Auch Obdachlose sollen daheim bleiben

In Ingolstadt sind derzeit 183 Wohnsitzlose untergebracht - Einschränkungen wegen Corona gelten für alle

20.03.2020 | Stand 23.09.2023, 11:19 Uhr |
Horst Richter
Ein Obdachloser sitzt am Straßenrand vor einem Ladengeschäft − Foto: Peter Kneffel/dpa

Ingolstadt - Die Corona-Krise hatte schon unter der Woche Verbote mit sich gebracht, seit diesem Samstag gilt in Bayern eine Ausgangsbeschränkung.

 

In den Landratsämtern der Region Ingolstadt hatte der eine oder andere Beschäftigte gehofft, die Entscheidung würde erst in der Nacht zum Montag fallen. "Wir wissen bisher noch zu wenige Details, uns fehlt eine Verfügung von oben", hieß es am Freitag. "Die Menschen rufen aber schon mit konkreten Fragen an, ohne dass wir ihnen Antworten geben können. " Eines ist sicher: Ab diesem Wochenende ist das Verlassen der eigenen Wohnung nur mit triftigem Grund möglich, etwa für die Fahrt zur Arbeit oder zum Einkaufen. Was aber machen Obdachlose in dieser Situation? In der Region Ingolstadt scheint für sie gut gesorgt zu sein, ergab eine Nachfrage.

Klar ist: "Für Obdachlose gelten die gleichen Vorschriften wie für alle Bürgerinnen und Bürger", sagte Ingrid Schmutzler, Sprecherin der Stadt Ingolstadt, unserer Zeitung. Derzeit seien in der Schanz 183 Personen in Notunterkünften untergebracht (Stand vom Dienstag). Fälle, in denen sich jemand weigere, einen solchen Schlafplatz anzunehmen, seien nicht bekannt. Es gebe Möglichkeiten, Infizierten in Quarantänefällen eine Einzelbelegung der Unterkünfte anzubieten. "Aktuell bestehen hierfür in Ingolstadt genügend Kapazitäten", erklärte Schmutzler. Erkranke ein noch nicht untergebrachter Obdachloser, sollte sein erster Weg ins Gesundheitsamt führen. Wer seine Bleibe plötzlich verliere, erhalte im Sozialamt Hilfe.

Wie es in den umliegenden Landkreisen aussieht, lässt sich schwer nachvollziehen, denn "grundsätzlich sind die Gemeinden und Städte für das Thema zuständig", erklärte Christian Degen vom Landratsamt in Pfaffenhofen. Von den Kommunen würden bisher aber keine Meldungen über fehlende Unterkünfte oder Probleme vorliegen. "Jeder, der was braucht, kriegt also einen Platz", versicherte Degen. "Es kann natürlich mal vorkommen, dass jemand freiwillig auf der Straße leben möchte. " Aber auch diese Menschen bekämen im Ernstfall jederzeit Hilfe. Mit den Ausgangsbeschränkungen werden sich diese Tippelbrüder und -schwestern aber nicht mehr so frei bewegen können, wie sie es gern möchten.

Im Kreis Neuburg-Schrobenhausen scheint sich ebenfalls alles im üblichen Rahmen zu bewegen, wenn es um wohnsitzlose Bürgerinnen und Bürger geht. Die Behörden behalten diese Gruppe in Sachen Corona jedoch im Blick: "Das Gesundheitsamt hat das Thema bereits aufgegriffen", ließ Landratsamtssprecherin Sabine Gooss wissen. Wie es im Raum Eichstätter aussieht, blieb am Freitag offen. Die Landkreisbehörde hat darüber laut Manfred Schmidmeier vom Büro des Landrats keine Erkenntnisse.

Das Gros der örtlichen Obdachlosen dürfte sich ohnehin im Regionalzentrum Ingolstadt aufhalten. Hier gibt es neben der behördlichen Unterstützung die Straßenambulanz St. Franziskus von Bruder Martin Berni, die er zusammen mit Oliver Markgraf und vielen ehrenamtlichen Helfern betreibt. "Normalerweise kommen 120 Leute am Tag zu uns, um zu essen oder sich medizinisch versorgen zu lassen. Auch duschen können sie bei uns", sagte Bruder Martin. "Jetzt sind es um die 50." Man habe seit voriger Woche viele in Notschlafplätzen oder Pensionen unterbringen können. Das übliche Zusammensitzen sei wegen der Corona-Krise nicht mehr möglich. "Dafür geben wir das Essen zum Mitnehmen aus, am Freitag haben wir außerdem Pakete fürs Wochenende verteilt, damit jeder versorgt ist. " Er sei dankbar für die Unterstützung, die er von allen Seiten erhalte.

Die Straßenambulanz in Ingolstadt nimmt die Corona-Krise sehr ernst. "Zustände wie in Italien dürfen wir hier nicht bekommen", sagte Bruder Martin. "Ich habe die Verhaltensregeln zur richtigen Hygiene kopiert und gebe die Blätter den Hilfsbedürftigen mit. " Wenn er allerdings aus dem Fenster schaut und sieht, wie manche sich trotz aller Verbote weiter treffen und Kontakte pflegen, als würden alle Warnungen nichts gelten, kann er nur in Unverständnis den Kopf schütteln. "Ich appelliere an alle, sich vernünftig zu verhalten. " Und er gibt die Hoffnung nicht auf: Vielleicht trägt diese Krise dazu bei, dass die Menschen allgemein wieder mehr Solidarität zeigen. "

DK

Horst Richter

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