Pfaffenhofen
Auch 3/5 Stachelbär bringen meist 100 Prozent

Neues Programm besticht durch Sprachwitz und Gesellschaftskritisches Manchmal wird es ein bisschen zu moralisch

12.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:13 Uhr

3/5 Stachelbär: Das sind Claus Drexler (von links), Roland Andre und Michael Eberle. - Foto: Paul

Pfaffenhofen (PK) Einen Anteil von knapp 60 Prozent - das haben im Bundestag in Berlin die potenziellen Koalitionäre von Jamaika. Viel Substanzielles kam da in den bisherigen Verhandlungen allerdings noch nicht zustande. Das politische Kabarettisten - anders als Politiker - dagegen auch mit einer 60-Prozent-Besetzung was Geistreiches und inhaltlich Fundiertes auf die Beine stellen können, demonstrierten jetzt par excellence am Samstagabend im Keller in der Intakt-Musikbühne der 3/5 Stachelbär mit dem neuen, zweiten Programm "Betreten sein verboten".

Das Ensemble aus Roland Andre, Claus Drexler und Michael Eberle kann scharf beobachten, mit Sprachwitz kommentieren und Beschreibungen bis ins Absurde steigern. Wenn Drexler beispielsweise mit dem Refrain " ... aber ansonsten ist ruhig" über die diversen Lärm- und Geruchsbelästigungen seiner nur scheinbar in ländlicher Idylle gelegenen Wohnung in Allershausen sinniert - mal hört man bei Westwind die A9, mal bei Ostwind die Flugzeuge, mitunter den ICE und der Nachbar lärmt als Landwirt und bringt eifrig Gülle aus -, dann bleibt kein Auge im bis auf den letzten Platz gefüllten Raum trocken.

Dabei war am Anfang ja gar nicht klar, ob das Programm überhaupt stattfinden kann und darf. In einer Art Bühnenvorspiel sinnierten die drei Künstler darüber, ob man angesichts von gehäuft auftretenden Amokläufen und Terroranschlägen überhaupt noch Kabarettprogramme veranstalten dürfe. Und wenn ja - gelten dann nur die Toten von Barcelona als Hinderungsgrund oder auch die Opfer von Kabul? Das ist so ihre Masche: Kaum möchte man es sich als Zuhörer in Vorfreude aufs Lachen gemütlich machen, verderben die drei dem Zuhörer den Spaß an der eigenen Unterhaltung. Und dabei schauen sie dann immer so naiv-dreist, als wäre alles selbstverständlich keine Absicht.

Nun, das insgesamt gut zwei Stunden dauernde Programm fand dann natürlich statt. Und es wurde dann auch nicht nur schwere gesellschaftskritische Kost geboten, sondern auch Leichtes (nicht Seichtes!). Das Interview mit einem leicht verrückten Professor für Sicherheitstechnik ("Wie entkomme ich bei Starkregen einem mit Wasser vollgelaufenen Auto") war nicht nur in den sprachlichen Drehungen und Wendungen gelungen, sondern auch hinsichtlich der Mimik und Gestik. Wenn Eberle, alias der Professor, etwa Drexler ins Jackett helfen will, sich dabei im Ärmel verheddert und das Sakko am Ende irgendwie von beiden gleichzeitig getragen wird, ist das richtig guter Slapstick. Und auch von den pseudoanthropologischen Erklärungen zum lokalen Brauchtum oder den sprachwissenschaftlichen Erörterungen der verschiedenen Bedeutungen des Satzes "Da leckst mich am Arsch!" - je nach Nuancierung der Aussprache desselben - mag man gern mehr hören.

Geschwächelt hat das Programm immer dann, wenn es zu moralisch wurde. Dass bei AfD und Pegida selbstverständlich nur "Deppen" mitlaufen, und diese Organisationen nur "Ängste schüren", das hat man inzwischen nicht nur auf der Bühne schon mindestens einmal zu viel gehört. Und dass natürlich nicht nur Flüchtlinge mitunter saufen und randalieren, sondern auch Einheimische - das ist so sehr relativierende Binsenweisheit, dass es einfach nur noch nervt. Michael Eberles abschließende Wutrede über die vermeintlich absolut notwendige materielle Umverteilung in Deutschland von oben nach unten mag bei ihm vom Herzen kommen. Irgendwie peinlich war sie trotzdem.

Unterm Strich aber lohnt sich das Programm auf alle Fälle und davon überzeugen kann man sich in Pfaffenhofen noch einmal (gleicher Ort und gleiche Uhrzeit) am Samstag, 9. Dezember.