stadtgeflüster
Auf dass das Haus wieder voll werde

19.12.2019 | Stand 02.12.2020, 12:21 Uhr

Seit Jahren hören wir, dass die Kirchen Mitglieder und die Gottesdienste Besucher verlieren.

Da geht dem christlichen Abendland also Substanz verloren, und mancher Pfarrer, Pastor oder Bischof, der von der Kanzel auf immer spärlicher besetzte Bänke blickt, mag sich grämen und mit Schaudern daran denken, wie das noch alles enden mag - vielleicht ist er eines Tages in seinem Kirchlein oder Dom noch ganz allein festen Glaubens unterwegs und blickt in einen beständig leeren Klingelbeutel.

Aber halt! Jetzt ist erst mal ein großes, ach was, das größte Fest der Kirche angesagt, und die sogenannten Weihnachtschristen werden die Bänke schon füllen - also Heiligabend doch bestimmt. Bereits in der Adventszeit ist offenbar ein merklich ansteigendes Interesse an andächtigem Innehalten in geweihten Räumen zu bemerken, denn - und das darf in einer Autostadt nicht vollends überraschen - in der unmittelbaren Umgebung innerstädtischer Kirchen gehen zu den Gottesdienstzeiten offenbar die Parkplätze aus. Zumindest rund um Franziskaner- und Matthäuskiche scheint, wenn die Glocken die Christenheit zusammenrufen, kaum noch ein Stellplatz frei zu sein.

Jedenfalls berichtete uns jetzt eine Schanzerin, dass ihr Fahrzeug zuletzt auf dem Josef-Strobl-Platz, wo sie es vor dem sonntäglichen Besuch der Franziskanerkirche regelmäßig abstellt, von anderen Autos regelrecht eingekesselt worden ist. "Hochkarätige Limousinen", so schreibt sie, seien da ringsum geparkt gewesen und es sei praktisch nichts mehr vor und nichts mehr zurück gegangen. Als Verursacher stehen bei der Frau Besucher der benachbarten Matthäuskirche in Verdacht, aber nichts Genaues weiß man natürlich nicht.

"Mit der Achtsamkeit einiger christlicher Gottesdienstbesucher gegenüber Mitmensch und Natur scheint es nicht weit her zu sein", folgerte unsere Mitbürgerin aus ihrem Erlebnis - anstatt sich darüber zu freuen, dass es endlich mal wieder voller wird in den Tempeln des Herrn. Da sieht man eben, dass es selbst im brüderlichen oder schwesterlichen Miteinander schnell zu Verwerfungen kommen kann, wenn erst mal das Auto ins Spiel kommt. Teufelszeug, irgendwie!

Andererseits eröffnet das Geschilderte auch Perspektiven: Wer weiß, wie viele Leute häufiger in die Kirche kommen würden, wenn man nur nah genug an sie heran- oder, besser noch, in sie hineinfahren könnte? Wer in Ingolstadt das erste kirchliche Drive-in eröffnet, hat womöglich schon auf mittlere Sicht wieder ein volles Haus. So im Vorbeirollen am Altar einen Bibelvers aufschnappen, vielleicht auch mal den Blinker setzen und ein paar Minuten der Predigt lauschen - das hätte doch was. Also zumindest die Katholen könnten da eigentlich nichts dagegen haben. Dort, wo man gelegentlich sogar Autos segnet, wird man einen kleinen Verkehrsstau im Kirchenschiff sicher spielend bewältigen.

hl