Neuburg
Aus dem Idealbild Anregungen mitnehmen

Film "Das innere Leuchten" stößt in Neuburg auf sehr große Resonanz - "Menschen nehmen, wie sie sind"

20.09.2019 | Stand 23.09.2023, 8:40 Uhr
Josef Heumann
Tiefgreifende Einblicke in die Pflegepraxis: Christian Kutz, Leiter des Pflegestützpunktes in Neuburg, im Dialog mit Ulrike Hafner, langjährige Leiterin des Heimes, in dem der Film "Das innere Leuchten" gedreht worden ist. −Foto: Heumann

Neuburg (DK) Ein Film mit schönen Bildern - ein zu schöner Film vielleicht auch: "Das innere Leuchten" von Stefan Sick, präsentiert auf der Berlinale als Beitrag zur "Perspektive Deutsches Kino".

Im Rahmen der bayerischen Demenztage war der Streifen in Kooperation von Landratsamt und Kinopalast ebendort jetzt auch in Neuburg zu sehen.

Es ist ein Film, der Mut macht. Insofern passt er natürlich ideal in das Tätigkeitsfeld des Pflegestützpunktes, der in seiner Arbeit täglich mit der Thematik Demenz beschäftigt ist. Auf rund 3000 beziffert Christian Kutz, Leiter der Einrichtung, die Zahl der Pflegebedürftigen im Landkreis, rund die Hälfte von ihnen leidet auch an Demenz, zumeist die größere Herausforderung noch für die Angehörigen. Der überwiegende Teil der Pflege findet im häuslichen Umfeld statt. Spezielle Einrichtungen wie etwa in dem Film gibt es bislang nicht, die Heime im Kreis richten sich aber zunehmend mit spezialisierten Bereichen auf die ständig im Bedarf wachsende Aufgabe ein.

Wie aktuell das Thema in der Bevölkerung ist, überraschte in dem Ausmaß noch Initiator Kutz. "Mit so einem Andrang haben wir nicht gerechnet. " Der größte Saal im Kinopalast reichte nicht aus, Leute ohne Vorreservierung mussten am Ende gar abgewiesen werden; Gelegenheit, den Film noch zu sehen, besteht am Sonntag in der Matinee um elf Uhr. "Das innere Leuchten" zeigt in vielleicht manchmal auch schon idealisierten Bildern, dass es ein lebenswertes Leben trotz Krankheit gibt. Stefan Sick fängt Momente ein, um die man die häufig im höchsten Pflegegrad befindlichen Menschen förmlich beneidet. Der Film strahlt ganz viel Ruhe aus, lässt sich ein auf den in seiner Langsamkeit nur desto intensiveren Rhythmus des Gewähren lassens.

Zwei Jahre hat Sick, bislang vornehmlich Kameramann bei Dokumentationen, jetzt auch als eigener Autor und Regisseur vor Ort beobachtet, gedreht, vor allem selbst auch unendlich viel gelernt. Der Ort: das Gradmann-Haus in Stuttgart, sicherlich so was wie ein Vorzeigeobjekt, mit wahrscheinlich rundum besseren Lebens- und Arbeitsbedingungen, getragen von einer Stiftung. Was und wie's gezeigt wird, ist absolut authentisch. Aber es ist eben nur der Teil, in der die Welt sehr heil ist und die Menschen fast immer gut und freundlich drauf sind. "Das innere Leuchten" folgt zwar der Methodik des Dokumentarfilmes, es stellt sich indes die Frage, ob er nicht mindestens so sehr ein Autorenfilm ist. Sick selbst spricht von einer "poetischen Interpretation dieses besonderen Zustands". Und Sick hat dafür einen großartigen "Darsteller" gefunden, Manfred Volz, einen ehemaligen Schreiner, der jetzt fast so etwas wie eine zweite innere Welt, geprägt von Musikalität und rhythmischem Gespür auslebt, woran der Betrachter berührt Teilhabe hat, ohne letzten Endes in diese Anders-Welt eindringen, sie gar verstehen zu können.

Natürlich, darauf weist Christian Kutz in der Aussprache hin, ist nicht alles von dem Film auf die häusliche Pflege übertragbar. Ungleich größer ist da das Maß an Betroffenheit, ganz zwingend fehlt die professionelle Distanz. Vielleicht aber lasse sich aus diesem ein Stück weit Idealbild doch Anregungen für den eigenen Umgang mit einem Demenzkranken gewinnen. Prägnant waren da neben den Ausführungen des Neuburger Neurologen Alexander Sturm gerade die höchst authentischen Einblicke, die Ulrike Hafner als ehemalige Leiterin des Gradmann-Hauses geben konnte.

Dass Kutz sie zu dieser Film-Premiere als Referentin verpflichten konnte, war ein echter Gewinn. Fast als Kernsatz für den Umgang mit Demenz-Betroffenen mag da gelten: So viel wie möglich geschehen lassen. Es sind oft die ganz kleinen Dinge. "Einen ,guten Morgen' kann man so oder so sagen. " Höchst interessant auch der Ratschlag für die Situation, die es im Umgang mit einem Demenzpatienten häufig gibt, plötzlich der Beschuldigte, etwa eines Diebstahls zu sein. Jetzt nicht, was vielleicht naheliegend wäre, den Vorgang energisch in Abrede stellen, viel besser sei, richtig mitzuschimpfen, was das doch für eine schlimme Sache sei.

Ganz wichtig für betroffen Pflegende: selbst mal eine Auszeit zu nehmen, für eine gewisse Zeit oder stundenweise. Dafür gebe es, "immer noch zu wenige", aber immer mehr begleitende und unterstützende Einrichtungen und Dienste. Das war nicht immer so, aber schon seit geraumer Zeit kann, so Kutz, Tagespflege beantragt werden, ohne dass es dadurch zu einer Kürzung des Pflegegeldes kommt. Für den Betroffenen sicher nicht immer ganz leicht, aber als obersten Grundsatz nennt der Neurologe , "die Menschen nehmen, wie sie sind".

Josef Heumann