Hilpoltstein
Auhof im Aufbruch

Neues Konzept wird das Leben der Bewohner verändern – Über 22 Millionen Euro Investitionen

04.03.2013 | Stand 03.12.2020, 0:26 Uhr

 

Hilpoltstein (HK) „Es ist ein Mammutprojekt“, sagt Andreas Ammon, Leiter des Auhofs, der großen Hilpoltsteiner Behinderteneinrichtung am Kanal. „Auhof 2020“ heißt sein Konzept, das alleine in den nächsten beiden Jahren über 22 Millionen Euro kosten und das Leben der Bewohner mächtig verändern wird.

Drei neue Außenwohngruppen für 72 Menschen mit Behinderung werden gebaut. Sie verlassen den Auhof, der dann Stück für Stück saniert wird.

Andreas Ammon steht vor einem unscheinbaren Holzbau, den der Hausmeister auf einem kleinen Platz im Auhof gebaut hat. Der rund vier mal fünf Meter große Würfel hat bunte Vorhänge als Türen, der Boden ist Wiese, in der Nasszelle hängt aber schon ein Duschschlauch von der Sperrholzwand, es gibt Toilette und Waschbecken. Ein altes Bettgestell und ein Schrank komplettieren die Einrichtung.

Wohnen soll hier niemand, der provisorische Holzbau ist nur ein Muster, aber man kann sich zumindest vorstellen, wie es sich in diesem Apartment leben lässt. Für viele Auhofbewohner eine wichtige Entscheidungshilfe. „Wir haben viele Menschen, die seit vielen Jahren im Auhof leben und nichts anderes gewohnt sind. So jemand kann sich unter Umziehen nichts vorstellen“, erklärt Ammon.

Wirklichkeit in Stein, Holz und Glas wird diese Vorstellung aber bald. Noch in diesem Jahr sollen die Apartments in Hilpoltstein entstehen, aber nicht im Auhof, sondern in der Freystädter Straße, in Laufweite zur Innenstadt. Spatenstich ist im April.

Die neue Außenwohngruppe für 24 Menschen ist barrierefrei und für vier Kleingruppen mit je sechs Bewohnern gedacht. Jede Kleingruppe hat einen Gemeinschaftsraum mit Küche, jedes Apartment eine Terrasse oder einen kleinen Balkon. Vier Einheiten verfügen über ein Deckenliftersystem, mit dem Schwerbehinderte vom Bett ins Bad kommen. Für die 17 Mitarbeiter, die für eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung sorgen, stehen zwei Dienstzimmer zur Verfügung.

Rund 3,4 Millionen Euro wird der Neubau in Hilpoltstein kosten, 1,2 Millionen müssen die Rummelsberger Anstalten tragen, dazu kommen die Kosten fürs Grundstück. Der Rest sind Zuschüsse vom Land Bayern und dem Bezirk Mittelfranken. „Gefördert wird nur das Allernötigste“, sagt Ammon. Balkone gehören nicht dazu. Aber für einen Menschen, dessen Bewegungsspielraum durch eine Behinderung sehr eingeengt ist, „für den ist das Lebensqualität“, sagt Ammon. Zwei weitere Anlagen der gleichen Größe sollen in Roth (Spatenstich im Mai) und in Allersberg (Spatenstich Juli) entstehen.

„Ich freue mich schon, wenn die erste Baugrube ausgehoben wird“, sagt Ammon. Mindestens acht Jahre wird ihn der Umbau des Auhofs beschäftigen. „Aber es ist gut, wenn sich etwas bewegt.“ Und es wird sich viel bewegen zum 60-jährigen Bestehen. In der Hilpoltsteiner Wichernstraße wird eine neue Wohn-gruppe für sechs bis acht Jugendliche eingerichtet, es wird mehr Plätze für Senioren in der Tagespflege geben und eine Kinderkrippe wird gebaut. Dezentralisierung heißt das Schlagwort.

Schon im April 2010 hat Ammon am Plan „Auhof 2020“ gearbeitet. Das Konzept seines Vorgängers Joerg Schneider, der in einer „sozialen Stadt“ die Bürger an den Auhof holen wollte, fand Ammon zwar „eine geniale Idee“, aber sie scheiterte 2009 am Geld.

Ammon muss kleinere Brötchen backen, aber backen muss er. In seinem Büro hängt ein großer Plan an der Wand. Er zeigt den Neubau von Haus Arche und stammt aus den 1990er Jahren. Doch die meisten Gebäude sind viel älter. Sie stammen aus den 70er Jahren. „Sie waren für Kinder und Jugendliche konzipiert und man hat gedacht, dass es für Erwachsene Nachfolgeeinrichtungen geben wird“, sagt Ammon. Doch die gab es nie. Die meisten der behinderten Bewohner steuern jetzt aufs Rentenalter zu. Etliche von ihnen teilen sich ein Zimmer, das nur gut halb so groß ist wie das neue Appartment. „Es fehlt ein Rückzugsbereich, die Verhaltensprobleme verstärken sich“, sagt Ammon. Nur 50 der derzeit 313 Wohnplätze sind vollständig rollstuhlgerecht.

Die alten Häuser werden komplett umgebaut, sobald die ersten Auhofbewohner in die neuen Außengruppen einziehen. Mitte 2014 soll es losgehen. Es entstehen barrierefreie Einzelzimmer mit Bädern, die im Höchstfall von zwei Bewohnern genutzt werden. Geschätzte Kosten für den ersten Abschnitt: rund zwölf Millionen Euro. Zwei weitere Bauabschnitte sollen folgen. Am Ende wird alles mit Ausnahme von Haus Arche umgebaut sein. Am Ende bleiben von 313 Wohnplätzen im Auhof 240 übrig, 72 Bewohner ziehen in eine der neuen Außengruppen.

„Wir müssen uns an die Menschen anpassen und nicht der Mensch an die Einrichtung“, verteidigt Ammon das Großprojekt, das seine Schatten schon vorauswirft. „Freudig erregt“, seien die Bewohner, die das Projekt verstünden. „Denen geht es zu langsam“, sagt Ammon. Aber es gibt auch Bewohner, die den Verlust ihrer geschützten Atmosphäre fürchten. Einige trainieren schon jetzt den bevorstehenden Umzug mit ihren Betreuern. Sieben so genannte Case-Manager sollen mit jedem Bewohner klären, ob er überhaupt umziehen oder bleiben will. „Veränderungen machen Menschen auch Angst – und das Projekt wird für viele Veränderung bedeuten“, sagt Ammon. „Den Gewinn an Freiheit muss man erst erleben.“