München
Auch gegen die Adler vogelwild?

Schwächelnder FC Bayern bei Eintracht Frankfurt vor hoher Auswärtshürde

31.10.2019 | Stand 23.09.2023, 9:15 Uhr
Weit entfernt von seiner Normal-Form: Thiago (rechts) spielte bei der Pokalpartie gegen den VfL Bochum eine ganze Reihe an Fehlpässen. −Foto: Kirchner/dpa

München (DK) "Mia san durcheinander" statt "Mia san mia": Beim FC Bayern ist vor der Partie an diesem Samstag bei Eintracht Frankfurt (15.30 Uhr/ZDF und SKY) auf und neben dem Platz von Souveränität nichts zu sehen.

Die Mannschaft schwächelt bedenklich und auch die Verantwortlichen verhalten sich wenig abgeklärt.

"Nicht Bayern-like" - eine Notenstufe, die Manuel Neuer nach dem 2:2 des FC Bayern beim FC Augsburg vor zwei Wochen einführte und damit auf die schläfrige Defensive und die haarsträubenden Leichtsinnigkeiten im Spiel des Rekordmeisters abzielte. Gegen Union Berlin vor einer Woche rannte Neuer wie von der Tarantel gestochen aus seinem Tor und stauchte seine Mitspieler zusammen.

Wohlweislich nicht nur, weil er als Keeper großer Leidtragender jener Mängel ist und nun in 15 Pflichtspielen in dieser Saison schon 19-mal hinter sich greifen musste. Der 33-Jährige ist sich seiner Rolle als Kapitän bewusst und will sein schläfriges Team wachrütteln, weil er die ambitionierten Ziele des FC Bayern in Gefahr sieht. "Jeder muss bei sich anfangen. War ich heute der beste Spieler, der ich sein kann? Falls nicht, muss man hart daran arbeiten, es wieder zu werden", schimpfte Neuer nach dem Zittersieg des FC Bayern im DFB-Pokal beim VfL Bochum. Eine deutliche Breitseite in Richtung seiner Kollegen.

Ärgerlich aus Sicht des Rekordmeisters sind die Probleme vor allem deshalb, weil sie selbstverschuldet sind. Die Abstände zwischen den einzelnen Mannschaftsteilen sind zu groß, im Spiel nach vorne fehlen Bewegung und Zielstrebigkeit. Dazu kommt selbst bei Edeltechnikern wie Thiago eine schier unglaubliche Anzahl an Fehlpässen. Im Pokalspiel sah Trainer Niko Kovac ein "ganzes Festival" davon. Der von Sarkasmus geprägte Auftritt von Sportdirektor Hasan Salihamidzic ("Ich bin einfach nur da, um da zu sein") nach Abpfiff stand der konfusen Vorstellung der Münchner in nichts nach.

Kovac ist auf der Suche nach einem wirksamen Rezept gegen all die Mängel. "Wir brauchen mehr Leidenschaft in den Zweikämpfen. In Frankfurt geht da ab der ersten Minute die Post ab", sagte der FCB-Trainer am Donnerstag. Selbst gibt der 48-Jährige in dieser Saison nicht immer eine glückliche Figur ab. Nach der "Notnagel"-Aussage in der Causa Thomas Müller tappte Kovac mit der Schwärmerei für die Anhänger seines Ex-Klubs unmittelbar vor dem Aufeinandertreffen ("Eintracht Frankfurt hat die besten Fans der Liga") mitten ins Fettnäpfchen. Zudem lag er mit der Aufstellung im Pokalspiel daneben. Derzeit wird der FC Bayern ohne seine offensiven Leuchttürme eben nicht einmal einem Kellerkind der Zweiten Bundesliga Herr. Mit angezogener Handbremse geht es gegen Frankfurt garantiert schief. Deshalb ist Toptorjäger Robert Lewandowski (13 Saisontreffer) für die Startelf und sein 300. Bundesliga-Spiel gesetzt. Auch Philippe Coutinho und Thomas Müller, der vor seinem 500. Pflichtspiel für den seit Anfang Februar 2019 auswärts ungeschlagenen FC Bayern steht, sind logische Kandidaten für die Anfangsformation. Unabhängig aller Personalien habe aber "der Erfolg die oberste Priorität", so Kovac. Durch einfaches Spiel "werde erst die Sicherheit und schließlich die Schönheit zurückkommen".

Die Eintracht wittert ihrerseits nach dem 2:1-Erfolg im DFB-Pokal beim FC St. Pauli am zehnten Spieltag die Chance, den Rekordmeister erstmals seit 16 Bundesliga-Partien wieder in die Knie zu zwingen. Trainer Adi Hütter und Vorstand Sport Fredi Bobic haben nach dem Abgang des Sturmtrios um Luka Jovic (Real Madrid), Sébastien Haller (West Ham United) und Ante Rebic (AC Mailand) nicht nur über 120 Millionen Euro eingenommen, sondern einen Teil des Geldes geschickt reinvestiert und wieder eine schlagkräftige Truppe geformt.

Goncalo Paciencia sowie die beiden Neuzugänge Bas Dost und der zuletzt angeschlagene Andre Silva bilden die neue "Büffelherde" im Angriff. Ex-Münchner Sebastian Rode kann das Spiel kaum noch erwarten: "Wir haben ein hohes Pensum. Aber am Samstag wird die Stimmung im Stadion Euphorie bei uns entfachen. " Ein Punkt Rückstand auf Tabellenführer Borussia Mönchengladbach, das Erreichen des DFB-Pokal-Achtelfinals und eine weiße Weste in der Champions League: Paradoxerweise liest sich die sportliche Bilanz des FC Bayern trotz einiger sehr schwacher Leistungen ziemlich gut. Wer weiß, vielleicht rumpeln sich die Münchner auch vor 51.500 Zuschauern in der Frankfurter Commerzbank-Arena wieder zum Sieg. Es wäre dem Selbstverständnis nach nicht "Bayern-like" - aber typisch für die bisherige Saison.

Florian Wittmann