Ingolstadt
Auf der Sonnenseite der Altstadt

Corso-Wirt Sandro Montuori und Edeka-Händler Frank Wendler über den Charme der Theresienstraße

14.09.2018 | Stand 02.12.2020, 15:40 Uhr
Viele schöne Lokale: Wilhelm Randelsacker lässt es sich gut gehen. −Foto: Hammer

Ingolstadt (DK) Das Ansinnen des DK, die Theresienstraße für die Serie "Brennpunkt Innenstadt" zu inspizieren, löste bei einigen potenziellen Gesprächspartnern zunächst leichte Irritation aus.

"Wieso? ", lässt sich die Reaktion sinngemäß zusammenfassen "Bei uns brennt doch nix! " Im Gegenteil. Hier perlt das entspannt-urbane Leben in reizvollem Ambiente; bis dann die Ludwigstraße beginnt. Die Theresienstraße gilt als die schönste Straße der Stadt. Kritische Lokalpatrioten merken hier indes an, sie sei die einzige wirklich schöne Straße in Ingolstadt.

Zwei bekannte Gesichter der Theresienstraße haben ihre Läden direkt gegenüber und helfen einander gern: Sandro Montuori eröffnete 2007 die Bar Corso Italia. 2016 machte er nebenan ein Feinkostgeschäft auf, heuer kam sein zweites Café dazu: das Nero, ebenfalls an der Theresienstraße. Frank Wendler betreibt seit 2013 im kernsanierten Theresiencenter seinen Edeka-Markt. Ein Straßengespräch.

Meine Herren, wir sitzen hier ja eigentlich auf Parkplätzen. Als 2014 die Sommer-Winter-Regelung kam, also Parkverbot von April bis Oktober zugunsten der Außengastronomie, haben Sie, Herr Wendler, das sehr begrüßt und gleich Ihre Café-Terrasse erweitert. Das können viele nicht fassen. Ein Geschäftsmann, der es gut findet, das halbe Jahr keine Parkplätze direkt vor dem Laden zu haben! Damit stehen Sie in Ingolstadt ziemlich alleine da.

Frank Wendler: Wir hatten anfangs schon ein paar Außenplätze. Gegen die Sommer-Winter-Regelung hatte ich nichts, weil die Parkplätze nicht primär von unseren Kunden belegt waren. Wir haben hier im Haus auch viele Ärzte. Die haben durchaus gern Parkplätze. Gestartet sind wir damit, dass wir gesagt haben: Für das Theresiencenter sind Parkplätze sinnvoll. Für meinen Markt benötige ich sie nicht, denn es setzt sich kaum jemand in Zuchering ins Auto und fährt dann hierher, um vor unserer Tür zu parken und bei mir einzukaufen.

Es ist eine Frage, die sich bei allen Innenstadtmärkten stellt: Wie bringen die Kunden ihre Einkäufe nach Hause, wenn sie vor dem Laden nicht parken können?

Wendler: Die Kunden tragen halt das, was sie tragen können. Dafür kommen sie öfter. Wir haben ein hohes Maß an Stammkunden. Viele kommen täglich und nehmen das mit, was sie an dem Tag essen - was eine sehr schöne Kundenbeziehung ist!

Thomas Deiser, der Vorsitzende des Vereins IN-City, berichtet, dass sich seit der Eröffnung Ihres Edeka-Markts die Frequenz in der Theresienstraße verdoppelt habe. Was sagen Sie dazu?

Wendler: Schön, wenn's so ist! Ich war vorher nicht da. Ich kann nur sagen, dass wir jeden Tag viele Kunden haben.

Herr Montuori, Sie sind seit 2007 Wirt an der Theresienstraße. Welche Entwicklung haben Sie bis heute beobachtet?

Sandro Montuori: Es sind sehr viele Leute mehr geworden, die herkommen. Als ich mein Lokal aufgemacht habe, war die Theresienstraße wie ausgestorben. Ich habe überall in der Stadt einen Laden gesucht. Ich war auf den Holzmarkt und die Harderstraße konzentriert. Aber dann hat ein alter Freund zu mir gesagt: "Vergiss den Holzmarkt! Vergiss die Harderstraße! Wenn du ein Lokal aufmachen willst, musst du in die Theresienstraße, denn die wird die Zukunft sein. Da habe ich mir gedacht: Gut, dann eben die Theresienstraße.

Inzwischen betreiben Sie hier schon zwei Lokale und einen Laden. Was kommt als nächstes?

Montuori: Momentan gibt's keine Pläne. Aber wenn es in der Ludwigstraße einen attraktiven Laden gibt, warum nicht?

Was? In der Ludwigstraße?

Montuori: Ja. Die Stadt hat ein großes Potenzial. Sie wird immer besser! Auch jetzt mit dem Primark, da kommen bestimmt neue Geschäfte. Und nach dem Umbau der Ludwigstraße wird es dort noch besser.

Wie wichtig sind Parkplätze vor dem Lokal für einen Wirt?

Montuori: Gut, wenn wir über Schönheit reden, würde ich sagen: Parkplätze weg! Aber wenn wir über Bewegung reden, über Frequenz, brauchen wir Parkplätze. Früher waren die Parkplätze auf der Theresienstraße wichtiger. Da konnte man noch in der Mitte parken (bis 2013, d. Red. ), doch schön sah das nicht aus. Inzwischen sind die Parkplätze nicht mehr so wichtig. Es ist sehr schön so, wie es jetzt ist!

Was ist für Sie der größte Unterschied zwischen der Theresienstraße und der Ludwigstraße?

Wendler: Ich komm' ehrlich gesagt meistens gar nicht so weit. Am Schliffelmarkt ist oft schon Schluss. Zum Kaufhof gehe ich öfter mal rüber, weil ich da fast alles bekomme, aber es ist dann schon ein Stück weit weg.

Dort im Osten der Ludwigstraße ist auch nicht gerade viel los.

Montuori: Wenn nach der Sanierung am Ende der Ludwigstraße Gastronomiebetriebe aufmachen, kann das die zweite Theresienstraße werden! Das muss man immer positiv sehen.

Was macht für Sie den größten Reiz der Theresienstraße aus?

Wendler: Es ist was los hier! Es ist ein Platz, wo die Leute sind, wo Frequenz herrscht. Und diese Frequenz zieht auch wieder andere Leute an. Wenn das Wetter passt, gehen viele schauen, wer so alles da ist und was so los ist. Auch sonntags. Zum Flanieren und Kaffee trinken ist die Theresienstraße ein guter Platz.

Spätestens seit Sie mit dem Nero im ehemaligen Tabakwarenladen Tropschuh ihr zweites Café eröffnet haben, hört man häufig: Die Theresienstraße werde zur zweiten Dollstraße. Immer mehr Lokale und immer weniger Geschäfte. Jetzt will Augustiner in das alte Illinger-Haus. Nicht jeder findet diese Entwicklung gut.

Montuori: Links und rechts Gastronomie - ist doch schön!

Wendler: Ich kann da einen Einzelhändlerkollegen zitieren. Als wir hier den Edeka-Markt aufgemacht haben, hat er sich zuerst geärgert, weil er gedacht hat, wir nehmen ihm das Geschäft weg. Aber jetzt, sagt er, profitiert er von der Frequenz und verkauft mehr als zuvor. Deshalb kann ich nur sagen: Macht Einzelhandelsgeschäfte in der Theresienstraße auf! Dann haben wir diese Diskussion gar nicht.

Sie beide haben schon einiges erlebt. Wie war das zum Beispiel genau mit dem Lastenfahrrad?

Wendler: Ich habe ein chinesisches Lastenfahrrad, mit dem wir zeitweise ausliefern. Das war vor dem Geschäft angeschlossen. Und irgendwann war's weg. Ich war daheim, und der Sandro hat mein Rad nachts auf der Donaubrücke entdeckt - mit den Leuten, die es geklaut hatten.

Montuori: Das war in der Früh um vier Uhr. Ich habe es sofort erkannt, denn das Rad vom Frank gibt es nur ein Mal in Ingolstadt. Ich habe angehalten und gerufen: Her mit dem Fahrrad! Da sind die gleich weggelaufen. Dann habe ich mein Auto geparkt, habe das Rad zurück in die Theresienstraße gefahren und bin dann wieder zu meinem Auto auf der Brücke gelaufen.

Wendler: Der Sandro wusste erst nicht wohin mit dem Rad, mitten in der Nacht. Deshalb hat er es im Hotel Adler abgestellt. Die haben mich am nächsten Tag angerufen. Erst da habe ich erfahren, dass mein Rad weg war und der Sandro es gerettet hat. Ein schönes Beispiel für Nachbarschaftshilfe!

Allerdings. Haben Sie beide noch irgendwas gemeinsam vor?

Wendler: Vorerst nicht. Gut, der Sandro sagt, dass wir Pizza backen sollen. Aber zunächst kühle ich mal weiter seine Getränke.

Das Gespräch führte Christian Silvester.
 
Jahrelanger Kampf um die "heiligen Parkplätze"
Noch mehr als das rollende scheint viele Kraftfahrzeugfans das ruhende Auto zu bewegen; anders sind die harten Auseinandersetzungen um Parkraum in Ingolstadt vermutlich nicht zu erklären. 
Die Kämpfe auf der Theresienstraße währten besonders lang und unerbittlich. "Weg mit allen Parkplätzen! ", forderten Grüne, SPD und weitere Anhänger des gepflegten Flanierens. "Um Gottes willen nein! ", ächzten die Händler in der Theresienstraße und malten düstere Bilder von Not und Ödnis, sollten Parkplätze wegfallen.

2008/2009 wurde die Straße umgebaut und erhielt ein neues Pflaster. Jetzt durfte man in der Mitte parken. Das führte zu einer eigentümlichen Form des Kreisverkehrs: Ständig umrundeten und umrundeten und umrundeten zig Suchende auf der Jagd nach der entscheidenden Lücke die 22 geparkten Autos, die wie ein Sperrriegel aus Blech die Prachtstraße durchtrennten. Immer mehr Bürger klagten: "Typisch Ingolstadt. "

Einer von ihnen, Alois Finkenzeller, donnerte Ende 2012 in einer neuen Gruppierung namens Bürgergemeinschaft Ingolstadt: "Diese 20 heiligen Parkplätze beleben nichts, die zerstören nur! " Die heterogene Bewegung der Mutbürger, wie man sie anfangs nannte, nahm auf der Theresienstraße viel Anlauf. Ach ja: 2013 kamen die Parkplätze wieder weg.