Böhmfeld
Auch in Chile ist Corona angekommen

Der Böhmfelder Kapuzinerpater Gerhard Bauer berichtet von der Lage in Lateinamerika

01.04.2020 | Stand 23.09.2023, 11:27 Uhr
Straßenkontrollen in Chile: Ein Polizist überprüft die Papiere eines Fahrers. In den ländlichen Regionen haben die Bürger schon selbst Kontrollen eingeführt - sie wollen vor allem die An- und Durchreise von Hauptstadtbewohnern verhindern. −Foto: Jorge Villegas/XinHua,dpa

Böhmfeld - Aus Chile hat sich am Wochenende der aus Böhmfeld stammende Kapuzinerpater Gerhard Bauer gemeldet und gebeten, Verwandte, Freunde und Bekannte über die aktuelle Lage dort zu informieren.

Das Coronavirus breitet sich auch in Chile nach und nach über das ganze Land aus.

Pater Gerhard weiß, dass er mit seinen 77 Jahren zu der Gruppe gehört, die ein höheres Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf hat. Dasselbe gilt für seine fünf Mitbrüder im Pfarrhaus in Pucon, die älter sind als er. Hinzu kommt, dass er als Priester immer wieder von Pfarrangehörigen gerufen wird, wobei die Sicherheitsbestimmungen nicht besonders ernst genommen werden.

In Chile selbst gab es bis zum Wochenende 1909 positiv getestete Personen und sechs Todesfälle. Die Tendenz ist stark steigend. Die Staatsführung unter Präsident Sebastian Pinera reagierte Ende Februar sehr zögerlich auf das Bekanntwerden der ersten Krankheitsfälle. Erst als eine große Zahl an Gemeinden sowie die Universitäten am 15. März bekanntgaben, alle Bildungsstätten zu schließen, zog die Regierung nach und machte dies zur Grundlage ihrer eigenen Politik. Am 18. März erklärte der Präsident den nationalen Katastrophennotstand. Als erste Maßnahme übernahm das Militär die Kontrolle über weite Teile des Landes und die Grenzen zu den Nachbarländern wurden geschlossen. Zwar stehen seither Soldaten mit Sturmgewehren an den Straßenrändern, aber anstatt konsequent Ausgangssperren zu verhängen, lockerte das Militär rasch diese Regelungen in den Gemeinden. Dieses Verhalten stieß dort auf große Empörung und wurde nicht hingenommen. In den ländlichen Regionen, zum Teil in Zusammenarbeit mit den Lokalregierungen, führten die Bewohner selbst Straßenkontrollen ein. Sie wollen vor allem die An- und Durchreise von Hauptstadtbewohnern aus der Oberschicht verhindern, die in Massen Santiago verlassen, um die Quarantäne in den Ferienhäusern am Strand zu verbringen. Die Lokalbevölkerung wusste, dass das Virus in den reichen Vierteln der Hauptstadt zuerst ausgebrochen ist und das Gesundheitssystem auf dem Land zudem überlasteter ist als in der Stadt. Daraufhin führte die Regierung 42 Kontrollpunkte im Norden und Süden des Landes ein. Gleichzeitig zeigte sich die Präsidentin der Ärztekammer Chiles bestürzt über die Politik der Regierung. Diese sei komplett gescheitert.

Padre Juan erfuhr von einer Französin, die im 40 Kilometer entfernten Currarehue in Quarantäne im dortigen überlasteten Gesundheitszentrum ist. So kommen inzwischen viele Kranke nach Pucon. Auch von zwei Kreuzfahrtschiffen im Süden dürfen die Passagiere nicht von Bord. Der Bischof von Santiago appellierte an die Gläubigen, den Anordnungen des Gesundheitsministeriums zu folgen. Gläubige mit gesundheitlichem Risiko und deren Mitbewohner wurden von der Sonntagspflicht entbunden. Verzichtet wird außerdem auf den Friedensgruß, die Handkommunion ist Pflicht. Kirchen sind zum Gebet geöffnet und Priester sind zum Gespräch und zur Beichte bereit.

Pater Gerhard Bauer, der in seinen 45 Jahren Tätigkeit in Chile schon viele politische und soziale Herausforderungen erlebt und bewältigt hat, ist sich sicher, dass die jetzige wahrscheinlich die gefährlichste ist.

EK

Rudolf Nieberle