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Anlagenbauer Jais GmbH aus Mitterscheyern wechselt den Besitzer - Die Manufaktur hat einen Umsatz von 1,6 Millionen jährlich

20.01.2020 | Stand 25.10.2023, 10:28 Uhr
Übergabe des Staffelstabs an einen neuen Eigentümer: Martin Jais (rechts) und sein Nachfolger Harald Lohmeier in der Mitterscheyerer Fertigungshalle. Symbolisch überreicht wurde ein Grundkörper eines Ventils. −Foto: Herchenbach

Pfaffenhofen/Scheyern - Es begann 1990 mit einer Spargelkühlwanne, die Martin Jais in seinem Pfaffenhofener Ein-Mann-Betrieb aus Edelstahl baute.

30 Jahre später beschäftigt der Anlagenbauer in Mitterscheyern 13 Mitarbeiter, macht einen Jahresumsatz von 1,6 Millionen Euro. Die Pläne zur Firmenweiterung am jetzigen Standort und für neue, ausgelagerte Betriebszweige liegen in der Schublade. Und jetzt hat er - mit erst 58 Jahren - sein international erfolgreiches Unternehmen verkauft. Warum?

Martin Jais, gelernter Blechschlosser und Maschinenbautechniker, sitzt mit seinem Nachfolger Harald Lohmeier, 44, in seinem Büro in der Werkstraße 28 in Mitterscheyern; auf dem runden Besprechungstisch liegen säuberlich aufgereiht in Klarsichthüllen ein gutes Dutzend Auftragsanfragen. Die Firma brummt. "Ja, warum verkaufen? ", fragt Jais, dessen Frau in dem Familienbetrieb als Prokuristin mitarbeitet. Seine beiden Kinder haben sich beruflich anders orientiert, jetzt hält er den Zeitpunkt für gekommen, den Betrieb zu übergeben und seine Expansionspläne in jüngere Hände zu gegen. "Ich weiß nicht, ob ich in zehn Jahren mit 68 noch die Kraft dazu hätte. "

Klar, er könnte sein Unternehmen, so wie es ist, noch einige Jahre führen, es dann auslaufen lassen und sich in den Liegestuhl zurückziehen. Aber das sei erstens nicht sein Ding und zweitens sind da noch seine Mitarbeiter: "Sehr gute Leute", die dann auf der Straße stünden. Und drittens fühlt er sich seinen "Partnern" verpflichtet. So nennt Jais Zulieferer, Subunternehmer und seine Kunden. Die Firmen, die als "verlängerte Werkbank" für ihn das Edelstahl-Material schneiden, fräsen und drehen, seien mit ihm gewachsen. Zu all diesen Partnern bestehe ein enges Vertrauensverhältnis - und Partner lasse man nicht im Stich.

Jais erzählt von Firmeninhabern aus dem Landkreis Pfaffenhofen, die in der gleichen Situation wie er waren, und die ihr Unternehmen dicht machen mussten, weil sie keinen Nachfolger gefunden haben. "Davon steht ja immer wieder in der Zeitung. " Deshalb habe er sich frühzeitig auf die Suche gemacht; schwer genug. Denn die Industrie in der Region um Ingolstadt, sagt Jais, sauge den Arbeitsmarkt ab. "Wenn früher zehn Leute ihren Meister gemacht haben, dann wurden neun selbstständig, einer ging in die Industrie. Heute ist es genau umgekehrt. " Der Unternehmensgeist verdunste, das Risiko ist vielen zu hoch, von der Arbeit und der Personalverantwortung ganz abgesehen. Da erscheint vielen eine Festanstellung mit geregelter Arbeitszeit, sicherem Einkommen und sozialen Leistungen doch verlockender.

Harald Lohmeier aber wechselt dennoch die Seiten. Der Schweitenkirchener kennt Jais seit acht Jahren. Er war bei einer der größten Firmen beschäftigt, die zum Kundenstamm von Jais gehören. "Jais", sagt Lohmeier, "ist in der Region für seine tolle Qualität bekannt. " Und nicht nur dort: Das Unternehmen liefert europaweit, nach China und in die USA Rohrverbindungen, Ventile, Hygiene-Armaturen und fertigt ganze Anlagen für die Getränke-, Lebensmittel- und Pharmaindustrie. Das reicht von der technischen Ausstattung für alle Global Player der Chemieindustrie bis hin zu Vakuumförderanlagen für doch namhafte pharmazeutische Unternehmen.

Von diesen Apparaten steht ein halbes Dutzend auf den großen Werktischen in der Fertigungshalle. Jais verarbeitet ausschließlich hochwertige Edelstähle. "Hier, fühlen Sie mal", sagt Jais. Die Finger wandern über die glatte Metalloberfläche. Nichts zu spüren. "Dort ist die Schweißnaht. " Nur wer genau hinschaut, entdeckt eine leichte Verfärbung der Oberfläche. Diese Anlage, erklärt Jais, muss sich problemlos reinigen lassen, deshalb sind selbst kleinste Unebenheiten auf der Oberfläche unzulässig. Das kontrolliert er mit einem aufwendigen Messverfahren. Er zeigt auf die Förderanlage mit Ventilen und Manometern, in die einmal Substanzen für Tabletten gefüllt werden sollen. Der kleinste Rückstand könne die ganze Produktion verderben, weiß Jais. Deshalb wird höchster Wert auf Präzision gelegt.

"Wir machen ausschließlich Sonderanfertigungen. " Die Jais GmbH versteht sich als Manufaktur in Industrie-Qualität. Der Betrieb ist zertifiziert: Jais besitzt eine spezielle Zulassung zur Herstellung von Druckbehältern, die auch mal bis zu 200 Bar aushalten und vom TÜV überprüft werden müssen. Schweißvorgänge, das Material, der gesamte Herstellungsprozess wird aufwendig dokumentiert. "Ich kann noch nach zehn Jahren sagen, von wem und wann diese Naht geschweißt wurde", erklärt Jais.

Eine solche Qualität bekomme man nur mit einer motivierten und engagierten Mannschaft hin, glaubt der Chef. "Wir verstehen uns als große Familie", sagt er über sein Personal, mit dem er gemeinsam das Mittagessen einnimmt. "Bei uns kann jeder alles sagen", wie er weiter betont. Wie sonst sollte es möglich sein, dass seine Mitarbeiter Verbesserungsvorschläge machen? Mit ihnen hat er beispielsweise ein neues Arbeitszeitmodell vereinbart: Jeder zweite Freitag ist frei, dafür wird an den anderen Freitagen bis 17 Uhr gearbeitet. "Die Mitarbeiter sind zufriedener", freut sich der Chef, "und die Arbeitsleistung ist höher".

Wobei: "Chef" ist nicht mehr so ganz richtig, denn seit dem Jahreswechsel ist Lohmeier der neue Eigentümer. Aber Jais arbeitet weiter im Angestelltenverhältnis als Prokurist und technischer Leiter, worüber sein Nachfolger "sehr froh" ist. Gemeinsam wollen sie nun das Unternehmen vergrößern, die Fläche für die Fertigung verdoppeln, eine eigene Konstruktionsabteilung aufbauen und einen weiteren Betriebszweig für spezielle Oberflächenbehandlungen angliedern. Außerdem wollen sie in Richtung chemischer Industrie und Medizintechnik expandieren. Was bedeuten würden: Der Mitarbeiterstamm vergrößert sich auf 20 bis 25 Leute. Was dafür fehlt, ist eine weitere Fertigungshalle für Oberflächentechnik. Wo diese stehen soll, weiß man: "In Nähe zum derzeitigen Stammsitz der Firma, als regionaler Arbeitgeber wollen wir schnell und flexibel agieren können. "

DK

Albert Herchenbach