Neckarsulm
Audi hakt die Ära Piëch ab

Aktionäre interessieren sich mehr für ihre Dividende als für die Personalquerelen im Konzern

22.05.2015 | Stand 02.12.2020, 21:16 Uhr
Mit einem lokalen Planungsteam will Audi das Fahr- und Präsentationsgelände in Neuburg bauen. −Foto: Webel

Neckarsulm (DK) Bei Audi ist eine Ära zu Ende gegangen, doch die Aktionäre der Ingolstädter VW-Tochter haben den überraschenden Abschied von Ferdinand Piëch offenbar schon abgehakt. Nein, die Anteilseigner haben bei der Hauptversammlung am Freitag in Neckarsulm mehr ihre Ausgleichszahlung im Blick als die jüngsten Erschütterungen an der Spitze des Wolfsburger Autokonzerns.

Und nein, er ist nicht gekommen: Ferdinand Piëch fehlt beim Aktionärstreffen von Audi, ebenso seine Frau Ursula. Dabei saßen sie bis vor knapp vier Wochen noch im Kontrollgremium des Ingolstädter Autobauers. Dafür präsidiert jetzt VW-Boss und Audi-Aufsichtsratschef Martin Winterkorn sichtlich entspannt der Hauptversammlung im Neckarsulmer Audi-Forum. Er hat den Kampf um die Macht bei Europas größtem Autohersteller für sich entschieden und Piëch alle seine Ämter im Konzern niedergelegt – wie auch seine Frau Ursula. Für den genialen Techniker, der über gut vier Jahrzehnte erst die Ingolstädter VW-Tochter, dann das ganze Wolfsburger Automobilimperium prägte, und seine „außerordentliche Lebensleistung“ gibt es von Winterkorn und den Kleinaktionären noch ein paar warme Worte des Dankes. Damit ist das Thema aber schon durch.

Weitaus wichtiger für die Anteilseigner der – mit Porsche – gewinnträchtigsten Volkswagen-Tochter ist wie seit Jahren ihre Gewinnbeteiligung. So kritisiert Felix Schneider von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) die Ausgleichszahlung von 4,80 Euro je Aktie an die gerade noch 0,5 Prozent freien Anteilseigner der Audi AG „als viel zu gering“. Mit einer Ausschüttungsquote von 4,7 Prozent, so rechnet er vor, missachte der Wolfsburger Audi-Mutterkonzern die „Interessen der freien Aktionäre“. BMW schütte 33 Prozent des Gewinns aus, Daimler 36 Prozent und selbst Volkswagen 21 Prozent.

In die gleiche Kerbe schlägt Andreas Preis von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), und der Kleinaktionär Hilmar Krepp will wegen der mageren Ausschüttung sogar Vorstand und Aufsichtsrat nicht entlasten. Mit dem entsprechenden Antrag fällt er freilich durch: Volkswagen hält immerhin 99,55 Prozent der Audi-Anteile mit einer entsprechenden Übermacht an Stimmrechten. Aber durch die Blume droht er bereits mit rechtlichen Schritten gegen die „ungleiche Behandlung der Kleinaktionäre“ bei Audi an.

Ansonsten ist während des Aktionärstreffens viel vom technischen Fortschritt und vom Siegen die Rede. Audi-Vorstandschef Rupert Stadler kassiert für seine Erfolgsbilanz 2014 reichlich Lob und Dank der Kleinaktionäre. So preist etwa Mario Rosetti: „Audi war auch 2014 wieder eine Gewinnmaschine.“ Und so verspricht der Herr der Ringe für das laufende Jahr mehr verkaufte Autos und auch ein leichtes Umsatzplus – also „neue Bestmarken“. Wegen der weiterhin immensen Investitionen in Zukunftsprojekte und neue Standorte – 2016 nehmen die Fabriken in Mexiko und Brasilien ihren Betrieb auf – wird die operative Umsatzrendite dem Erlöswachstum voraussichtlich nicht Schritt halten, immerhin aber „im Zielkorridor von acht bis zehn Prozent“ liegen, wie Finanzvorstand Axel Strotbek nachschiebt. Im vergangenen Jahr hatte Audi weltweit die Rekordzahl von gut 1,7 Millionen Autos verkauft, damit 53,8 Milliarden Euro erlöst und ein operatives Ergebnis von 5,15 Milliarden Euro eingefahren.

Trotz der Aussicht auf neue Spitzenwerte mahnt Stadler: „2015 wird für unsere Branche nicht einfach.“ Schon das vergangene Jahr sei „kein Selbstläufer“ gewesen. Dennoch zeigt sich der Audi-Chef zuversichtlich für das laufende Jahr, nachdem das 1. Quartal trotz der sichtbar schwächeren Marktentwicklung in China bereits neue Absatz- und Umsatzerfolge gebracht hat.

Nicht nur „die zweite Stufe unserer Modelloffensive“ soll den in Aussicht gestellten nötigen Schub bringen, sondern auch die konsequente „Digitalisierung und Vernetzung“ nicht nur der eigenen Fabriken, sondern vielmehr noch des Produkts Auto an sich – und Audi im Besonderen. Stadler: „Unsere Mission ist das hochgradig vernetzte, extrem effiziente, leistungsstarke Automobil.“

Dazu beitragen soll eine neue Kooperation von Audi mit dem chinesischen Online-Konzern Baidu und dem Netzwerkanbieter Huawei. Zweck der Kooperation: Die Kunden im Reich der Mitte sollen mit digitalen Karten präziser im Lande navigieren und zudem ihre Smartphones in ihrem Audi durch die Plattform Baidu CarLife besser integrieren können. „Das Auto“, so Stadler, „wächst über sich hinaus.“ Und verspricht Aktionären wie Kunden: „Künftig können Sie vom Cockpit aus Ihr Leben und Arbeiten steuern.“ Derweil steuert sich das Auto selbst. Bereits in zwei Jahren soll es so weit sein.

Die Aktionäre, von denen freilich keineswegs alle in einem rollenden Computer transportiert werden wollen, staunen und merken: Audi sitzen nicht nur IT-Riesen wie Google und Apple im Nacken, sondern offenbar immer noch der Technikfreak Ferdinand Piëch.