Eichstätt
Auch kirchlicher Beistand nützte nichts

27.10.2010 | Stand 03.12.2020, 3:31 Uhr

Leben und Lernen im Hotel: Hannelore Findeis startet vom Hotelzimmer aus ins erste Semester. Die 21-Jährige Psychologiestudentin aus Leipzig hat bisher noch kein anderes Zimmer oder eine Wohnung gefunden. - Fotos: ztt

Eichstätt (EK) Seit zwei Wochen laufen die Vorlesungen an Eichstätts Universität. Doch statt Prüfungen und Fachbüchern steht bei vielen Studenten derzeit immer noch ein ganz anderes Thema auf dem Stundenplan: Wohnungssuche. Auch zum Semesterstart sind viele Studienanfänger noch ohne feste Bleibe.

Hannelore Findeis ist froh und "extrem dankbar, dass ich hier etwas gefunden habe". Im Zimmer ist es warm, und sie kann ausgeschlafen zu ihren Psychologie-Vorlesungen an die Universität in Eichstätt gehen. Die 21-Jährige wohnt in einem Hotelzimmer in der Turmgasse, hat keine Küche und kühlt auf dem Fenstersims ihre Buttermilch und ihren Joghurt. Die Studienanfängerin hat erst Anfang Oktober einen Studienplatz für Eichstätt zugewiesen bekommen. Zu spät, um auf dem freien Wohnungsmarkt noch etwas zu finden.

Die Erfahrung machte auch Henry Lai. Der junge Journalistikstudent bekam bei seinen Anrufen bei Wohnheimen und privaten Vermietern immer dieselbe Auskunft: "Alles voll." Erst ab April könne es eventuell wieder Zimmer geben, vertröstete man ihn. Der 21-Jährige aus Hilpoltstein fährt seitdem täglich gut 80 Kilometer mit dem Auto, um seine Seminare besuchen zu können.

Eine Option, die für Michael Gellrich nicht in Frage kommt. Der 25 Jahre alte Psychologiestudent kommt aus Barcelona. Deshalb wohnt Gellrich nun auch in einem Gästezimmer. Seine Vermieterin, Elisabeth Gabler-Hofrichter, konnte sich vor Anfragen kaum retten. Eigentlich waren die Studenten auf der Suche nach Ferienwohnungen, um zumindest das erste Semester zu überbrücken. Doch die waren schnell vergeben, und so entschloss sich Gabler-Hofrichter, auch einige ihrer Gästezimmer vorübergehend zur Verfügung zu stellen. Fünf Studenten bietet sie derzeit ein Dach überm Kopf – zu Sonderkonditionen. Für die Zimmer hat sie mittlerweile kleine Kühlschränke besorgt, und in einem Gemeinschaftsraum will sie noch eine Kaffeemaschine und eine Mikrowelle aufstellen. Von einer erhöhten Nachfrage berichtet ebenfalls Harald Gulden. Der Leiter der Jugendherberge vermietet immer wieder "für ein paar Tage an wohnungssuchende Studenten". Doch in diesem Jahr seien "die viel früher dran gewesen, als sonst". Zudem habe er oft miterlebt, wie die angehenden Studenten "enttäuscht von zu hohen Mieten oder einem schlechten Zustand der Wohnungen" berichteten. Von "kleinen Dramen", weiß auch Inge Rudolph. In der Touristinformation seien mehr Anfragen eingegangen als üblich. Sie habe von vielen verzweifelten Studenten gehört, die nur schwer eine Unterkunft fanden.

Die über 330 Wohnheimplätze in Eichstätt sind alle voll, heißt es beim St. Gundekarwerk. Egal ob im Kardinal-Schröffer-Haus auf dem Seidlkreuz, in St. Stilla in Rebdorf oder im Edith-Stein-Wohnheim in der Pedettistraße: Die Zimmer und Appartements für maximal 220 Euro Monatsmiete sind heiß begehrt. "Wir haben kaum Leerstand, und meistens werden die Zimmer unter der Hand weitervermittelt", berichtet Direktionsassistentin Isabelle Betz. Vorerst sei kein Neubau von Wohnheimen in Eichstätt geplant, hieß es zudem.

Der Studentische Konvent sieht die Lage kritisch – auch im Hinblick auf den Doppeljahrgang Abiturienten, die im nächsten Jahr an die Universität kommen. Konventsvorsitzender Lukas Bergmann berichtet, dass die Studierendenvertretung "in Gesprächen mit der Hochschulleitung steht", um das Problem zu lösen.

In einer Liste der Studentenkanzlei der Universität sind derzeit kaum Unterkünfte zu finden. Ein erster Aufruf an Haus- und Wohnungsbesitzer, doch noch freie Zimmer zu melden, brachte laut Uni-Pressesprecher Constantin Schulte-Strathaus "nur eine Handvoll neuer Angebote".

Sollte sich die Situation nicht entspannen, könnte die Stadt, so Oberbürgermeister Arnulf Neumeyer, "eventuell ein paar Zimmer anbieten". Doch jetzt seien die Kirche und die Universität "in der Verantwortung", die Wohnungsnot zu lindern.

Hannelore Findeis setzte bei ihrer Suche sogar auf kirchlichen Beistand: Im Gottesdienst verlas der evangelische Pfarrer Sieghart Schneider ihren Aufruf nach einem Dach über dem Kopf – erfolglos.