Ingolstadt
Auf den Leib geschrieben

Wenn in Bad Hindelang die Weihnachtsoper "Stille Nacht" über die Bühne geht, sind die Schanzer Kosaken mit dabei

09.07.2019 | Stand 23.09.2023, 7:42 Uhr
Die Vorbereitungen laufen: Produktionsleiterin Brigitte Weber, Sigi Heinrich, Vitus Brosinger, Karl Huber, Karl Hünermann, Josef Bauch, Rupert Brosinger, Angelika Rücker und Ralf Ludewig. −Foto: Hammerl

Ingolstadt/Hindelang (DK) Die Melodie ging um die Welt und erlebte vergangenes Jahr anlässlich ihres 200. Geburtstages besondere Aufmerksamkeit.

"Kein anderes Lied bringt so viel Gefühl mit", sagt Brigitte Weber über das Weihnachtslied "Stille Nacht, Heilige Nacht". Es hat die gebürtige Karlshulderin schon immer tief berührt, so dass sie im Jahr 2011 die Entstehungsgeschichte des von Hilfspfarrer Joseph Mohr geschriebenen und von Lehrer Franz Xaver Gruber vertonten Liedes recherchiert hat. "Es gab Filme, Theater, aber niemand hatte sich bislang daran gewagt, es musikalisch umzusetzen", schildert sie ihre Motivation, "mir ging es immer darum, der wahren Geschichte nachzuspüren". Der tragischen Geschichte des Hilfspfarrers Mohr, der es als uneheliches Kind schwer hatte, dessen Talent aber glücklicherweise einem Pfarrer auffiel, der ihn förderte. Weber schrieb 20 Liedtexte, arbeitete drei bekannte Weihnachtslieder ein, die Schlüsselarie für den Waisenjungen Vitus schrieb ihr Sohn Philipp.

Heraus kam das Libretto für die Hindelanger Weihnachtsoper "Stille Nacht", das die Münchner Komponisten Ludwig Thomas und Marco Hertenstein vertonten. "Sie bestanden darauf, dass ich jeden Samstag nach München kam und ihre Musik abnahm", erzählt Weber. Nach vier Monaten waren die Melodien zu den Texten fertig, die sie "aus dem Gefühl heraus für jedermann, nicht unbedingt für klassische Opernbesucher" geschrieben hatte. "Die Stücke sind eingängig und sängerfreundlich in bequemer Lage komponiert", findet der musikalische Leiter Ralf Ludewig, ehemals Leiter des Tölzer Knabenchors.

Aufgeführt wird die Volksoper seit 2013 während des Hindelanger Weihnachtsmarktes am ersten und zweiten Adventswochenende. Alljährlich sind die zwölf bis 15 Vorstellungen ausverkauft und locken Gäste aus ganz Deutschland in den 5000-Einwohnerort im Oberallgäu. Wer "Stille Nacht" miterleben will, muss sich beeilen, Hotelzimmer sind oft frühzeitig ausgebucht, der Kartenvorverkauf läuft seit Dezember. Seit einigen Jahren werden auch aus der Region Busreisen dorthin organisiert, den Anfang machte einst der Gewerbeverband Donaumoos unter dem damaligen Vorsitzenden Erich Kugler. "Das war unser erster Bus überhaupt", erinnert sich Weber, die seit 1984 in Hindelang lebt.

Weshalb die Schanzer Kosaken von Anfang an fester Bestandteil der Weihnachtsoper sind. "Ich konnte mir keinen anderen Chor für die Salzachschiffer vorstellen, weil ihr singen könnt und alle gut ausseht", sagt sie augenzwinkernd in die Runde der Kosaken, die sich mit ihr und Ludewig zur Vorbesprechung in Weichering getroffen hat. "Das merke ich mir", versichert ihr Chorleiter Josef Bauch, der bis 2016 selbst mitgesungen hat und die Sänger ausgewählt hatte. Noch heute trägt ein Salzachschiffer den Namen Josef, auch wenn ihn nun ein Hindelanger darstellt. Text wie Musik der Schiffer wurden den "Charakterköpfen der Schanzer Kosaken" (Weber) auf den Leib geschrieben. Dazu waren beide Komponisten zu einem Konzert im russischen Generalkonsulat gegangen, um sich persönlich davon zu überzeugen, dass die Ingolstädter die perfekte Besetzung für die Salzachschiffer seien. "Sie waren begeistert von unserem Stil und versprachen uns, sie hätten genau die richtigen Töne für uns", sagt Bauch.

Der Kontakt geht noch auf jene Zeit von 1993 bis 2008 zurück, als die Schanzer Kosaken Veranstalter und Sänger des Pathos "Heilige Nacht" mit Enrico de Paruta als Sprecher waren. Weber wurde dadurch auf den Chor aufmerksam und buchte ihn ab 2006 mit bairischen, deutschen und russischen Weihnachtsliedern für ihren Erlebnisweihnachtsmarkt. Als "Stille Nacht" dann 2013 uraufgeführt wurde, sangen ausschließlich Schanzer den Chor der Salzachschiffer einschließlich der Soloeinlagen. Ab 2016 reduzierten sie ihr Engagement auf ein Wochenende, am anderen übernehmen Hindelanger Sänger die Chorrollen - mit Ausnahme der Schiffer Vitus (Brosinger), und Hannes (Eckerlein), die bei allen Aufführungen dabei sind. Das Ensemble besteht aus Profis wie dem Regensburger Musikprofessor Christian Maria Schmidt in der Rolle des bösen Pfarrers Nässler und BR-Sprecher Johannes Hitzelberger als Lehrer Franz Xaver Gruber sowie ambitionierten Amateuren. Neben dem Schifferchor spielt der Hindelanger Kinderchor, verstärkt durch Solisten des Münchner Knabenchors, eine tragende Rolle als Ostrachtaler Hirtenkinder.

Die Produktion mit mehr als 100 Aktiven braucht Vorlauf, kostet Zeit und Kraft. Weber, die im Jahr 2002 den Hindelanger Erlebnisweihnachtsmarkt ins Leben rief und seitdem organisiert, will heuer in ihre letzte Runde als Organisatorin und Produktionsleiterin gehen: "Ich gebe nächstes Jahr mein Amt als Vorsitzende der Bürgergenossenschaft ,Wir für Hindelang' ab. "

Karten gibt es unter https://ticket. stille-nacht-weihnachtsoper. de

Andrea Hammerl