Schrobenhausen
Auf der Suche nach dem verlorenen Kyrill

Die Geschichte eines Phantoms: In Schrobenhausen wurde einst das sogenannte Vergaserpferd zum Exportschlager

28.11.2019 | Stand 02.12.2020, 12:30 Uhr
  −Foto: Thomas Hanna/SZ

Schrobenhausen (SZ) Wussten Sie, dass der Unterdruck im Ansaugrohr Ihres Autos sowohl über den Zustand des Motors wie auch über die Wirtschaftlichkeit der Fahrweise Aufschluss gibt?

Auch nicht? Ist aber offenbar so. Und genau das machte sich in den 50er Jahren die Firma Schreitmüller aus Schrobenhausen zunutze und entwickelte ein legendäres Bauteil: Kyrill, das Vergaserpferd. Es wurde damals offenbar in die ganze Welt exportiert. Geblieben ist davon nichts. Die Fabrikation, das Schrobenhausener Neho-Werk, ist wie vom Erdboden verschluckt.

Ein Ingenieur aus der Nähe von München hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Geschichte von Kyrill neu zu schreiben. Wolfgang Hildebrand heißt der Mann, der einiges in Bewegung gesetzt hat, um den Nachfahren des Herstellers von damals zu begegnen, aber die Spur verliert sich im Nichts.

Dabei waren Kyrill und das Neho-Werk seinerzeit ein Hit. Für 24 Mark 50 bekam man Kyrill mit allem Drum und Dran. Das Pferdchen war in schwarz, rot und in hellgrün erhältlich, wurde auf dem Armaturenbrett montiert und machte das, was heute die Pfeile im Display übernehmen, die den Autofahrer auffordern, in einen anderen Gang zu schalten.

Die Zeitschrift "Auto, Motor und Sport" beschrieb das im September 1954 so: "Nun ist es aber nicht jedermanns Sache, sich komplizierte Bordinstrumente ins Auto bauen zu lassen, zumal dann nicht, wenn er sie als Laie kaum recht abzulesen versteht. So ist es eine zweifellos originelle Idee der Firma Schreitmüller in Schrobenhausen, statt eines nüchternen Instruments eine niedliche kleine Pferdekarikatur zu präsentieren, die den gleichen Zweck erfüllt. " Später im Text heißt es: "Es wackelt mit dem Schwänzchen, nickt mit dem Köpfchen, neigt sich und legt sich". Sackte Kyrill in sich zusammen, wusste der geneigte Autofahrer: Jetzt schinde ich den Motor. Stand Kyrill aber stolz und erhobenen Hauptes da, war alles gut. Hinter Kyrill stand "G. Schreitmüller". Nicht einmal auf den Vornamen lassen sich in Archiven verbindliche Rückschlüsse ziehen. In einem Dokument taucht ein Gottfried Schreitmüller auf, ganz sicher ist aber auch das nicht.

Zeitungsinserate lassen vermuten, dass es sich eigentlich um eine Schlosserei handelte, die jener mutmaßliche Gottfried Schreitmüller seinerzeit betrieb, irgendwo zwischen Königslachener Weg und Hanfröste im Schrobenhausener Industriegebiet, dort, wo sich heute die Ytong-Hallen befinden. 1980 wurde das Unternehmen gelöscht. Schreitmüllers, die mit der Firma in irgendeiner Weise zu tun haben könnten, gibt es zumindest im Telefonbuch nicht mehr in der Region.

Auch Profis aus der Oldtimer-Branche wie Thomas Hanna aus München tun sich schwer, etwas über die Menschen hinter Kyrill in Erfahrung zu bringen. Hanna ist einer von wenigen, der aktuell über Exemplare des Pferdchens verfügt. Sein erstes hatte er, wie er berichtet, vor ein paar Jahren auf einem Flohmarkt ergattert, das sprach sich schnell herum. Eines Tages rief jemand bei ihm an, der ihm einen vierstelligen Betrag bot, wenn er es ihm nur abkaufen könne. "Das war eine herzzerreißende Geschichte", erinnert sich Sammler Thomas Hanna. Der Mann habe ihm erzählt, dass er als Fünfjähriger Papas Kyrill in dessen Auto kaputtgemacht habe. Und nun liege der Vater auf dem Sterbebett; indem er ihm ein Kyrill-Pferdchen schenkt, wolle er die offene Wunde von damals schließen. Hanna ließ sich zum Verkauf erweichen - so schnell er ein Kyrill-Pferdchen aus Schrobenhausen gewonnen hatte, so schnell war es auch wieder zerronnen.

Mittlerweile allerdings gingen mehrere Exemplare durch seine Hände. Die Spurensuche hat er ebenso wenig aufgegeben wie der Ingenieur Hildebrand. Bisher mit wenig Erfolg. Vielleicht klappt's ja jetzt? Wer kennt Nachfahren der Familie Schreitmüller? Oder jemanden, der in den Neho-Werken gearbeitet hat? Gerne per Mail an redaktion@schrobenhausenerzeitung. de oder telefonisch unter (08252) 89 54-0.