Auch ohne Hymne eine fast perfekte EM

21.05.2007 | Stand 03.12.2020, 6:44 Uhr

Regensburg (SZ) Albert Walter hatte einen großen Traum: Als strahlender Sieger bei den Europameisterschaften 2007 die deutsche Nationalhymne hören zu dürfen – das wär’s gewesen. Aber nichts da, die Musikanlage blieb in dieser Hinsicht still. Und das, obwohl der Eulenrieder letztlich sogar zwei Titel holte!

Dementsprechend die momentane Gemütsverfassung des 67-Jährigen: Er strahlt wie ein Honigkuchenpferd, kann seinen Riesenerfolg vom vergangenen Wochenende immer noch nicht so recht fassen. Fangen wir an mit Goldmedaille Nummer eins in seiner Altersklasse M 65: Die ergatterte er als Mitglied des deutschen Teams beim 10 000-Meter-Lauf auf der Straße. Um überhaupt in die Mannschaft zu kommen, musste er ja zumindest Drittbester seines Landes werden - kein leichtes Unterfangen!

Bei starkem Regen fightete Albert Walter jedoch vorbildlich und taktisch ausgesprochen klug. So erkannte er schnell, dass eine fünfköpfige Spitzengruppe an diesem Tag zu schnell für ihn unterwegs war, und sparte deshalb seine Kräfte für einen Zweikampf um Position sechs. Sein Konkurrent hierbei: Horst Backes aus dem Saarland. Und da der spätere Gewinner Peter Lessing (LG Ortenau) sowie Ömer Sirin (TSG Schnaitheim) sich ganz vorne im Feld befanden, ging es in jenem Duell definitiv um alles für den Eulenrieder: entweder Rang sechs und somit Gold in der Mannschaftswertung als dritter Läufer für Deutschland, oder "nur" die undankbare Position sieben und hierdurch das Verpassen des begehrten Platzes im schwarz-rot-goldenen Team.

Albert Walter fühlte sich gut, wollte in der sechsten von insgesamt neun Runden seinem Kontrahenten enteilen. Dumm jedoch für ihn, dass es nicht gelang! Horst Backes klebte weiterhin an den Fersen des Eulenrieders, und nun begann endgültig das große Geduldspiel: Wer verliert als Erster die Nerven? Wer wagt die nächste Attacke? Und so ging es Meter für Meter durch die extrem nassen Straßen in Regensburg.

Albert Walter verzichtete schließlich auf einen weiteren Fluchtversuch, vertraute ganz seiner Spurtstärke. Eine gute Entscheidung, wie sich am Ende zeigte: Im Auslauf der letzten Runde zog der Mann aus der Gemeinde Hohenwart unwiderstehlich an, und etwa 150 Meter vor dem Ziel brach er damit seinem Konkurrenten von der Saar endgültig das Genick. Mit einer Laufzeit von 40:34 Minuten wurde Albert Walter schließlich Sechster – zwar 1:52 Minuten hinter dem Sieger, aber eben als drittbester Deutscher. Und somit ging der Teamtitel auch an ihn. Zweiter im Einzel wurde übrigens der Österreicher Ewald Schaffer (39:03) vor dem Slowaken Vincent Basista (39:29), Bei den Mannschaften wurde Österreich Zweiter vor Spanien.

Damit nicht genug! Der Eulenrieder wurde durch diese Topleistung auch noch in die deutsche Cross-Staffel berufen, die dann zwei Tage später ebenfalls in Regensburg um EM-Medaillen kämpfte. Über drei Mal zwei Kilometer ging es hierbei, und die Bundesrepublik mit Ömer Sirin als Startläufer, Albert Walter an Position zwei und Peter Lessing als Schlussathleten lief den Rest schließlich in Grund und Boden! Nach 24:40 Minuten waren die Deutschen im Ziel – 49 Sekunden vor der zweitplatzierten Schweiz, stolze 5:53 Minuten vor den Bronzegewinnern aus Großbritannien.

Vor allem der Eulenrieder zeigte sich in dieser Konkurrenz in Galaform – obwohl ihm Läufe auf der Straße eigentlich lieber sind als Cross-Wettbewerbe. So etwas wie Müdigkeit verspürte er zwei Tage nach dem ersten EM-Rennen nicht: "Durch das erste Gold war so eine Riesenmotivation da, da musste ich doch einfach noch einmal schnell laufen." Schade nur für ihn, dass dann die Hymnen ausblieben.