Die
Aus dem Sumpf ins Leben

Abenteuergeschichte um vier Kinder aus dem Mississippi-Delta

21.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:45 Uhr

So sah eine Seite des Versandhauskataloges aus. - Foto: Thienemann-Verlag

Die Mississippi-Bande. Wie wir mit drei Dollar reich wurden. Von Davide Morosinotto. Aus dem Italienischen von Cornelia Panzacchi, Thienemann-Verlag, 368 Seiten, ab 10 Jahren, 14,99 Euro.

Können die Erlebnisse von vier Kindern im Mississippi-Delta Anfang des 20. Jahrhunderts heute noch spannend sein? Auch dann noch, wenn es dabei über die Anfänge des Versandhandels mit gedrucktem Katalog geht? Ja, denn der italienische Jugendbuch-Autor Davide Morosinotto erweckt die Natur und das Leben der Menschen geschickt und unmittelbar zum Leben.

Nacheinander in vier Kapitel wird die Abenteuergeschichte von Te Trois, Eddie, Julie und ihrem kleinen Bruder Tit aus deren Sicht geschildert. Es beginnt damit, wie sie mit ihrem selbst gebauten Einbaum aus Zypressenholz lospaddeln vom Sumpfgebiet in Louisiana, dem Bayou, aus den Mississippi hinauf bis nach New Orleans. Dort gehen sie an Bord eines Schaufelraddampfers, um auf ihm weiter nach Norden zu reisen bis St. Louis. Hier wechseln sie auf die großen Viehwaggons, die ihre lebende Fracht zu den Schlachthöfen Chicagos befördern. Dort nämlich befindet sich der Firmensitz des Versandhauses Walker & Dawn. Das ist ihr Ziel. Sie wollen eine Falschlieferung aufklären. Anstelle des bestellten Polizeirevolvers - die Kinder wollten die beim Angeln gefundenen drei Dollar in etwas Sinnvolles investieren, mit dem Revolver zum Helden werden - wurde eine defekte Herrenuhr geliefert. Die aber hat es in sich. Für sie wurde gemordet, wegen ihr stirbt ein Mensch, wird in den Sümpfen von einem Alligator gefressen. Die Uhr ist wichtig, führt zu wichtigen Papieren. Deshalb gibt es den Finderlohn von 4000 Dollar.

Das lockt die Kinder aus ihrer Kleinstadt und den Verhältnissen: Julie und ihr kleiner schwarzer Halbbruder Tit, der eigentlich Francis heißt, leben abseits der Dorfgemeinschaft, weil ihre Mutter Prostituierte ist. In den Südstaaten jener Zeit alles andere als leicht. Tit schweigt die meiste Zeit, ist aber ein guter Beobachter seiner Umgebung und kann warnen.

Immer wieder hat Julie blaue Flecke. Stammen diese von den Männern, die ihre Mutter besuchen? Kein Wunder, dass sich Julie nach einem anderen Leben sehnt. Liebevoll und kämpferisch zugleich kümmert sie sich um Tit. Arztsohn Eddie kommt zwar aus besserem Haus, ist aber noch nicht sicher, wohin er tendiert - in die Welt der Bücher oder in die gefährlichere draußen. Er ist zum Schamanen geworden. Dieses Wissen der Ureinwohner ist immer wieder hilfreich. Te Trois, eigentlich Peter Chevalier, lebt mit seiner Mutter und seinen Brüdern das harte Farmleben. So wird der 14-Jährige zum Abenteurer, will raus aus den Sorgen und Pflichten. Alle hoffen auf den Finderlohn, um ihr Leben damit zum Besseren zu wenden.

Auf ihrem 1000 Meilen langen Weg gen Norden begegnen sie den unterschiedlichsten Typen, werden von Schiffsjungen beinahe übers Ohr gehauen, müssen vor Verbrechern in Chicago flüchten, werden von der Polizei aufgegriffen und - Julie - ins Kinderheim gesteckt. Fast nebenbei geschieht das Erwachen der Sexualität, machen sie eine Entwicklung durch. Allen Vieren gelingt das Leben, ihr je persönliches - nicht märchenhaft, sondern realistisch mit Ecken und Kanten. ‹ŒDK