Scheyern
Auftaktkonzert weckt Appetit auf mehr

Publikum in der Scheyrer Basilika vernimmt Wohlklänge unter den Gerüststangen

20.06.2016 | Stand 02.12.2020, 19:39 Uhr

Wie eine moderne Theaterkulisse wirkt das Renovierungsgerüst im Mittelschiff der Basilika. Ganz oben das Solisten-Quartett als Echo-Chor. - Foto: Steininger

Scheyern (PK) Der Start in ein weiteres Jahr der Scheyrer Sommerkonzerte ist geglückt. Die Leistungen von Chor, Orchester und Solisten ließen den Anblick des riesigen Baugerüstes im Mittelschiff der Basilika vergessen. Im Gegenteil: Das erwies sich sogar als vorteilhaft.

Denn das Gerüst wurde als Bühne genutzt, um die doppelchörige Motette "Jauchzet dem Herrn alle Welt" so aufzuführen, wie es der Komponist Heinrich Schütz (1585 - 1672) vorgesehen hatte: Mit einem "Echochor" hoch oben über den Zuhörern in den Kirchenbänken und dem Basilikachor vor dem Altar. Ganz so, wie es dessen Lehrmeister Giovanni Gabrieli am Markusdom in Venedig praktiziert hatte. Das "Jauchzen" falle schwer in einer Welt, in der ein Großteil der Menschen keinen Grund zum Jubeln oder Jauchzen habe, betonte Abt Markus Eller. "Auch wenn Sie nach oben schauen, kein Grund zum Jauchzen", spielte er auf das Rohrgestänge im Kirchenschiff an. Das wirkte tatsächlich wie eine moderne Theaterinszenierung, die die Zuschauer ins Bühnenbild mit einbezieht.

Die aber vergaßen schnell das ungewohnte Ambiente der Basilika, weil der Basilikachor den Auftrag "Jauchzet dem Herrn" wörtlich nahm und entsprechend loslegte, als wolle er das eine Jahr Pause in der Sommerkonzertreihe auf Anhieb vergessen machen. Und deutlich wurde hörbar, was Schütz beabsichtigt hatte: Der Echochor, ein vierköpfiges Solistenensemble, ertönte von oben herab per ständiger Interaktion mit dem Basilikachor, der die Sequenzen vorgab, die die Solisten echogleich wiederholten. Die sind allesamt keine Unbekannten, mit Sopranistin Susanne Breu, Altistin Carolin Cervino, Tenor Alexander Hüttner und Bassist Nikolai Ardey hatte die Kirchenmusikerin Barbara Schmelz ein bewährtes Quartett zusammengestellt. Das war ein gelungener Auftakt, der der jungen Dirigentin ein Lächeln ins Gesicht zauberte. Die war nämlich mehrfach gefordert, musste sie doch Chor und Orchester vor ihr, aber auch die Solisten hinter ihr hoch oben auf dem Gerüst dirigieren.

Für Dieterich Buxtehudes Kantate "Alles was ihr tut mit Worten oder mit Werken" aber durfte sie auf der Bank vor der Truhenorgel Platz nehmen und zusammen mit dem Chor, den Streichern und den Solisten musizieren. Hier hatten insbesondere das Orchester beim instrumentalen Auftakt und den Sonaten dazwischen, aber auch der Basilikachor Gelegenheit, sich ins rechte Licht zu setzen. Das gilt besonders für Nikolai Ardey, der im "Arioso" ein Bass-Solo zu bewältigen hatte, bevor die Sopranstimmen des Chores einen Choral anstimmten und das ganze Ensemble mit dem "Concerto" das Werk abschloss.

Dann rückten Kontrabass und Cello in den Vordergrund, die als "Basso continuo" zusammen mit der 12 Personen starken Kammerchorbesetzung Claudio Monteverdis "Beatus vir" anstimmten. Wechselnde Tempi, zarte Sopranstimmen im Wechsel mit den Tenor- und Bass-Stimmen kennzeichnen das Werk, das mit einem gemeinsamen "Amen" ausklang. Das Psalmkonzert "Lobe den Herrn meine Seele" von Heinrich Schütz ist ebenfalls für zwei Chöre angelegt, erklang aber vom Altar aus, wo sich das Solistenquartett mit dem Basilikachor abwechselte.

Den offiziellen Konzertabschluss bildete Johann Sebastian Bachs Kantate "Erschallet ihr Lieder, erklinget ihr Saiten!". Hier hatte Bach im Titel die Bläser unterschlagen, die zusammen mit dem Chor, den Streichern und Pauken dem Werk einen imposanten Auftakt verleihen, bevor Bassist Nikolai Ardey das Rezitativ anstimmte. Gleich darauf musste er sich in einer Bass-Arie beweisen, auf die Tenor Alexander Hüttner mit einer Arie folgte. Beim Duett mit Sopranistin Susanne Breu und Altistin Carolin Cervino hatte das Orchester Pause, hier erklangen neben den Singstimmen nur das Cello und die Truhenorgel, bevor sich Chor, Orchester und Solisten wieder vereinigten.

Ein dickes Lob gebührt allen Beteiligten, den Solisten, Chor und Orchester, für diese Aufführung, die Appetit auf die weiteren Sommerkonzerte im Kloster Scheyern gemacht hat. Viel anerkennender Applaus galt Barbara Schmelz, die die erfolgreichen Konzerte ihrer Vorgänger auf ebenso hohem Niveau fortzusetzen vermag und die ein glückliches Händchen bei der Auswahl der Stücke bewies. Aber auch viel Mut, aus der Not der Renovierungsarbeiten eine musikalische Tugend zu machen. Der Applaus war demzufolge anhaltend, bis sich die Solisten wieder auf das Stahlgerüst begaben und zusammen mit Chor und Orchester "Jauchzet dem Herrn" erneut anstimmten.