Eichstätt
Auf der Suche nach der Seele des Tangos

Anja Lechner und Dino Saluzzi im Spiegelsaal der Eichstätter Residenz

26.06.2015 | Stand 02.12.2020, 21:08 Uhr

Ganz in ihr Spiel vertieft: Anja Lechner und Dino Saluzzi bei ihrem Konzert im Spiegelsaal der Eichstätter Residenz. - Foto: bwo

Eichstätt (EK) Ein Cello-Ton schwebt durch den Spiegelsaal, getragen und mit leichtem Vibrato. Voller Ausdruck knüpft Anja Lechner eine erste Melodie daran, Dino Saluzzi fällt mit dezenten Klängen des Bandoneons ein. Schon in den ersten Minuten des Konzertes wird klar: Dem Duo geht es um die Erkundung von tiefgründiger Musik, um die Seele der Tango-Melodien, die an diesem Mittwochabend in der Eichstätter Residenz erklingen.

Es ist ein ungewöhnliches Duo. Der 80-jährige argentinische Bandoneonspieler und die deutsche Cellistin, die ihre Karriere mit Kammermusik begann, spielen seit den 90er Jahren zusammen. Ihre Musik besteht vor allem aus Saluzzis Kompositionen, die sich in der Tango-Tradition bewegen. Man könnte ihre Musik auch als Kammermusik bezeichnen: wegen der Intensität ihres Zusammenspiels, und weil ihre beiden Instrumente ganz pur wirken dürfen. Oder man könnte von Jazz sprechen, weil die beiden Musiker die Einflüsse so kreativ miteinander verbinden und ausschweifend improvisieren. All das trifft es nicht richtig, aber für die Zuhörer ist es auch nicht entscheidend.

Sie erleben im Spiegelsaal zwei Musiker, die eine gemeinsame musikalische Ausdrucksform gefunden haben. Das Cello, wie Anja Lechner es spielt, mit kräftigem, warmem Ton und mit viel Einsatz der tiefen Lagen, harmoniert mit Saluzzis Bandoneon. Wenn Cello und Bandoneon sich in derselben Lage bewegen, dann verschmelzen ihre Klänge miteinander. Das liegt daran, dass Lechners und Saluzzis Parts so vollkommen ineinandergreifen. Mal erklingt das Cello auch ganz tief und voll, als Begleitung zur Melodie des Bandoneons. Oder Saluzzi deutet auf seinem Instrument eine tangotypische Bandoneon-Begleitung an und Lechner spielt darüber wunderbare Melodien – stark und schwelgend oder ganz zart mit zerbrechlichem Ton. Hin und wieder mischt sich ein zufrieden gebrummter Kommentar von Saluzzis tiefer Stimme darunter, wenn Lechner ihn mit einer musikalischen Idee überrascht. Die beiden Musiker sind ganz in ihre Darbietung vertieft, oft hat Lechner die Augen geschlossen, dann wieder blicken sie sich an, lächeln über besonders schöne Parts.

Es liegt Saluzzi viel daran, auch mit seinem Publikum zu sprechen. Seine Themen fügen sich an die tiefgründige Musik an: Er spricht davon, dass Vielfalt wichtig für die Menschen ist, dass es erwiesen ist, dass wir nur glücklich sind, wenn wir andere Menschen um uns haben. Dass wir überleben wollen, dass wir wohlhabend sein wollen, aber dass das maßvoll bleiben muss. Spielt er auf den aktuellen Umgang mit Flüchtlingen in Europa an? Und er spricht natürlich vom Tango. Wo die Seele des Tangos ist, das will er unbedingt erklären. Er demonstriert es an seinem Instrument: Wenn man bekannte Tango-Melodien so spielt, wie sie auf dem Notenblatt notiert sind, streng im Metrum und tanzbar, dann „ist der Tango tot“, sagt Saluzzi. Damit der Tango seelenvoll klingt, muss man sich von der Melodie verführen lassen, „ein bisschen rubato“, also freier spielen, erklärt er und lässt dasselbe Stück nochmal anklingen, aber diesmal mit seiner ganzen Interpretationsstärke. Anja Lechner fällt wieder ein und schon erklingt das nächste packende Stück. Das Publikum zeigt sich beeindruckt und verleiht seiner Wertschätzung mit langem Applaus Ausdruck.