Dahoam
Aus der Historie wäre mehr zu machen

Die Freuden und Tücken des Lebens in der Altstadt: Tourismusexperte Markus Pillmayer wohnt in der Lebzeltergasse\t

03.06.2014 | Stand 02.12.2020, 22:37 Uhr

Altstadtbewohner: Markus Pillmayer glaubt, dass aus der reichen Geschichte Ingolstadts mehr Attraktivität zu schlagen wäre - Foto: Engel

Dahoam ist da, wo’s Herz wohnt“, zitiert Markus Pillmayer. Sein Herz schlägt für Ingolstadt. Aufgewachsen ist er in der Gegend um die Münchener Straße, und seit drei Jahren lebt der promovierte Geograf in der Lebzeltergasse in der Altstadt. Ihr Eingang versteckt sich, je nachdem, von welcher Seite man kommt, unscheinbar zwischen Doll- und Theresienstraße oder zwischen den Häusern in der Moritzstraße.

Auch wenn er seine Stadt liebt – Markus Pillmayer nimmt nicht alles kritiklos hin. „Ingolstadt hat Potenzial, Ingolstadt hat verdient, dass man etwas daraus macht“, sagt der 35-Jährige, der als Tourismusreferent in München arbeitet. „Aber in Ingolstadt werden nur punktuelle Einzelaktionen durchgeführt, und man vergisst dabei, die Innenstadt als Ganzes zu betrachten.“ Er nennt viele Beispiele, die ihn stören, angefangen in seiner eigenen Straße. „Die Altstadt ist sehr lebenswert, aber es gibt einige Punkte, bei denen ich mich, frei nach Gerhard Polt, frage: Braucht’s des“

Wie der viele Müll, den Gäste eines naheliegenden Schnellrestaurants am Wochenende in der Gasse verteilen, die nach einem alten Handwerk benannt ist. Lebzelter verarbeiteten und handelten mit Honig, zogen Kerzen und backten Lebkuchen. Auch in Ingolstadt gab es einige Lebzelter, wie die „Ordinari Münchner Zeitung“ aus dem Jahr 1763 berichtet. Markus Pillmayer findet es schade, dass nirgendwo ein Schild hängt, das über die tatsächliche Historie der Straße aufklärt. „In vielen Städten gibt es so etwas.“

Lebkuchen werden heute in der Lebzeltergasse nicht mehr verkauft. Dafür andere Dinge. Nahe Markus Pillmayers Wohnung liegt der Eingang eines Sexshops. „Erotikladen“, berichtigt Pillmayer schmunzelnd. Gegenüber dem Laden steht ein Haus mit einem kleinen Mauervorsprung. „Das Urinal Ingolstadts“, nennt Pillmayer die Ecke, die vielen Betrunkenen am Wochenende als Erleichterungsort diene. Auch für die Luftgasse, in die die Lebzeltergasse mündet, hat Pillmayer einen passenden Namen: „Der Beschleunigungsstreifen Ingolstadts“.

In der Lebzeltergasse stehen immer wieder Autos im Halteverbot. Markus Pillmayer beobachtete eines Tages eine Frau, die einen Strafzettel bekommen hatte. Über die paar Euro Strafe habe sie nur gelacht. Auch heute steht ein Auto im absoluten Halteverbot. „Es gibt ja Regeln, nur keiner hält sie ein. Man müsste eben mal ein Exempel statuieren.“

Die Straße selbst mag er. Für ihn ist sie, wie andere Altstadtstraßen, ein Phänomen. „Von vorne schauen die Häuser fast abgeschottet aus, aber dahinter verbergen sich viele schöne Innenhöfe.“ Er zeigt auf zwei weitere Häuser der Gasse. „Da oben sind zwei tolle Dachterrassen. Das würde man von hier unten überhaupt nicht vermuten.“ Christine Engel