Aula wurde zu einem gigantischen Chatroom

08.05.2007 | Stand 03.12.2020, 6:46 Uhr

Eichstätt (buk) Verstecken sich "Räuber" noch heute im Wald? Nein, nicht doch – eher im Netz, wo sie surfen und per Dialer "phishen", und wenn sie "hacken", dann sicher kein Holz. Davon handelte die jüngste Theaterproduktion des Grundkurses "Dramatisches Gestalten" am Gabrieli-Gymnasium, geleitet von Norbert Knabl – mit einer erfrischend frechen und freien Bearbeitung von Friedrich Schillers "Räubern".

Der Plot bleibt eher unverändert: Ein reicher alter Vater hat zwei Söhne, einer davon täuscht den Vater, intrigiert gegen den gutherzigen anderen und macht diesen so zum Outlaw. Doch in der Gabrieli-Fassung " wird aus dem bösen Sohn eine Tochter, werden aus Karl und Franz Moor Roger und Demi Moore, und der Alte heißt Henry.

Er ist kein regierender Graf mehr, sondern Chef einer Werbeagentur, der Roger zu seinem Nachfolger aufbauen will – eine Position, welche die frustrierte Demi ihrerseits anstrebt, weshalb sie ihren Bruder erfolgreich beim Alten anschwärzt.

So wurden Schillers "Räuber" am GG zu den "Roibern" – in Anlehnung an den "Oi!"-Musikstil, der in der Skinhead- und Punkszene seine Anhänger hat. Wer aber die fein hintergründigen Anspielungen von Norbert Knabl (diesmal verstärkt durch die studentische Praktikantin Juliane Roscher) und seiner Truppe kennt, darf getrost auch eine gewollte Assoziation mit dem Namen "Stoiber" ins Kalkül ziehen.

Die Liste der lockeren, legeren oder listigen Aktualisierungen und Regie-Gags ist lang, wenn der bekannte Klassiker-Stoff "gegen den Strich gebürstet" und im Milieu der Computer-Kriminalität angesiedelt wird – aber der junge Schiller, als Verfasser des Stücks noch "Stürmer und Dränger", hätte gewiss seinen Gefallen daran gehabt: Da fungiert der Regisseur mit der Stimme aus dem Off als Webmaster, werden die Spieler zu "Cyborgs" (also Mischwesen aus lebendigem Organismus und Maschine) oder "Atavaren" (also künstliche Personen oder grafische Stellvertreter echter Personen in der virtuellen Welt); die Grenze zwischen Sein und Schein changiert, verschwimmt, verschwindet.

Das Grundkurs-Ensemble hinterlässt auch heuer wieder einen sehr guten Eindruck und wurde an beiden Aufführungsabenden mit reichlich Beifall bedacht: Insbesondere Sebastian Hocheder zeigt als Roger beachtliche Bühnenpräsenz Spiel; Elisabeth Ziegelmeier mimt die böse Demi, die Vater Henry (Alexander Schneider) ins Grab zu bringen trachtet.

Sympathien weckt Alexandra Ketzler als Rogers treue Verlobte Emilia, eher (durchaus beabsichtigtes) Mitleid dagegen der tapsig-steife Thomas Hiemer als Prokurist und unbeholfener Verehrer Emilias; weiter wirkt Veronika Goßler als "Tippse" Daniela mit, und die Räuber – pardon: Roiber – sind zu "Hackern" geworden, die fremde Konten anzapfen: Hier sorgen Thomas Bittl (als Kosinsky), Pia Fürbacher (als Grimm), Manuela Geck (als Razmann), Annette Gsell (als Schwarz), Anna Lutz (als Roller) und Tamara Pientka (als Spiegelberg) immer wieder für Rasanz und Turbulenz – wobei die PC-Tastatur zur Waffe wird –, und Alexander Ego (als Hacker Schweizer, der sich auch des namensgebenden Idioms bedient) für zahllose Lacher sorgt, wann immer er spricht. Und plötzlich mutiert die gesamte Aula des GG zum gigantischen Chatroom.