Walting
Argumente gegenübergestellt

Bürgerinitiative und Gemeinde informierten in Walting zum Entscheid über Gewerbegebiet

09.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:31 Uhr

Zu einem geplanten Gewerbegebiet bei Rapperszell gibt es am 19. März einen Bürgerentscheid. ‹ŒArch - foto: Hager/Hoedt

Walting (EK) Am Sonntag, 19. März, entscheiden die Bürger der Gemeinde Walting über ein geplantes Gewerbegebiet in Rapperszell. Eine Bürgerinitiative will die Planungen verhindern. Jetzt haben beide Seiten vor mehr als 200 Bürgern ihre Argumente dargelegt.

Der Gemeinderat hat dem Bürgerbegehren ein Ratsbegehren gegenübergestellt, um die mittlerweile geänderte und finanziell reduzierte Planung fortzuführen und umzusetzen (wir berichteten). Michael Zehetleitner, Vertreter der Bürgerinitiative, trat als Erster ans Rednerpult: "Das Ziel des Bürgerbegehrens ist eine nachhaltige Entwicklung der Gemeinde Walting in Bezug auf Natur, Finanzen und Vertrauen. Diese drei ökologischen, ökonomischen und sozialen Ressourcen sind begrenzt und müssen so eingesetzt werden, dass auch unsere Enkel stolz auf uns sein können, wie verantwortungsvoll wir damit umgegangen sind. Dieses Ziel teilen wir mit dem Ratsbegehren", erklärte Zehetleitner.

Dieser Verantwortung gerecht zu werden, heiße allerdings, alle relevanten Fakten zu sammeln. Heutige Planungsprobleme seien zu komplex, um sie einfach aus dem Bauch heraus zu bewerten. Daher könne man moderne, wirtschaftswissenschaftliche Methoden nutzen, um langfristig tragbare Entscheidungen, wie die Errichtung eines Gewerbegebiets, zu treffen. Diese Werkzeuge seien in kommunaler Praxis der Flächenentwicklung erprobt und von den Ministerien empfohlen. Zehetleitner kritisierte Intransparenz und fehlende Kostenwahrheit und monierte, dass Bürgermeister Roland Schermer auf eine verkürzte und kurzsichtige Analyse setze. So würde Schermer etwa nur von den geplanten Erschließungskosten (1,4 Millionen Euro) sprechen, und die Gesamtkosten der Investition nicht benennen. Diese beliefen sich Zehetleitner zufolge auf 2,1 Millionen Euro.

Wie der BI-Vertreter weiter sagte, akzeptiere der Bürgermeister auch, dass eine Amortisierung der Kosten 20 bis 30 Jahre auf sich warten lassen könne. Nach der Erschließung, so Zehetleitner, entstünden langfristig regelmäßige Kosten. Er führte aus, dass allein die zur Verfügung stehenden Zahlen erwarten ließen, dass die Gemeinde sich mit dem Gewerbegebiet langfristig mit Kosten belasten werde, anstelle ihren finanziellen Spielraum zu verbessern. Somit erreiche die Gemeinde das Gegenteil von dem, was sie als Ziel ausrufe. Der Bürgermeister sei sich bewusst, dass die Errichtung des Gewerbegebiets nur durch die Aufnahme von Millionenschulden möglich werde. Zehetleitner: "Unaufschiebbar steht für die Gemeinde die Schaffung von Kinderbetreuungsplätzen und die Schulsanierung an. Bisher konnte die Gemeinde stolz auf ihren soliden, schuldenfreien Haushalt blicken." Nach Zehetleitners Überzeugung widerspricht das Gewerbegebiet in Rapperszell dem Prinzip von Nachhaltigkeit in der Natur. Es werde an dieser Stelle besonders wertvoller Ackerboden für immer versiegelt. Bund, Länder und auch Kirchen mahnten einen schonenden Umgang mit Naturflächen an. In Bayern allein würden pro Tag 17 Hektar Land erschlossen. Diese Zahl deutlich und dauerhaft zu senken, sei das erklärte Ziel des Freistaats.

Die Zukunft kommunaler Entwicklung sieht Zehetleitner in interkommunaler Zusammenarbeit zwischen mehreren Gemeinden einer Region. Die Vorteile von solchen Kooperationen seien eine deutliche Reduktion von leer stehenden Gewerbeflächen und eine größere finanzielle Rentabilität. "Die Gemeinde Walting sollte auf eine zukunftsträchtige Perspektive setzen, anstatt kurzfristig intuitiven Reflexen nachzugeben."

Bürgermeister Roland Schermer argumentierte aus der Sicht des Gemeinderats. Nach seinen Worten sei auf einem Seminar der Schule der Dorf- und Landesentwicklung in Thierhaupten für die Gemeinde Walting eine "gezielte Entwicklung von Gewerbe" empfohlen worden. Der Bürgermeister zeigte die Problematik auf, an Gewerbeflächen heranzukommen. In der Wahlperiode 2008 bis 2014 habe man das bereits versucht - ohne Erfolg. In Walting können keine Erweiterungsflächen erworben werden, und Imberg- und Juma-Gelände stünden nicht zum Kauf. Schermer: "Wir kommen an diese Flächen einfach nicht ran." Im Mai 2015 habe man schließlich eine Fläche in Rapperszell zum Kauf angeboten bekommen. Eine andere Möglichkeit gebe es nicht, erklärte Schermer. Seit Dezember 2016 liege dem Bürgermeister zufolge eine "echte Preiskalkulation" vor.

Aufgrund der Planung entstünden Planungs- und Erschließungskosten laut Ausschreibungsergebnis von etwa 1,4 Millionen Euro. Darunter fielen auch Nebenkosten wie die Grunderwerbsteuer, Notar-, Planungs-, Erschließungskosten für Straße, Wasser, Abwasser und Straßenbeleuchtung.

Die verkaufbare Nettobaulandfläche, Bauabschnitt I und II, beträgt 47 700 Quadratmeter. Der Bürgermeister begründete eine erfolgte Änderung der Planung mit der Absicht, kostenneutral zu verkaufen. Würde man für 45 Euro pro Quadratmeter verkaufen, würden sich die Kosten amortisieren, wie es auch bei den Baugebieten bis auf den letzten Cent passiert sei.

Als Ziel der Ansiedlung von Gewerbegebieten nannte Bürgermeister Roland Schermer die Erhöhung der Gewerbesteuer in der Gemeinde, die Erhöhung der Kaufkraft und die Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen. Derzeit lägen bereits fünf Anfragen von Interessenten vor, zwei aus Walting und drei aus der näheren Umgebung aus Bau- und Baunebengewerbe, Handwerk und aus dem Therapie- und Gesundheitsbereich. Mit Blick auf die nachfolgenden Generationen appellierte zum Schluss Bürgermeister Schermer, jetzt anzupacken, sich etwas zuzutrauen: "Nun liegt es in Händen der Bürgerschaft, dieses sehr günstige Angebot zur Umsetzung eines Gewerbegebiets, das wir sicher so nicht mehr bekommen werden, zu nutzen, und ein Stück weit über die Zukunft der Gemeinde Walting mitzuentscheiden."