs reduziert sie ihren Gesang mal auf ein kratziges Raunen, in souligen Balladen lässt sie ihre Stimme voll und warm erklingen, in rockig-derben Nummern transportiert sie eine ungezügelte Energie, die an die Stimme der Soul-Legende James Brown erinnert. Kein Zufall also, dass sie mit der Cover-Version seines Songs „It’s A Man’s World“ beim Publikum auf besondere Begeisterung stieß.

So facettenreich wie ihre Stimme ist auch ihre Musik, sie lässt sich genauso wenig in Kategorien verpacken wie die Sängerin selbst. Ihre ganz eigene Mischung aus Bluesrock, Soul und Elementen aus Jazz, Pop und Rock’n’Roll sorgt jedoch, wie sich an der Atmosphäre in der Exerzierhalle eindrucksvoll bewies, für starke Stimmung. Kaum ein Zuhörer konnte sich dem Sog ihrer Musik entziehen, überall wiegte man sich im Takt oder tanzte ausgelassen.

Und doch, die Widrigkeiten des Schicksals stecken genauso in ihrer Musik wie Marla Glens ungezügelte Energie. In „Don’t Try To Keep Me From Going On“ rechnet sie mit Ex-Frau und ehemaligen Managern ab, in „Run & Hide” geht es um Fehler, vor denen sich niemand verstecken kann. Die bewegende Ballade „White Roses“ widmet sie ihrer ermordeten Mutter.

Insgesamt jedoch wirkt sie nicht wie eine vom Schicksal gezeichnete Persönlichkeit, sondern eher wie eine Frau, die sich ihre Ecken und Kanten entgegen aller Widerstände bewahrt hat. Auf ihrer Homepage schreibt Glen, sie möchte, dass ihr Comeback ein „Zurückkommen“ ist und nicht ein „Zurückkriechen“. Es scheint ihr gelungen zu sein.