Pfaffenhofen
Asylbewerber hält 13 Polizisten in Atem

22-Jähriger wehrt sich gegen Hausverbot - Einspruch zu Strafbefehl zurückgezogen

17.02.2019 | Stand 25.10.2023, 10:30 Uhr

Pfaffenhofen (SZ) Sichtlich überfordert mit dem deutschem Recht war ein 22-jähriger Afrikaner, der wegen Hausfriedensbruchs einen Strafbefehl über 150 Euro bekommen hatte. Viel Geld für einen Asylbewerber. Zu viel Geld, meinte Noam P. (Name geändert) und legte Einspruch ein, den er aber nach einer halben Stunde Verhandlung vor dem Amtsgericht frustriert zurückzog.

Aus seiner Sicht ist dem Angeklagten bitteres Unrecht widerfahren. Lebhaft schildert er seinem Dolmetscher, was damals im August in seiner Unterkunft im nördlichen Landkreis passiert ist. Er sollte in einen anderen Trakt verlegt werden, das sei ihm auch mitgeteilt worden. Nicht aber, dass er ein Hausverbot für seine alte Unterkunft bekommen habe. Als er von der Arbeit kam, habe er dort nur nachsehen wollen, ob er Post bekommen habe, erklärte er in der Verhandlung. Dann aber stellte fest, dass sein Spind ausgeräumt und seine Sachen vor die Tür gestellt worden waren. "Da bin ich wütend geworden", räumt er freimütig ein.

Sein Wutausbruch muss wohl ziemlich heftig gewesen sein, denn zwei Sicherheitsmänner sahen sich gezwungen, die Polizei zu rufen. Bei der Rauferei verletzte sich der 22-Jährige, wurde ins Krankenhaus gebracht und am nächsten Morgen wieder entlassen. Diese Erfahrung hinderte Noam P. nicht daran, erneut seine bisherige Bleibe aufzusuchen. Er wollte ja nur nach seiner Post sehen und "mit der Administration reden", aber man hätte ihn abgewiesen.

Auch diesmal sei er wieder wütend geworden. Das gehe doch nicht, dass man ihm einfach die Sachen vor die Tür stelle. Sechs Streifenwagen mit 13 Polizisten rückten an, um Noam P. zu beruhigen. Immerhin war er in der Unterkunft als randalierend und suizidgefährdet bekannt, was nicht ganz abwegig ist. Erregt berichtet er vor Gericht, wie er versucht hat, sich einer Festnahme zu entziehen: Seinen Kopf - Noam P. deutet mit beiden Händen an seine Schläfen - habe er mit Wucht gegen die Tür geschlagen. Wieder kam er ins Krankenhaus und wurde tags darauf entlassen.

Der Angeklagte versteht das alles nicht, vor allem nicht das Polizeiaufgebot. "Ich habe doch nichts gemacht", beteuert er. Doch, sagt ein Bediensteter der Asylbewerber-Unterkunft. Er ist als Zeuge geladen, kann sich an die Einzelheiten nicht mehr so genau erinnern, hat aber den Einsatzbericht mitgebracht. Aus dem geht eindeutig hervor, dass Noam P. von zwei Bediensteten ein Hausverbot erteilt wurde. "Ich wusste nicht", erklärt der 22-Jährige, "dass ich das Gebäude nicht mehr betreten darf."

Amtsrichter Michael Herbert gibt ihm eine Chance: "Ich bin davon überzeugt, dass der Sachverhalt sich so abgespielt hat, wie es der Zeuge geschildert hat. Ziehen Sie Ihren Einspruch zurück." Der Strafbefehl von 15 Tagessätzen à 10 Euro sei ohnehin "extrem niedrig". "Andernfalls wird die Strafe definitiv höher ausfallen", wart der Richter.

Der Dolmetscher übersetzt, Noam P. hat den Hinweis verstanden. Trotzdem gibt er noch nicht auf: "Darf ich noch etwas sagen? Ich bin verwirrt. Ich habe kein Geld." Der Richter: "Ich gebe Ihnen eine letzte Chance: Ziehen Sie Ihren Einspruch zurück!" Noam schlägt die Hand vors Gesicht, denkt nach, atmet schließlich tief aus und lässt dann übersetzen: "Okay."

Albert Herchenbach