Ingolstadt
Auch mit 90 noch nicht amtsmüde

Wochenmarkt: Kaufleute feiern Aufseher Rainer Bogisch - Er hat die Aufgabe als Rentner übernommen

20.11.2019 | Stand 23.09.2023, 9:33 Uhr
Ein großer Frühstückskorb und weitere Waren der Marktbeschicker waren für Marktaufseher Rainer Bogisch (am Tisch) gestern die Überraschung zum 90. Geburtstag, den er tags zuvor begangen hatte. Seit 26 Jahren ist er auf dem Wochenmarkt aktiv. −Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) "Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus": Eine Lebenseinstellung, mit der Rainer Bogisch stets gut gefahren ist.

So hat er seinen Dienst als Aufsicht beim Ingolstädter Wochenmarkt im Jahr 1993 - erst nach Erreichen des Rentenalters - begonnen. Damals war er von einem Reporter des DONAUKURIER nach seinen Vorsätzen gefragt worden. Gestern auf dem Wochenmarkt wiederholte der städtische Marktaufseher seine Aussage auf die Frage nach seinen Erfahrungen in den zurückliegenden 26 Jahren mit den gleichen Worten. Ganz in dem Sinn von "So wie man jemanden behandelt, reagiert dieser auch darauf". Der Anlass: Tags zuvor ist Rainer Bogisch 90 Jahre alt geworden. Und der ganze Wochenmarkt, der derzeit auf dem Rathausplatz stattfindet, feierte den betagten Jubilar.

Den Glückwünschen und Ausführungen der zahlreichen Gratulanten, unter ihnen auch Ingolstadts Oberbürgermeister Christian Lösel, zufolge muss Rainer Bogischs "Ruf in den Wald hinein" wohl durchweg positiv gewesen sein. Entsprechend nämlich fiel gestern das Echo darauf aus. "Immer freundlich, immer zuvorkommend", etwa lobte die erste Vorsitzende der Interessengemeinschaft der Marktbeschicker Ingolstadt, Karin Dauer, das hochbetagte Geburtstagskind. "Immer gut aufgelegt und niemals grantig", ergänzte Standbetreiberin Frenzi Moretti, um nur zwei von vielen ähnlich lautenden Stimmen zu nennen.

Moretti hatte außerdem ihr Akkordeon mitgebracht, zu dessen Klängen die Marktleute als gemischter Chor den sichtlich gerührten Rainer Bogisch mit einem aus voller Kehle gesungenen "Happy Birthday" hochleben ließen. Neben dieser Gesangseinlage überreichten die Standbetreiber außerdem einen stattlichen Geschenkkorb, der gar nicht ausreichte, um all die vielen Präsente aufzunehmen. Jeder hatte mit etwas von dem, was er auf dem Wochenmarkt als Waren anbietet, dazu beigesteuert.

Inzwischen waren auch zahlreiche Marktbesucher auf die kleine Geburtstagsfeier aufmerksam geworden und freuten sich mit dem Jubilar, als schließlich auch noch "So ein Tag, so wunderschön wie heute" erklang. Die meisten nehmen den Marktaufseher in der Regel erst wahr, wenn Rainer Bogisch zum Marktende mittags auf den Theaterplatz - oder wie jetzt auf den Rathausplatz - kommt, um nochmals nach dem Rechten zu sehen. In erster Linie nämlich ist Bogisch für die Marktbeschicker da. Jeden Samstag ab 6 Uhr früh auf dem Theaterplatz und freitags an der Gaimersheimer Straße sowie mittwochs ab 7 Uhr kümmert er sich darum, dass jeder seinen Platz hat und alles in Ordnung ist. Das heißt für den 90-Jährigen: früh aufstehen - in der Regel um 4.30 Uhr. Seine Begründung: "Weil ich nicht hetzen will und erst einmal in Ruhe Kaffee trinken mag. "

Danach geht es auf den Markt, wo er sich immer wieder freut, die in vielen Fällen seit Jahren und Jahrzehnten bekannten Gesichter zu sehen. Ein freundliches "Guten Morgen" hier, ein kleiner Ratsch da. Das ist es, was Rainer Bogisch so liebt an seinem Job. "Da komm ich unter Leute", sagt er.
Das schätzt er, und das umso mehr, seitdem er nach dem Tod seiner Ehefrau Elfriede, mit der er 58 Jahre verheiratet war, alleine lebt.

90 Jahre, da gibt es viel zu erzählen. Und das könnte der gebürtige Ingolstädter wohl stundenlang: von seiner Schulzeit an der St-Anton-Schule, von seiner Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann im Lebensmittelbereich, von seinen diversen Arbeitsstellen, die ihn für ein paar Jahre auch als Pendler nach München führten. Bis hin zu seinem letzten Arbeitsplatz, als er mit 57 Jahren die Poststelle im Ingolstädter Rathaus übernahm und dort bis zum Erreichen des Rentenalters Ende 1992 blieb.

Mit dem vollständigen Ruhestand sollte es allerdings nicht weit her sein. Schon 1993 wurde ihm seitens der Stadt die Stelle als Marktaufsicht, die es in dieser Form vorher nicht gegeben hatte, angetragen. Und Rainer Bogisch erinnert sich heute noch gut an diesen Anfang: "Ich hab' mir g'sagt, ich probier's halt mal".

Und er hat es nie bereut. Bis heute nicht. Darum denkt er auch nach seinem 90. Geburtstag vorerst nicht ans Aufhören. "Ich mach's halt, so lang ich kann", sagt er und denkt dabei vor allem an seine Gesundheit, die ihm anlässlich seines Jubeltages so viele Menschen möglichst lange gewünscht haben.

Stephan Boos